Die Steuerzentrale Homey Pro verspricht viel. Ihr niederländischer Hersteller Athom bezeichnet sie als „fortschrittlichsten Smart-Home-Hub der Welt“. Sie sei „der Konkurrenz um Jahre voraus“ (Link). Und in der Tat lässt die Ausstattungsliste wenig zu Wünschen übrig. In dem anthrazitfarbenen Diskus mit dem farbenfrohen Lauflicht am Gehäuserand stecken alle herstellerübergreifenden Verbindungstechnologien, die im Smarthome eine Rolle spielen: 433-Mhz-Funk, Bluetooth, Infrarot, WLAN, Z-Wave, Zigbee – und nach einem Update im dritten Quartal 2023 auch Thread.
Der Homey Pro des Jahres 2023 im Praxistest
Homey Pro unterstützt den Matter-Standard – aktuell noch im Beta-Betrieb – und arbeitet lokal. Das heißt: Die Zentrale kommt ohne Cloud aus, solange die zu steuernden Geräte direkt per Funk oder Infrarot verbunden sind. Zumindest so lange, wie keine Daten aus dem Internet für eine programmierte Aktion benötigt werden. Was das in der Praxis bedeutet, dazu kommen wir gleich.
Da Homey Pro im Betrieb keinen Cloud-Service im verlangt, fallen auch keine Abo-Gebühren an. Nur die optionalen Online-Backups auf einem Server von Athom kosten 10 Euro im Jahr. Wer diese regelmäßige Ausgabe scheut, kann seine Installation etwas umständlicher allerdings auch per USB-Kabel auf einem Computer sichern.
Der Anschaffungspreis von 399 Euro klingt stattlich, relativiert sich aber durch die fehlenden oder minimalen laufenden Kosten. Hinzu kommt bei Bedarf ein Ethernet-Adapter (29 Euro), der die USB-Buchse des HomePro um einen LAN-Anschluss erweitert. Ich würde dieses Zubehör jedem empfehlen, der einen FritzBox-Router mit Band-Steering betreibt (Link) . In der von AVM empfohlenen Einstellung wechselt die FritzBox je nach Verbindungsqualität zwischen 2,4- und 5-GHz-Band. Diesen Wechsel bekommt Homey Pro offenbar nicht mit. Er verliert seine Verbindung und muss neu gestartet werden, um wieder erreichbar zu sein. Ein LAN-Anschluss per Ethernet-Adapter löst das Problem. Alternativ hilft auch, das Band Steering in den Einstellungen der FritzBox abzuschalten.
Gut gemacht: Stärken des Homey Pro
Mein Exemplar der Zentrale habe ich früh im Online-Shop des Herstellers bestellt. Zu einem Zeitpunkt, als Käufer noch bestätigen mussten, sich des Beta-Zustands der Software bewusst zu sein. Das sollte Enttäuschungen vorbeugen: Bugs und Fehlfunktionen kamen schon mal vor. Mittlerweile, gut sieben Wochen und vier Software-Updates später, läuft das System aber so rund, dass ich einen ersten Zwischenbericht veröffentlichen kann.
Der Homey Pro ist mir während dieser Zeit ein wenig ans Herz gewachsen. Es gibt viel Positives, aber auch einige Kritikpunkte anzumerken. Doch der Reihe nach, beginnen wir mit den Vorzügen, die ich an diesem Smarthome-Multitalent besonders schätze:
Die Inbetriebnahme läuft schnell und reibungslos ab. Hier haben die Entwickler ganze Arbeit geleistet und ihre App so gestaltet, dass der Prozess völlig selbsterklärend ist. Er beginnt mit dem Anlegen eines Kundenkontos, das später auch den Fernzugriff von unterwegs aus und die Online-Backups ermöglicht. Ohne Angabe einer E-Mail-Adresse lässt sich Home Pro übrigens nicht konfigurieren.
Die Bedienoberfläche mit ihrem Kachel-Design erinnert an die Schaltflächen in Apple Home, Google Home oder Samsung SmartThings. Warum auch nicht? Das Erscheinungsbild ist gelernt und hat sich bewährt. So geht die Bedienung leicht von der Hand. Nur hie und da wünscht man sich ein paar Möglichkeiten zur Individualisierung. Aktuell lässt sich weder die Reihenfolge der Räume ändern – in Homey heißen sie Zonen – noch die Position der Kacheln am Bildschirm. Alle Elemente sind alphabetisch sortiert.
Dafür entschädigt das anschauliche Dashboard im Browser, das nach der Anmeldung auf https://my.homey.app erscheint. Es zeigt unter anderem Energieverbräuche oder Daten im Zeitverlauf als schön aufbereitete Diagramme an. In einem System wie Home Assistant wären dafür Datenbank-Kenntnisse und umfangreiche Vorarbeiten nötig. Home Pro liefert die Visualisierung „out of the box“.
Anders als ein Home Assistant muss der Homey dazu allerdings mit dem Internet verbunden sein. Die Browser-Oberfläche wird von einem Server gespeist. Daten dorthin zu senden und Befehle vor dort zu empfangen, klappt nur, wenn die Zentrale online ist. Wer eine lokale Steuerung bevorzugt, greift lieber zur Homey App am Smartphone oder Tablet. Die funktioniert im Alltag auch dann, wenn das Gerät mal keine Internetverbindung hat.
Geräteintegrationen dürften ein wesentlicher Grund für den Kauf des Homey Pro sein. Laut Hersteller gibt es mehr als 750 sogenannte Apps, die sich kostenlos von einer Webseite aus installieren lassen (Link). Sie bringen Unterstützung für Produkte wie die Universalfernbedienung Logitech Harmony, für Philips Hue, Sonos oder die Wetterstation von Netatmo. Einige werden offiziell vom Homey-Team entwickelt und bereitgestellt, andere stammen aus der Community freier und freiwilliger Entwickler.
Hinzu kommen direkte Verbindungen zwischen der Zentrale und Geräten, die Infrarot oder einen der bald sechs verfügbaren Funkstandards nutzen. Leider ist nicht immer leicht zu erkennen, welche Kommunikation lokal geschieht und welche über Cloud-Server läuft. So bindet die Sonos-App von Homey ihre Lautsprecher zum Beispiel via Internet ein, obwohl der Weg übers Heimnetzwerk genauso möglich wäre, wie das Beispiel Home Assistant zeigt.
Automatisierung macht großen Spaß mit Homey. Die sogenannten Flows bauen Abläufe nach dem Wenn-dann-Prinzip zusammen und helfen auch Einsteigern schnell ins Smarthome. Für Fortgeschrittene gibt es auf der bereits erwähnten Browser-Oberfläche die Advanced Flows. Ihr Prinzip erinnert an grafische Entwicklerwerkzeuge wie Node Red und verbindet Elemente am Bildschirm mit Linien zu einem Ablauf. Gegenüber den einfachen Flows schafft das mehr Möglichkeiten und spart Arbeit, weil sich Befehlsketten mit mehreren Bedingungen und Abzweigungen in einem Chart zusammenfassen lassen – statt sie auf einzelne Regeln zu verteilen.
Ebenfalls im Browser verfügbar ist der Texteditor HomeyScript. Als Hohe Schule der Hausautomatisierung erlaubt er es, Regeln in Textform zu schreiben, genauer gesagt in der Programmiersprache JavaScript. So etwas kennt man sonst nur von wenigen kommerziellen Zentralen, etwa dem Fibaro HomeCenter 3, und von Open-Source-Lösungen à la ioBroker, Home Assistant oder OpenHAB.
Sprachansagen seien an dieser Stelle nur als Beispiel genannt für viele kleine Extras, die Homey Pro beherrscht und die ein automatisiertes Zuhause komfortabel machen. Wer mag, kann Flows, die einen Sonos-Lautsprecher enthalten, um Durchsagen ergänzen. Das System wünscht dann etwa einen guten Morgen, weist auf offene Fenster hin oder warnt bei Alarmen. Im Flow hinterlegte Texte verwandelt es in eine angenehm klingende, akzentfreie Frauenstimme um. Bei Bose SoundTouch lassen sich stattdessen Audiodateien auswählen. Die Möglichkeiten variieren von Produkt zu Produkt. Ein Blick in die App-Beschreibungen (Link) lohnt sich daher. Dort sind alle verfügbaren Flow-Karten für die jeweilige Integration aufgeführt.
Und sonst? Was darf besser werden?
Seinen Beta-Status konnte der Homey Pro noch nicht ganz abstreifen. Das betrifft zum einen die Matter-Unterstützung, die ausdrücklich das Etikett „Beta“ trägt. Sie ist auf Lampen, Steckdosen und Sensoren begrenzt, funktioniert mit den wenigen bereits erhältlichen Matter-Komponenten aber schon recht gut. Selbst ein Aqara-Hub mit Temperatursensor ließ sich problemlos einbinden.
Was verwundert, ist die Tatsache, dass der Homey Pro nicht als Matter-Bridge fungiert (was eine Bridge tut, erklärt dieser Beitrag auf matter-smarthome.de). Er reicht verbundene Geräte also keineswegs an Matter-Plattformen wie Amazon Alexa, Apple Home und SmartThings weiter, damit sie von dort aus gesteuert werden könnten. Stattdessen will er selbst Controller sein und die Steuerung von Matter-Geräten übernehmen. Das wird Nutzer enttäuschen, die dachten, ihre alten 433-MHz-Zwischenstecker oder Z-Wave-Sensoren ganz einfach in Alexa & Co. zu bekommen.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Der Homey Pro organisiert mit seinen Flows das Smarthome, die sich dann wiederum über eine Verbindung mit Alexa und Google oder über Siri Shortcuts starten lassen. Ein eigener Weg, den Athom hier beschreitet, angesichts der potenziellen Möglichkeiten des Homey Pro aber nachvollziehbar. Nur sind bis zu diesem Ziel noch ein paar Hürden zu nehmen.
So lassen sich angelegte Flows im Augenblick nur eingeschränkt bearbeiten. Statt Einstellungen in den Flow-Karten zu überschreiben, etwa um Geräte auszutauschen, muss die ganze Karte ersetzt werden. Das neue Exemplar ist dann leer und seine Parameter wie Helligkeit, Temperatur oder Lautstärke ebenfalls. Das führt zu mehr Eingaben und Arbeitsschritten, als eigentlich notwendig wäre.
Ärgerlich, wenn Flows – wie im Test einmal passiert – dann irgendwann leer erscheinen. Über Nacht waren alle Geräte in den Karten verschwunden und nur noch Fragezeichen zu sehen. Dank automatisierter Online-Backups ließ sich der Ausgangszustand wieder herstellen. Hätte es nach der letzten Sicherung in Athoms Cloud aber Änderungen gegeben, wären diese verloren gewesen.
Obendrein ist die Zahl steuerbarer Geräte aktuell kleiner, als die Menge an Apps im Download-Portal erwarten ließe. Besonders trifft das auf klassische Produkte mit Infrarot-Fernbedienung zu. Die Code-Datenbank des Homey Pro kann in diesem Punkt mit einer Logitech Harmony nicht mithalten. Einige meiner Heimkino-Geräte wie AV-Receiver und Blu-ray-Player von Denon ließen sich per Infrarot gar nicht steuern. Das Anlernen von Infrarot-Befehlen über die Original-Fernbedienung funktioniert am Homey Pro nicht, weil die Zentrale zwar einen IR-Transmitter zum Senden besitzt, aber keinen Receiver für den Empfang solcher Signale.
Damit scheiden Klimageräte mit Infrarot-Fernbedienung ebenfalls aus. Sie müssen über Sender wie Sensibo oder Tado eingebunden werden, für die es eine Homey-App gibt. Microsofts Xbox Series S/X oder eine Playstation 5 konntrolliert die Zentrale auch nicht – weder per Infrarot noch über Bluetooth, obwohl sie Bluetooth Low Energy 5.0 als Funkstandard unterstützt. Das kann sich natürlich mit künftigen Software-Updates ändern. Der Homey Pro ist gerade mal ein paar Monate alt und steht erst am Anfang seiner Karriere.
Fazit: Eine Plattform mit Potenzial
Homey Pro nimmt der Hausautomatisierung mit vielen Geräten und Funkstandards ihren Schrecken. Wer sich an Selbstbaulösungen à la Home Assistant nie herangetraut hat, sollte die niederländische Zentrale genauer ansehen. Auch wenn sie mehr kostet als ein Raspberry Pi mit installierter Open-Source-Software.
Dafür erspart sie viel Aufwand für Installation, Konfiguration und Backups. Vom besseren Aussehen ganz zu schweigen. Anschließen, loslegen und auf Updates warten, die das Potenzial der Hardware voll ausschöpfen, lautet die Devise. Athoms Software-Entwickler arbeiten kontinuierlich an der Optimierung. Dass so etwas nicht von heute auf morgen geht, wenn viele verschiedene Produkte und Hersteller im Spiel sind, wissen wir spätestens seit Matter.
Allerdings schläft auch die Konkurrenz nicht. Gerade Home Assistant hat in den vergangenen Jahren ein ziemliches Tempo vorgelegt, was die Integration von Produkten und die Benutzerführung angeht. Komplettlösungen wie der Home Assistant Yellow (Link) zielen auf ein ähnliches Publikum wie Homey Pro, ohne aber dessen Vollausstattung zu erreichen. Sechs Funkstandards plus Infrarot und Funktionen wie Verbrauchsdiagramme oder Advanced Flows sind auf ihnen nur mit großem Aufwand zu realisieren.
Die Benutzeroberfläche sieht ohne Zweifel gut aus, ABER: alphabetische, nicht änderbare Sortierung und der Verschwinde-Bug machen jetzt nicht so den überzeugenden Eindruck auf mich. Sprachansagen gehen mit Home Assistant auch relativ einfach, wenn man sich kurz (5-10 Min.) einliest. Infrarot habe ich noch nie vermisst – ob das mit Home Assistant geht, weiß ich nicht, aber DAS Argument für homey pro lasse ich gelten. Aber ansonsten würde ich die Beta-Phase aussitzen und solange weiter halbwegs glücklich mit meinem Home Assistant leben :-)