Am 6. November 2020 ist es soweit. Dann kann der HomePod mini vorbestellt werden. Die Auslieferung beginnt zehn Tage später, am 16. November. Beide Termine werden sich wohl nicht nur Fans der Marke rot im Kalender anstreichen. Auch die Konkurrenz dürfte genau hinschauen, was passiert. Denn mit dem HomePod mini beginnt so etwas wie eine Zeitenwende in Apples Smarthome-Aktivitäten.
Das fängt schon beim Preis an. Er liegt unter 100 Euro, was eine politische Entscheidung sein dürfte. Kein anderes Produkt im Apple-Portfolio ist so niedrig angesiedelt – vom Pencil der 1. Generation einmal abgesehen. Aber dabei handelt es sich ja auch nur um Zubehör ohne eigene Funktion. Der originale HomePod – seit 2018 unverändert im Programm – kostet mehr als dreimal so viel.
Apple hat den HomePod geschrumpft
Für 96,50 Euro – später 99 Euro – bekommen Käufer des Mini einen Funktionsumfang, der dem großen Bruder weitgehend entspricht. In der abgeflachten, knapp 9 Zentimeter hohen Kugel stecken:
- ein Smart Speaker mit Siri an Bord
- ein Multiroom-Lautsprecher mit AirPlay 2
- eine Smarthome-Zentrale für HomeKit
Der HomePod mini unterstützt Apples kommende Intercom-Funktion, mit der sich sprachgesteuert Durchsagen im ganzen Haus machen lassen, und zwei Exemplare können drahtlos verbunden als Stereopaar spielen. Nur der angekündigte Mehrkanal-Heimkino-Ton bleibt dem Original vorbehalten (LINK). Laut Informationen des kanadischen Apple-Kenners Jim Dalrymple muss wohl mindestens ein klassischer HomePod mit dem Apple TV 4K verbunden sein, um Surround-Sound in 5.1, 7.1 oder Dolby Atmos zu decodieren (LINK). Die Raumeinmessung des Großen, von Apple Spatial Awareness genannt, wird dabei verwendet, um Surround-Informationen richtig im Zimmer zu verteilen. Voraussetzung für alle diese Funktionen ist übrigens iOS 14.2 auf den HomePods, das es bislang nur in einer Betaversion für Entwickler gibt.
Konkurrenz für Amazon, Ikea, Sonos & Co.
Im Klang heißt es Abstriche machen. Auch mit akustischen Tricks und digitaler Signalverarbeitung wird es Apple nicht gelingen, aus dem Breitband-Chassis und den beiden Passivmembranen des Mini so viel Klangvolumen herauszuholen wie aus einem HomePod Classic. Der hat für dieselbe Aufgabe schließlich sieben Hochtöner und eine große, langhubige Bassmebran zu Verfügung. Die Frage ist eher: Wie gut klingt der Neue im Vergleich mit einem Symfonisk-Lautsprecher von Ikea oder einem Amazon Echo. Sie spielen preislich in einer ähnlichen Liga. Nach den bisherigen Erfahrungen kann man von Apples Toningenieuren hier einiges erwarten.
Dass der bisherige HomePod trotz seines guten Klangs in den weltweiten Verkaufszahlen eher unter „ferner liefen“ erscheint (LINK), hat andere Gründe. Der relativ hohe Preis ist einer davon. Dann stört Musikfans, die kein Apple Music verwenden, dass sie die WLAN-Box nur als „tauben“ Airplay-Lautsprecher nutzen können. Sprachgesteuert Titel oder Playlisten abrufen geht mit anderen Streaming-Diensten nicht. Hier haben Amazon Echo, Google Home und Sonos die Nase vorn. Und last not least gilt Siri als etwas unterentwickelt, wenn es um das Abfragen von Wissen geht. Vorteile wie das höhere Datenschutz-Niveau werden oft nicht wahrgenommen. Dass Sprachbefehle gar nicht direkt dem Apple-Konto des Nutzers oder der Nutzerin zugeordnet werden, ist vielen unbekannt.
Mit Einführung des HomePod mini will Apple nun offenbar in die Offensive und hat begonnen, Kritikpunkte auszuräumen:
- Andere Musikdienste kommen auf den HomePod. Den Anfang macht diesen Herbst Amazon Music, nachdem der Anbieter vor einiger Zeit schon Apple Music auf seine Echo-Lautsprecher gelassen hat. Amazon wurde auf der Apple-Keynote (LINK) ausdrücklich genannt. Weitere Partner sollen folgen. Dass Spotify in näherer Zeit dazu kommt, ist eher unwahrscheinlich. Beide Unternehmen liegen seit einer Klage des schwedischen Musikdienstes im Clinch. Und dass Spotify dem Spieleanbieter Epic in seiner jüngsten Auseinandersetzung mit Apple beigesprungen ist, wird das Verhältnis nicht unbedingt entspannt haben.
- Mehr Intelligenz soll Siri im Lautsprecher attraktiver machen. Laut Apples eigener Aussage hat man das Faktenwissen des digitalen Assistenten in den vergangenen drei Jahren verzwanzigfacht. Eine neue Funktion namens „Personal Update“ liest HomePod-Nutzern künftig ihren Tageskalender, die Wettervorhersage oder andere relevante Informationen vor. Amazon und Google können das schon lange. Weil Siri persönliche Daten vom iPhone bezieht, muss aber kein Skill installiert oder Online-Kalender verknüpft werden. Nachrichten oder Notizen werden direkt auf dem Gerät verarbeitet, heißt es. Apple habe keinerlei Zugriff darauf. Das ist ein Unterschied zu Alexa und Google Assistant, wo praktisch alles über die Cloud läuft.
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung kommt dort zum Einsatz, wo sich eine Internetübertragung nicht vermeiden lässt. Das ist bei Haus- und Siri-Daten schon länger der Fall (LINK). Da HomeKit mit OS14 nun auch Gesichter erkennen kann, betont Apple diesen Fakt aber besonders. Die Bilder von Überwachungskamera werden lokal auf einem HomePod oder Apple TV analysiert und verarbeitet. Alle Aufnahmen, die in die iCloud und von dort aufs iPhone gehen, sind durchgängig verschlüsselt. Audiodaten von Sprachbefehlen an Siri werden nur dann gespeichert, wenn der Nutzer in den Datenschutzeinstellungen zustimmt.
Auf eine praktische Funktion müssen Käufer hierzulande allerdings verzichten: Die Stimmerkennung, mit der verschiedene Familien- oder Haushaltsmitglieder ihre Daten, Playlisten und Nachrichten vom HomePod abrufen können, funktioniert auch weiterhin nur auf Englisch. Apple macht keine Aussagen dazu, ob und wann dieser Mehrbenutzermodus in anderen Sprachen verfügbar sein wird.
Funktionen, über die Apple (noch) nicht spricht
Fassen wir zusammen: Für vergleichsweise wenig Geld lässt sich mit mehreren Minis ein Multiroom-Audiosystem aufbauen, das Musik von Apple, Amazon und AirPlay abspielt. Der Standby-Verbrauch dürfte ziemlich niedrig sein, weil im HomePod mini ein S5-Chip von Apple Dienst tut. Er wurde ursprünglich für die Apple Watch entwickelt, wo es auf jedes Milliwatt ankommt. Die Lautsprecher dienen gleichzeitig als HomeKit-Zentralen. Sie bauen ein Bluetooth-Netz für Geräte von Eve, Fibaro, Ledvance, Onvis und anderen Herstellern auf. Das kann die Anschaffung weiterer Bridges oder Basisstationen überflüssig machen. Ob es so flink reagiert wie Eve-Produkte in Kombination mit einem Eve Extend, muss sich zeigen.
Das ist aber noch nicht alles. Im HomePod mini stecken ein paar verborgene Talente, die vorerst ungenutzt bleiben – und die Apple auch nicht an die große Glocke hängt. Sie könnten aber in Zukunft an Bedeutung gewinnen und den Kugellautsprecher zu einem trojanischen Pferd für den HomeKit-Erfinder machen. Nach dem Motto: Wenn mehr Haushalte sich überlegen, ein Smarthome einzurichten, sitzt Apple mit seiner Technik schon drin.
Ein GPS-System für die Wohnung
Die erste noch verborgene Funktion hängt mit einem Chip namens U1 zusammen. Er tauchte im iPhone 11 erstmals auf und kommt auch in der Apple Watch S6 sowie im neuen iPhone 12 zum Einsatz. Seine Aufgabe: mit der Funktechnologie Ultra Wide Band (UWB) die Position und Entfernung anderer Objekte im Raum zu ermitteln.
Der Abstand zwischen zwei UWB-Geräten lässt sich über die Laufzeit ihrer Funksignale sehr genau messen. Aktuell nutzt Apple diese Technologie wohl nur für seine AirDrop-Funktion, um drahtlos Daten zwischen den Geräten zu übertragen. Im HomePod mini soll eine neue Anwendung hinzukommen: Lautsprecher und iPhone erkennen sich bei Annäherung automatisch. Auf dem Display erscheinen dann zum Beispiel Hinweise wie Musikvorschläge oder der HomePod „saugt” sich ein laufendes Programm förmlich vom Telefon auf die Lautsprecher.
Für HomeKit ergeben sich daraus noch mehr Möglichkeiten. Stichwort: Indoor-Positionsbestimmung oder GPS für die Wohnung. Letztes Jahr hat Apple ein Patent angemeldet, das beschreibt, wie sich mit UWB nicht nur die Entfernung, sondern auch der Winkel eines Objekts bestimmen lässt (LINK). Basisstationen vom Schlage des HomePod mini könnten auf diese Weise feststellen, wo im Haus sich der Träger eines iPhones oder einer Watch gerade befindet – und entsprechend Smarthome-Szenen auslösen. Über eine Triangulation mit drei Stationen lässt sich der Aufenthaltsort theoretisch sehr exakt ermitteln. Prinzipiell soll Ultrawideband auf 10 bis 30 Zentimeter genau sein. Bluetooth schafft nur eine Präzision von 1 bis 3 Meter, mit WLAN wächst die Unschärfe auf bis zu 15 Meter.
Spannend – aber auch etwas spekulativ – wird es, wenn man die ominösen AirTags von Apple in die Überlegung mit einbezieht. Sie fanden kurzzeitig in einem YouToube-Video des Unternehmens Erwähnung, das mittlerweile wieder gelöscht ist. MacRumors.com hat einen Screenshot auf Twitter festgehalten. Hier ist der Link dazu:
Gerüchten zufolge arbeitet Apple seit über einem Jahr an diesen drahtlosen Trackern. Hinweise darauf haben Experten bereits im Programmcode von iOS13 entdeckt. Nach allem, was bekannt ist, handelt es sich um Ortungsgeräte für Alltagsgegenstände. Die AirTags – wenn sie am Ende so heißen – lassen sich in die Geldbörse legen, an die Tasche hängen oder auch an eine TV-Fernbedienung kleben. Als Ladegerät ist ein Magnetkontakt im Gespräch, der an Apples neues MagSafe-Verfahren im iPhone 12 erinnert. Und die Tags sollen ebenfalls mit einem U1-Chip bestückt sein.
Solchermaßen ausgestattet könnten die Gegenstände des täglichen Gebrauchs dann HomeKit-Szenen aktivieren. Ein Sprachkommando wie „Siri … wo ist meine Fernbedienung?“ startet zum Beispiel die Ortung und zeigt den Fundort in der Wo-ist-App an. Ein Fahrrad, das sich unerlaubterweise von seinem Platz neben der Haustür entfernt, löst in der Wohnung Alarm aus. Die Einsatzmöglichkeiten so einer Technologie wären umfangreich und würden auch Familienmitglieder mit einbeziehen, die kein iPhone mit sich herumtragen.
Vorbereitet auf Connected Home over IP
Der Hinweis auf das zweite ungenutzte Talent verbirgt sich in den technischen Daten des kleinen HomePod. Dort taucht neben Bluetooth und WLAN der Name Thread auf. Bei Thread (Faden) handelt es sich um ein energiesparendes Funkprotokoll mit Mesh-Technik, das von der gleichnamigen Industrieorganisation entwickelt wird (LINK). Dieser Thread-Group gehört seit 2018 auch Apple an.
An sich wäre das noch nichts Besonderes. Herstellerinitiativen gibt es viele. Doch Thread ist Teil der Spezifikationen für den kommenden Smarthome-Standard Connected Home over IP (CHIP). Es bildet mit Bluetooth und WLAN die Grundlage der Übertragung. Kompatible Geräte müssen nicht alle drei Funkprotokolle unterstützen, wahrscheinlich reicht eines davon. Aber der HomePod mini hätte schon mal alle drei an Bord und wäre damit ziemlich vielseitig.
Allzu große Erwartungen dämpft Apple jedoch mit einer Fußnote: „Nicht kompatibel mit Thread-Geräten, die HomeKit nicht unterstützen“. Es wird also auch in der harmonisierten Welt von CHIP zwei Arten von Produkten geben: Solche, die sich an Apples Vorgaben halten, was Sicherheit und Benutzerführung angeht. Und solche, die kein offizielles „Works with HomeKit“-Logo tragen.
Es müsste aber ziemlich dumm ausgehen, wenn die Zahl kompatibler Smarthome-Produkte durch die Initiative von Amazon, Apple, Google und mehr als 140 weiteren Unternehmen nicht deutlich steigt. Trotz Corona-Pandemie sind die Mitglieder zuversichtlich, bis Ende 2020 die Spezifikationen zu verabschieden. 2021 soll der Standard dann veröffentlicht werden (LINK). Wie es scheint, hat Apple seinen HomePod Mini auf diesen Termin schon vorbereitet.
Fotos: Apple, soweit nicht anders angegeben. Bei einigen Fotos handelt es sich um Screenshots aus der Online-Produktpräsentation.