Mitte September 2014 startete Netflix in Deutschland. Nach drei Monaten ist es nun Zeit für einen ausführlichen Test der größten Abo-Onlinevideothek der Welt. Ich habe Netflix seit dem Start recht intensiv genutzt, schaue aber auch bei der Konkurrenz recht regelmäßig Filme und Serien – zum Beispiel für Tests, die in den vergangenen Monaten in Magazinen wie video oder connect veröffentlicht wurden.
Exklusiv-Features von Netflix
Übrigens habe ich Netflix auch schon vorher genutzt – über den Onlinedienst Webhop hat mein Browser (Firefox, Chrome oder Internet Explorer) dem US-Angebot von Netflix vorgegaukelt, ich sei in den Vereinigten Staaten zu Hause. So ließ sich das dortige Angebot an Filmen und Serien anschauen – natürlich überwiegend auf Englisch, teils auch Spanisch. Warum ich das tat? Netflix gilt ja schon seit längerer Zeit als Vorbild für das Fernsehen der Zukunft, und gegenüber den bisherigen deutschen Angeboten hatte Netflix vor allem eines: Erfolg. Über 35 Millionen Menschen nutzen Netflix in den USA, über 50 Millionen weltweit. In Deutschland hat keine vergleichbare Onlinevideothek bisher auch nur eine Millionen Kunden gemeldet. Also war ich auf der Suche nach den Faktoren, die Netflix so einzigartig und zumindest in den USA erfolgreich machen.
Die länderübergreifende Nutzung funktioniert heute übrigens noch immer – über Webhop kann ich das US-Angebot auch mit meinem deutschen Account nutzen. Und das ist ein erstes Alleinstellungsmerkmal von Netflix. Das Abo des Streamingdienstes ist völlig legal in allen Ländern nutzbar, in denen es Netflix gibt – sofern man sich dort aufhält. Wer also im Urlaub oder auf Geschäftsreise nach Frankreich oder England fährt, der dann kann dort die jeweils heimische Netflix-Videothek mit seinem deutschen Abo nutzen. Im Vorteil ist da natürlich, wer die Landessprache spricht. Oder Englisch, denn praktisch alle US-Filme und Serien sind mit englischem Originalton und zum Großteil auch mit solchen Untertiteln verfügbar. Gerade die Kombination aus englischem Originalton – in Historien-Serien wie „Deadwood“ häufig mit echten, entsprechend heftigen Akzenten – und englischen Untertiteln für die Verständlichkeit nutze ich persönlich auch hierzulande häufig, denn sie bietet einen viel ungefilterten Eindruck der Geschichte.
Wählbare Untertitel gibt es unter den Abo-Videotheken übrigens nur bei Netflix – noch so ein Erfolgsfaktor? Konkurrenten wie Watchever, Sky Snap und Maxdome bieten zwar immer mehr Filme auch in der Originalsprache an, Untertitel fehlen aber bislang komplett. Auch unter den Videotheken für den Einzelabruf sind sie selten: iTunes bietet Untertitel, auch der neue Dienst Wuaki.tv hat sie bei einigen Originalfassungen; Letzterer aber ohne die Möglichkeit, sie auf Wunsch auszublenden – und nur in wenigen Fällen auch in der Originalsprache.
Damit bietet Netflix schon zwei praktische Features, die mir kein anderer Dienst liefert. Doch damit ist es nicht getan. Ich will viele gute Filme, aktuelle, fesselnde Serien – all das in optimaler Qualität und mit einfacher Bedienung auf möglichst vielen Geräten. Aber immer schön der Reihe nach.
Wachsendes Film- und Serien-Angebot
Am Anfang stand die Aussage von Joris Evers, dem Europachef von Netflix: „Am ersten Tag nach dem Start haben wir überall auf der Welt das schlechteste Angebot auf Netflix”, sagte er mir kurz vor dem Start von Netflix in Deutschland. Im Klartext: Die Onlinevideothek startet schwach, um dann nach und nach zuzulegen. Tatsächlich hat der Anbieter sein Film- und Serienangebot in den drei Monaten seit dem Start schon verbessert: Aus meinem Testwarenkorb mit 100 Filmen und insgesamt 280 Serienstaffeln waren zum Start nur 22 Filme und 15 Prozent aller Serien verfügbar. Das aktuelle Ergebnis – Stand 19.12.2014 – steht in der Tabelle unten.
Rubrik | SD | davon HD | davon OV | UT Deutsch | UT Orig. |
Filme | 27,0% | 85,0% | 100,00% | 100,00% | 69,00% |
TV-Serien | 19,0% | 44,0% | 100,00% | 100,00% | 62,00% |
Die neuen Werte lesen sich nicht besonders spektakulär, denn auch 27 Prozent aller Filme sind nur etwas mehr als ein Viertel. Allerdings hatte Watchever, die Onlinevideothek mit dem bislang am Besten getesteten Film-Angebot im letzten halben Jahr, auch nur 33 Prozent des Test-Warenkorbes im Angebot.
Die Filmsammlung, die ich prüfe, besteht aus Titeln, die mindestens ein Jahr alt sind. Neuere Titel kommen nur in Ausnahmefällen in Abo-Videotheken. Einen Großteil des Angebotes machen zudem eher zeitlose Klassiker aus, die teils auch schon im Free-TV gelaufen sind. Alle Filme in meinem Testwarenkorb stammen aus den Top-20-Kinocharts der jeweiligen Veröffentlichungszeiten.
Netflix hat also seit September um fünf Filme aufgeholt – darunter etwa der letzte Bond-Film „Skyfall“ sowie Klassiker wie „Pulp Fiction“ oder „Fight Club“. Anfang Januar sollen weitere Highlights folgen wie „Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten“, „Merida“ und die beiden „Kill Bill“-Teile. Insgesamt nähert sich das Filmangebot so der Konkurrenz um Watchever und Amazon Prime Instant Video an. Maxdome hat zwar insgesamt mehr Film auf Lager, aber nicht so viele erfolgreiche Blockbuster. Sky Snap hat ein gutes, aber insgesamt deutlich knapperes Angebot.
Serien-Vielfalt: Netflix Originals statt HBO-Hits
Unter den Serien muss man bei Netflix auf viele gute Titel verzichten, etwa aus der Welt von HBO. Netflix und HBO sind in den USA heftige Konkurrenten, deshalb gibt es bei Netflix eben kein „Boardwalk Empire” und auch kein „Six Feet Under“. Wer das sehen möchte, der muss, je nach Serie, Sky Snap oder Sky Online abonnieren. Einige ältere HBO-Serienstaffeln gibt es auch bei Watchever oder Maxdome zu sehen. Oder man kauft die Staffeln auf DVD, bei iTunes, Maxdome oder Amazon Instant Video.
Es gibt aber auch eine ganze Reihe beliebter Serien auf Netflix, die man hier und anderswo sehen kann, zum Beispiel das unvermeidliche „Breaking Bad“ (immerhin: nur hier in UHD-Auflösung) oder, seit November, die ersten sieben Staffeln des ebenfalls weit verbreiteten Serien-Rätsels „How I met your Mother“.
Andererseits bietet Netflix aber jede Menge Serien, die es sonst nirgends im Abo zu sehen gibt. „House of Cards“, die mehrfach preisgekrönte erste Netflix-Originals-Serie aus den USA, ist zwar auch bei Sky und auf Sendern der Pro7Sat1-Gruppe gelaufen. Doch nur bei Netflix ist der Mensch gewordene Zynismus namens Frank Underwood (Kevin Spacey) in einer Video-Flatrate frei zu sehen. Dazu kommen weitere Serien, die von Netflix selbst produziert wurden oder ausschließlich hier zu sehen sind:
- „Orange is the New Black“ dürfte sich soweit herum gesprochen haben: Die Frauenknast-Geschichte von Piper Chapman, grandios rehäugig gespielt von Tyler Schilling, ist viel mehr als „Frauen hinter Gittern“ auf amerikanisch. Die Charaktere sind vielschichtig. Immer wenn man glaubt, eine der Knackis sei einem sympathisch, gibt’s eine schnelle Wendung, die alles über den Haufen wirft. Fesselnd, lustig, politisch unkorrekt, hart und kein bisschen romantisch.
- „Marco Polo“ ist die neueste Netflix Originals Serie. Ich bin gerade bei Folge 4 und schwanke zwischen Begeisterung für die grandiosen Naturaufnahmen – gedreht in Kasachstan – und der Suche nach dem Kern der Geschichte. Wirkt bisher noch wenig greifbar, ein bisschen zwischen „Game of Thrones“ und „Dallas“, nur eben im Asien des 13. Jahrhunderts. Immerhin: in UHD, doch dazu später.
- „Bojack Horseman“ kenne ich noch nicht. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis ich in die Serie starte. Ultrazynischer Zeichentrick für Erwachsene – klingt prima!
- Dazu kommen Serien wie „Penny Dreadfull“, „Hemlock Grove“ und „From Dusk till Dawn“ als weitere Netflix-exklusive Serien. Letztere ist ein Remake des gleichnamigen Films von Robert Rodriquez. Bei Folge drei habe ich Pause gemacht und bin auch etwas unentschlossen: Die Inszenierung ist grandios, der Plot so schräg wie eh und je. Aber mir fehlen Quentin Tarantino, George Clooney und Harvey Keitel. Ich kann mich einfach nicht vom Original lösen. Noch nicht.
- Nirgends sonst habe ich bisher „Fargo“ als Serie gefunden, auch sie ist als Netflix-Titel gekennzeichnet. Noch ein Kreuzchen auf der To-Watch-Liste.
- Und schließlich gibt es hier auch Perlen außerhalb der Netflix-Welt. Nach der Lektüre des Romans „nur eine Ohrfeige“ bin ich über die australische Miniserie „The Slip“ gestolpert, die auf dieser Geschichte basiert. Was soll ich sagen – eine grandiose Millieustudie aus Australien, die aber auch hierzulande für viele Familienmenschen einen fiesen Spiegel aufstellt.
All diese Serie stehen nicht in meinem Test-Warenkorb, da sie nicht mit anderen Anbietern vergleichbar sind. Ebenfalls nicht erfasst sind einige interessante Dokumentationen von Netflix, etwa über Gorillas, die Überfischung der Meere, 3D-Druck und weitere Themen. Wenn Netflix künftig, wie kürzlich angekündigt, alle zwei Wochen eine neue, exklusive Serienstaffel startet, dann dürfte das Material nicht so schnell aus gehen. Angekündigt sind für kommendes Frühjahr „Sense 8“, eine Story über Menschen auf der ganzen Welt, die irgendwie telepathisch miteinander verbunden sind, und „Bloodline“ – eine Familiengeschichte der etwas anderen Art. Im Februar 2015 soll obendrein ein Leckerbissen für Breaking-Bad-Fans starten. Das Prequel „Better call Saul“ beschreibt den Werdegang des windigen Strafverteidigers und Anwalts Saul Goodman in den sechs Jahren vor der Handlung der Drogendealer-Kultserie „Breaking Bad“ um Walter White.
Guter Test. Gerne mehr davon. z.b. watchever, maxdome & co.