Das Blatt hat sich gewendet: Während über die Jahre immer mehr Lösungen und Systeme für die Haus-Automatisierung entstanden, sinkt ihre Zahl nun wieder. Nach Osram Lightify im Jahr 2021 stellten auch Conrad Connect (2021), Home Connect Plus (2023), die Silvercrest-App von Lidl (2023) und das ehemalige RWE- und Innogy-System Livisi (2024) den Betrieb ein. Jüngste Ergänzung in dieser Liste, die nur das deutsche Marktgeschehen abbildet: Gigaset Elements. Wegen Insolvenz trennte der Anbieter im März 2024 nach kurzer Vorwarnung seine Server unerwartet vom Netz – und verwandelte damit Geräte seiner Kunden in Elektroschrott.
Im Einzelnen mögen die Gründe für den Exit unterschiedlich gewesen sein. Doch alle genannten Lösungen haben eines gemeinsam: Sie nutzten zum Betrieb das Internet. Ihre Bedienoberflächen, nicht selten aber auch die damit programmierten Abläufe und Schaltvorgänge, waren von der Cloud abhängig. Heißt für Anwenderinnen und Anwender: Bei Server-Problemen, Internet-Ausfällen oder Abchalten der Infrastruktur (weil ein Weiterbetrieb für den Anbieter unrentabel erscheint) ist die Steuerung direkt betroffen. Das System funktioniert nur noch einge-schränkt, wenn überhaupt.
Hinzu kommen häufig ungeklärte Fragen, die insbesondere kritische deutsche Konsumenten beschäftigen. Sind meine Hausdaten in der Cloud sicher? Bleiben Sensor-Informationen und Schaltvorgänge anonym oder verknüpft sie der Anbieter mit weiteren Daten? Wie sieht es bei permanenter Online-Verbindung mit dem Schutz vor Hacker-Angriffen aus?
Abschied von der Cloud
Der Wunsch nach preisgünstigen, unkomplizierten Geräten – für die eine Cloud-Lösung sich oftmals anbietet – steht so im Widerspruch zur Angst der Kunden, die Kontrolle über das eigene Zuhause zu verlieren. Dabei sind Produkte für das Internet der Dinge, oder IoT, wie es abge-kürzt heißt, auch ohne permanente Online-Verbindung möglich. Homematic IP etwa arbeitet schon lange mit direkten Funkverbindungen zwischen seinen Geräten. Sie funktionieren auch dann, wenn der heimische Internetanschluss ausfällt.
Für Herbst 2024 hat der Hersteller EQ-3 außerdem eine neue Zentrale angekündigt, die einen weitgehend lokalen Betrieb ermöglicht. Damit dürfte die Cloud dann nur noch für bestimmte Aufgaben wie Fernzugriff von unterwegs aus nötig sein. Bosch verfährt bei seinen Smart-Home-Controllern ähnlich. Und die Talente der Fritzbox von AVM liegen ebenfalls in einer lokalen Steuerung begründet.
Hinzu kommt ein neuer Faktor namens Matter – der herstellerübergreifende Smart-Home-Standard hat gleichzeitig bremsende wie beschleunigende Wirkung. Einerseits halten Firmen sich mit Produktankündigungen zurück, ihr Innovationstempo beim Thema Haus-Automatisierung lässt nach. Ein möglicher Grund: Für Anbieter birgt es Risiken, ein neues Gerät oder System ohne ein schlüssiges Matter-Konzept auf den Markt zu bringen. Aktuell kennen zwar nur wenige Endkonsumenten den Begriff, aber in ein, zwei Jahren mag das anders sein. Dann erwarten diese Kunden eine Bridge oder Software-Aktualisierung, um ihre Produkte mit Matter-fähigen Systemen zu verbinden. Dass die Umsetzung des jungen Standards etwas schleppend verläuft und mit Kinderkrankheiten kämpft, trägt nicht gerade zur schnellen Adaption bei.
Kontrolle und Kompatibilität
Andererseits hat Matter das Zeug zum Katalysator. Der Standard dürfte die Entwicklung hin zu lokal operierenden Systemen vorantreiben. Denn er schreibt genau das vor: ein Smarthome, in dem Steuerung, Sensoren und Aktoren direkt kommunizieren, ohne Beteiligung des Internets. Die Spezifikationen lassen ein Hintertürchen offen: Cloud-Dienste sind weiterhin möglich, wovon Mitgründer wie Amazon, Apple und Google auch Gebrauch machen. Sie lagern zumindest einen Teil der Daten auf ihre Server aus – und sei es nur in verschlüsselter Form, um Geräte zu synchronisieren, wie im Falle des iOS-Schlüsselbunds von Apple. Für Funktionen, die Matter bislang gar nicht vorsieht, oder zur Fernbedienung außer Haus, sind Online-Dienste ohnehin hilfreich.
Mittel- und langfristig wird es aber mehr Systeme geben, die offline arbeiten. Home Assistant, eine Matter-fähige Lösung, die auf Open-Source-Software basiert, weist den Weg dafür. Auch Direktverknüpfungen sieht der Standard bereits vor, etwa zwischen Bewegungsmeldern, Lichtschaltern und Lampen oder Temperatursensoren und Heizkörperreglern. Diese sogenannten „Bindings“ erinnern an Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, wie es sie in Homematic IP heute schon gibt.
Was noch deutlich schwerer wiegt, ist aber das Versprechen herstellerübergreifender Kompatibilität. Marktaustritte wie in den beschriebenen Fällen von Osram, Gigaset, Livisi & Co. wird es immer geben. Die Auswirkungen sind für betroffene Nutzer allerdings weniger schlimm, wenn sie mit ihren Geräten in eine andere Steuerung umziehen können. Matter will dies ermöglichen.
Und dann wäre da noch das Thema Sicherheit. Ein Punkt, der auf der Liste Smart-Home-abstinenter Verbraucherinnen und Verbraucher weit oben steht, wenn sie nach Gründen für ihre Zurückhaltung gefragt werden. Medienberichte über Cyber-Attacken rücken die Thematik immer wieder ins öf- fentliche Interesse. Die EU-Kommission nimmt Hersteller von IT-Infrastruktur zunehmend in die Pflicht. Richtlinien wie der Cyber Resilience Act sollen digitale Systeme widerstandsfähiger gegen Angriffe machen und längerfristig für Sicherheits-Updates sorgen als dies heute der Fall ist.
Die möglichen Folgen sind absehbar. Branchenkenner gehen von einer weiteren Konsolidierung des Marktes aus. Wird der Beratungsbedarf dadurch sinken? Wohl kaum. Denn das Fernziel ist noch lange nicht erreicht – ein Smarthome, in dem (fast) alles mit (beinahe) allem funktioniert. Aktuell geht es darum, die Weichen dorthin zu stellen. Oder besser gesagt: Leitplanken zu errichten, innerhalb derer eine sichere Reise möglich ist. Matter-Logos weisen vielleicht irgendwann den Weg. Aktuell sind sie so dünn gesät, dass Verbraucher Gefahr laufen, falsch abzubiegen. Das bietet dem Handel die Chance, auf Argumente zu setzen. Denn heute schon gibt es Lösungen, die zuverlässig funktionieren, lokale Verbindungen pflegen und ihre Daten sicher verschlüsseln. Dass ein paar Anbieter vom Markt verschwinden, macht die Auswahl sogar einfacher.
Dieser Text erschien auch als Gastartikel im Smarthome-Special des Fachmagazins elektromarkt.de