Was uns die Insteon-Pleite lehren sollte

Ooops, it happened again. Es ist wieder passiert: Am 15. April 2022 hat ein Smarthome-Anbieter überraschend seinen Betrieb eingestellt. Es geht um das System von Insteon (Link) – und diesmal handelt es sich um einen besonders krassen Fall von Geschäftsaufgabe, weil er ohne jede Vorwarnung geschah.

Laut Berichten der Internet-Journalistin Stacey Higginbotham (Link) und im Technik-Blog „Ars Technica“ (Link) haben führende Manager des kalifornischen Unternehmens ihre Profile im Business-Netzwerk LinkedIn bereits gelöscht. Das Kundenforum ist offline (Link) und es scheint auch niemand auf Anfragen zu reagieren. Laut Systemstatus scheint alles normal (Link), doch Nutzer im Internet berichten etwas anderes. Demzufolge sollen die Insteon-App und viele Automationen, die eine Internetverbindung voraussetzen, nicht mehr funktionieren – weil das System Cloud-basiert ist. Ohne Unterstützung des Firmenservers geht es nicht.

Cloudbasierte Smarthome-Systeme benötigen zum Betrieb eine Internet-Verbindung. ©digitalzimmer
Cloud-basierte Systeme benötigen zum Betrieb eine Internet-Verbindung. ©digitalzimmer

Mittlerweile entschuldigte sich Insteon mit einer Nachricht auf seiner Webseite (Link), die nur einen Schluss zulässt: der Company ist das Geld ausgegangen. Ein versuchter Verkauf sei fehlgeschlagen, heißt es dort. „Infolgedessen wurde das Unternehmen im März an ein Finanzdienstleistungsunternehmen übertragen, um die Vermögenswerte des Unternehmens zu optimieren“.

Dieses abrupte Ende ist nur das jüngste Kapitel einer Reihe von Smarthome-Pleiten, -Pech und -Pannen. Insteon befindet sich damit in Gesellschaft von Anbietern wie iHome, Lowe und Revolt. Hierzulande hat gerade erst Conrad Connect seinen Cloud-Dienst eingestellt, Livisi das Ende für März 2024 angekündigt. Parce ist es schon früher so ergangen, die HomeKit-Steckdose der Münchner lässt sich aber wenigstens über das System von Apple weiterbetreiben.

Insteon ist das jüngste Beispiel in einer langen Reihe von Smarthome-Pleiten, -Pech und -Pannen.

Betroffene bei Insteon oder auch Livisi müssen sich nach einer Lösung umsehen, wie sie ihre Geräte in Zukunft ohne Firmenserver steuern können. Ein lokales System wie Home Assistant kommt dafür infrage. Allerdings bedeutet es mehr Arbeit und Beschäftigung mit dem Thema als eine Cloud-basierte App auf dem Smartphone zu installieren. Ob der durchschnittliche Amazon-Kunde oder die Heimvernetzerin mit Rabattgutschein von Tink dazu bereit sind?

Muss künftig ohne Cloud auskommen: das System von Livisi, früher Innogy. ©digitalzimmer

Was lehrt uns das? Wir Verbraucher sollten genauer hinschauen, welche Smarthome-Produkte wir ins Haus holen. Am besten funktionieren sie auch offline. Oder der Hersteller garantiert eine Mindestbetriebszeit, wie bei Homematic IP der Fall (Link). Auch herstellerübergreifende Technologien bieten eine Sicherheit vor Totalverlust. Der kommende Smarthome-Standard Matter dürfte hier interessant werden (mehr dazu auf meiner Seite matter-smarthome.de). Das Profi-Pendant KNX ist schon lange so weit.

Einmal kaufen und nie wieder investieren, das lässt sich allerdings im Digitalzeitalter schwer durchhalten – und sei es nur, weil das Smartphone für die Fernbedienung alle paar Jahre wechselt. Fortschreitende Technik und eine sich kontinuierlich ändernde Sicherheitslage im Internet verlangen nun mal Updates.

Ein kostenpflichtiges Abo, das unbedingte Voraussetzung für den Betrieb ist, sollte aber skeptisch machen. Auch wenn Adobe, Microsoft, Netflix und andere das Modell „Mieten statt kaufen“ erfolgreich im Softwaremarkt etabliert haben: Ein Smart Home mit Dutzenden installierten Geräten ist eben kein Video-Streamingdienst, den man bei steigenden Gebühren einfach kündigt und zum nächsten Provider weiterzieht. Lokale Funktionen und eine Steuerung im Heimnetzwerk schützen hier vor Überraschungen – weil der Anbieter seine Kunden nicht so leicht in ein Abo zwingen kann, wie bei Wink in den USA unlängst geschehen (Link).

Ein Smarthome ist eben kein Video-Streamingdienst, den man bei steigenden Gebühren ganz einfach wechselt.

Vielleicht setzt sich diese Erkenntnis irgendwann auch bei den Herstellern durch, die immer neue Systeme auf den Markt bringen, um ein Stück vom Smarthome-Kuchen abzubekommen. Besser wäre es, die Branche würde Kernprobleme der vernetzten Haustechnik angehen: konkurrierende Standards, inkompatible Systeme, fragwürdigen Datenschutz, Bedienprobleme und die Investitionsunsicherheit der Verbraucher. Dann klappt’s auch mit den Kunden.

Update vom 9. Juni 2022: Offenbar hat eine Gruppe leidenschaftlicher Insteon-Nutzer rund um den Investor Ken Fairbanks das Unternehmen gekauft und die Cloud-Server nach zwei Monaten Funkstille wieder online gebracht. Zumindest legt das eine Nachricht auf der Webseite nahe (Link). Es geht also weiter mit Insteon. Bis auf Weiteres.


Interesse am Thema Smarthome und an einem vernetzten Zuhause? Oder daran, wie sich Profi-Systeme von Do-it-Yourself-Produkten unterscheiden? Dann möchte ich mein Handbuch Smart Home empfehlen. Es behandelt diese und viele andere Themen auf über 300 Seiten.


2 Gedanken zu „Was uns die Insteon-Pleite lehren sollte“

  1. Fairerweise sollte man erwähnen, dass Livisi an einem Update arbeitet, welches einen Offlinebetrieb des Systems ermöglichen soll.

    1. Hallo Kaloschke,
      haben Sie auf den Link zu Livisi oben im Beitrag geklickt? Er führt zum Artikel https://www.digitalzimmer.de/artikel/news/livisi-ende-smarthome-dienst-lokaler-betrieb/ , in dem die ganze Thematik inklusive Offline-Betrieb von Livisi ausführlich erklärt wird. ;-)

      Außerdem ist das Thema oben noch einmal am Ende des Artikels unter der Überschrift „Lesetipps und ähnliche Beiträge“ verlinkt.

      Viele Grüße aus dem Digitalzimmer

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