Air-Q: Was kann der High-End-Raumsensor aus Deutschland?

Die Luftqualität zu Hause ist nicht erst seit der Corona-Pandemie ein Thema. Wer in einer Stadt mit Verkehrsproblemen lebt, macht sich vielleicht schon länger Gedanken über die Zusammensetzung seiner Atemluft. Feinstaub, Stickoxide und Schwefelwasserstoff kommen darin ebenso vor wie Kohlenmonoxid und Ozon. In ländlichen Gebieten spielt auch Ammoniak eine Rolle, das von mineralischen Düngern, Stallmist und Gülle freigesetzt wird.


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Bis zu 15 Sensoren in einem Gerät

Ein Unternehmen aus Chemnitz in Sachsen stellt Raumsensoren her, die solche Luftschadstoffe umfassend messen können. Zumindest in der leistungsfähigsten Form als Air-Q Science. Die Wissenschaftsversion des Air-Q (Link) enthält 14 Sensoren plus Steckplatz für einen 15. Sensor, der sich online dazu konfigurieren lässt. Das Topmodell schlägt allerdings auch mit 649 Euro zu Buche. Mindestens, denn je nach Zusatzsensor kann es auch über 2000 Euro kosten.

Weil das die Budgets der meisten Privathaushalte, Büros oder Schulen deutlich übersteigt, bietet der Hersteller Corant GmbH drei abgespeckte Modelle an – mit weniger Messfühlern und ohne die Möglichkeit, per Software-Programmierschnittstelle (API) auf Entwicklerfunktionen des Geräts zuzugreifen. Die Air-Q-Familie hat damit insgesamt vier Mitglieder:

  • Air-Q light (5 Sensoren, 299 Euro) misst flüchtige organische Verbindungen (VOC), den Kohlendioxid-Gehalt und den Lärmpegel vor Ort, die Raumtemperatur sowie die relative Feuchtigkeit der Luft. Zwei weitere Werte – die absolute Feuchtigkeit und der daraus ableitbare Taupunkt – werden rechnerisch ermittelt. Macht insgesamt sieben Informationen.
  • Air-Q basic (11 Sensoren, 399 Euro) erweitert das Spektrum der Light-Version um Messungen des Feinstaub-Gehalts (PM1, PM2.5, und PM10), von Kohlenmonoxid, Stickstoffdioxid und Luftdruck. Für die meisten Haushalte sind das genug Informationen, um ihre Luftqualität umfassend einzuschätzen.
  • Air-Q pro (14 Sensoren, 549 Euro) wendet sich an Anwenderinnen oder Anwender, die zusätzlich den Sauerstoff- und Ozongehalt ermitteln wollen. Außerdem registriert das Gerät noch Schwefelwasserstoff in der Luft.
  • Air-Q science (14+1 Sensoren, ab 649 Euro) bietet alle genannten Messungen plus den erwähnten Steckplatz für ein Zusatzmodul. Hier lassen sich Spezialisten für besondere Aufgaben andocken. Neun Module stehen zur Wahl: vom Schnüffler für Ammoniak (300 €) über Formaldehyd (140 €) und Methan (450 €) bis hin zum robusten industriellen VOC-Sensor (1.450 €), der einzelne, isolierte Gase in der Luft präzise messen kann.
Steckbare Sensoren machen den Air-Q reparier- und erweiterbar. ©digitalzimmer

Doch nicht nur das Zusatzmodul, auch andere Bauteile sind steckbar. So lassen sich etwa Sensoren für Sauerstoff, Ozon, Kohlendioxid, Stickstoffdioxid und Schwefeldioxid nachträglich austauschen. Ein Vorteil, weil sie unterschiedlich lange halten. Die Lebenserwartung reicht laut Hersteller von über fünf Jahren (Sauerstoff, Ozon, Stickstoffdioxid) bis zu mehr als einem Jahrzehnt (Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, VOC). Feinstaub-Sensoren unterliegen keinem Verschleiß, da sie optisch arbeiten. Da ist es nachhaltig, beim Defekt eines Sensors nicht gleich das ganze Gerät auszutauschen.

Theoretischer Nebeneffekt der modularen Bauweise: Der Air-Q basic und der Air-Q pro lassen sich mit zugekauften Bausteinen hochrüsten. In finanzieller Hinsicht lohnt sich dieses nachträgliche Upgrade aber kaum. Beispiel: Einen Air-Q basic in der Ausstattung auf Pro-Niveau zu bringen kostet 656 Euro – stolze 107 Euro mehr als der betriebsfertige Air-Q pro ab Werk.

Doch wer braucht überhaupt einen Raumsensor für 300 und mehr Euro? Wo es doch günstige Modelle wie den Smart Air Quality Monitor von Amazon (79 €) oder den Eve Room (100 €) gibt. Der angekündigte Vindsytrka von Ikea wird selbst inklusive Smarthome-Gateway Dirigera nur einen knappen Hunderter kosten.

Der Air-Q basic im mehrwöchigen Praxistest

Gefragt, getan und das Produkt zum Test bestellt. Der Hersteller Corant hat mir leihweise ein Exemplar des Air-Q basic nach Stuttgart geschickt. Hier, in der Hauptstadt des Feinstaub-Alarms, konnte es seine Praxistauglichkeit unter Beweis stellen.

USB-Netzteil und ein 3m langes Textilkabel gehören zum Lieferumfang. ©digitalzimmer

Der Sensor war schnell aufgebaut und mit seiner drei Meter langen, textilummantelten Zuleitung sehr flexibel in der Aufstellung. Für den Austausch des mitgelieferten Kabels gegen ein kürzeres Exemplar kommen übrigens nur Strippen mit USB-C-Winkelstecker (90 Grad) infrage. Damit sich die Zuleitung seitlich unter dem Gehäuse wegführen lässt und nicht die Aufstellung behindert. Das mitgelieferte Steckernetzteil zieht mit angeschlossenem Air-Q zwischen 1,8 und 2 Watt aus der Steckdose.

Die Air-Q-App von Corant richten den Multi-Sensor ein und verbindet ihn mit dem heimischen WLAN. Dabei schlägt sie auch gleich vor, ein Online-Konto anzulegen. Das ist nötig, um Push-Nachrichten auf das Smartphone zu bekommen und von unterwegs aus über das Web-Portal des Herstellers (Link) auf Sensordaten zugreifen zu können. Auch Verbindungen mit einem Online-Dienst wie IFTTT setzen permanenten Internetkontakt voraus.

Die App führt Schritt für Schritt durch den Einrichtungsprozess. ©digitalzimmer

App und Gerät funktionieren prinzipiell aber ohne dieses Konto. Und wer eine Smarthome-Lösung wie Home Assistant nutzt, die lokal im Heimnetzwerk mit Geräten kommuniziert, kann den Sensor dort ebenfalls ohne Cloud anbinden. Immer unter der Voraussetzung, die Steuerung vermag mit den Daten etwas anzufangen.

Bei der schieren Menge an Messewerten ist das nicht immer der Fall. Werte zu Ammoniak oder Formaldehyd etwa sind in Systemen wie Apple Home(Kit) gar nicht vorgesehen. Das Homebridge-Plugin von Corant tut daher so, als würde es sich bei den nicht unterstützten Messwerten um Rauchmelder, Fühler für Luftqualität, Leckage- oder Helligkeitssensoren handeln.

Mit einem Online-Konto sind die Sensordaten auch über via Cloud abrufbar. ©digitalzimmer
Die App-Funktionen im Detail

Doch zurück zu den Bordmitteln des Geräts. Nach einer kurzen Aufwärmphase (zwei bis drei Minuten) zeigt die App eine Fülle an Messwerten und Diagrammen am Bildschirm an – erreichbar über das Dashboard auf der Startseite des Programms. Die Darstellung ist übersichtlich und mit vielen Informationen angereichert, die helfen, das Gemessene im Alltag einzuordnen.

Die Index-Werte für Gesundheit und Leistung geben einen Gesamtüberblick. ©digitalzimmer

Im Mittelpunkt: zwei Indexwerte für „Gesundheit“ und „Leistung“. Die beiden Angaben in Prozent zeigen – farbig unterlegt –, ob Schadstoffkonzentrationen vorliegen, die zulasten der Gesundheit gehen oder die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können. Im Test war der Leistungs-Index öfter rot – wegen erhöhter VOC-Werte. Bildschirme, Computer und elektronische Geräte im digitalzimmer dünsten während des Betriebs flüchtige organische Verbindungen aus (Volatile Organic Compounds), die bei unzureichender Lüftung das Raumklima belasten.

Auffällig dabei: Die VOC-Messwerte in ppm (parts per billion, Teile pro Million) lagen durchweg höher als bei einem zum Vergleich herangezogenen Eve Room. Die Abweichung betrug bis zum 20-fachen des Eve-Werts. Dass der Air-Q in unserer Testumgebung so empfindlich reagierte, kann verschiedene Ursachen haben, die ohne messtechnisches Labor-Equipment kaum zu ermitteln sind.

Die App liefert neben Messwerten und Diagrammen auch Texte zur Einordnung. ©digitalzimmer

Die Wahrscheinlichste: Da es sich beim Eve Room um einen HomeKit-Sensor handelt, ist seine Skala an das Apple-System angepasst. Laut Mario Körösi, Geschäftsführer von Corant, sieht Apple nur VOC-Werte bis 1000 in seinen Spezifikationen vor. Das zeigt auch ein Test mit Alkohol, für den ich etwas Gin in unmittelbarer Umgebung der Sensoren verschüttet habe. Die Messung des Air-Q ging danach durch die Decke und erreichte einen Spitzenwert von 24.005 ppb. Die Eve-App zeigt für denselben Zeitraum nur ein Maximum von 547 ppb an (Bild unten).

Screens aus den Appls von Air-Q und Eve Room.
Die Skalen der beiden VOC-Sensoren sind deutlich verschoben. ©digitalzimmer

Ein weiterer möglicher Grund: VOC-Sensoren messen immer ein Gasgemisch, gewichten die Stoffe darin aber unterschiedlich. Manche Exemplare sind auf Alkohol kalibriert, andere auf Aceton, Formaldehyd oder Toluol. Herrscht der Referenzstoff vor, verschiebt sich das Gesamtbild entsprechend. Die Belastungskurven im Test ähneln sich jedoch. Es empfiehlt sich also weniger auf die Zahlenwerte zu schauen, sondern auf den Verlauf im Ganzen – um selbst ein Gefühl für die Extreme zu entwickeln.

Außerdem spielt die automatische Kalibrierung des Geräts eine Rolle. Um sich einzuspielen, sollte es zunächst in einer möglichst VOC-armen Umgebung stehen. Ein Forumsbeitrag des Air-Q-Herstellers (Link) empfiehlt sieben Tage, in denen die VOC-Konzentration für mindestens die Hälfte der Zeit unter 500 ppb liegen sollte. Das ist nur mit konsequenter Belüftung zu erreichen und war angesichts der Temperaturen im Februar und März 2023 nicht möglich.

Ohnehin sollte der Air-Q nicht in unmittelbarer Nähe eines Fensters stehen, weil plötzliche Änderungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Winter die Kalibrierung erschweren können. In meinem Fall haben diese Ausreißer zu insgesamt erhöhten Messwerten für Stickstoffdioxid (NO2) geführt, was der Hersteller auf Nachfrage aus der Ferne korrigieren konnte. Andere Vergleichswerte wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit deckten sich bis auf 0,7 Grad Celsius und 1,5% genau mit meinen Referenzsensoren von Eve Systems und dem Messgerätespezialisten Rotronic aus der Schweiz (HL-1D).

Per Browser und Online-Konto sind auch längere Zeitreihen als Diagramm darstellbar.
Farbiges LED-Feuerwerk am Gehäuse

Überaus praktisch finde ich die beiden bogenförmigen LED-Reihen am Air-Q. Eigentlich sind es sogar vier, weil ein zweites Paar spiegelverkehrt auf der Rückseite des Gehäuses sitzt. Das mag in vielen Fällen Verschwendung sein und das Gerät unnötig verteuern. Bei freier Aufstellung im Raum ist die Anzeige damit aber von überall aus zu sehen. Sie visualisiert Messwerte und verschafft einen Überblick, ohne die App am Smartphone öffnen zu müssen. Ab Werk repräsentiert der linke Bogen in Grün den Gesundheitsindex, der rechte zeigt in blauer Farbe an, wie es um den Leistungsindex bestellt ist. Je mehr Dioden leuchten, desto besser.

Die Helligkeit der LEDs ist in der App einstellbar. Wer mag, kann sie dort deaktivieren oder in der Nacht automatisch dimmen. Der zeitgesteuerte Nachtmodus schaltet bei Bedarf auch das WLAN am Gerät und den integrierten Mini-Ventilator ab, der Luft zur Feinstaub-Messung durch die Sensorik zieht. Ich habe ihn rund um die Uhr laufen lassen. Er fächelt so leise vor sich hin, dass man das Ohr praktisch ans Gehäuse legen muss, um etwas zu hören.

Die LEDS können verschiedene Stoffe oder auch den Lärmpegel anzeigen. ©digitalzimmer

Eher schon habe ich die Zuweisung der LEDs geändert und Messungen einzelner Sensoren darauf gelegt. Dann zeigt der Air-Q etwa an, wie viel Kohlendioxid sich in der Luft befindet. Oder den Feinstaubgehalt. Und warnt optisch mit Rot- und Orangetönen.

Apropos Feinstaub: Die Unterscheidung dreier Partikelgrößen (1 / 2,5 / 10 Mikrometer) zeichnet ein genaueres Bild der Schadstoffbelastung als viele andere Geräte. Besonders lungengängige PM1-Partikel (Dieselruß, Staub, Bakterien und Viren mit weniger als 1 μm) werden von einfachen Produkten gar nicht erfasst.

Die Integration des Air-Q in ein Smarthome

Bereits ohne weiteres Zubehör vermag das Gerät zu warnen. Konfigurierbar in der App schickt es Push-Nachrichten auf das Smartphone oder E-Mails an die Adresse des Online-Kontos. Die voreingestellten Grenzwerte können geändert werden, einen Feuer- oder Gasalarm leitet der Air-Q aus seinen Messungen automatisch ab. Sogar ein Pfeifen in wählbarer Tonhöhe kann er von sich geben – wenn auch deutlich leiser als ein Rauchmelder.

Soll er unüberhörbar auf sich aufmerksam machen, eine Farblampe aktivieren oder Automationen auslösen, bietet sich die Verknüpfung mit Smarthome-Systemen an. Online geht das über den IoT-Dienst IFTTT. Dort lassen sich Grenzwerte als Auslöser definieren, die den Befehl an ein anderes IFTTT-kompatibles Produkt weiterreichen (Link). So kann der Air-Q etwa Lampen des Philips Hue-Systems einschalten oder eine SmartThings-Szene aufrufen.

Apple HomeKit kommt über das bereits erwähnte Homebridge-Plugin ins Spiel. Zusätzlich plant der Hersteller die Unterstützung des neuen Smarthome-Standards Matter. Am besten gefällt mir die Integration in Home Assistant. Wer daheim einen Raspberry Pi oder ein NAS-System mit dem Open-Source-Programm betreibt, kann die nötige Softwareerweiterung mit einem simplen Mausklick installieren. Nach Eingabe der IP-Adresse des Geräts sind alle Messdaten sofort verfügbar. Sie lassen sich auf dem Dashboard von Home Assistant darstellen und als Auslöser in Automationen nutzen.

Messwerte des Air-Q auf einem Dashboard der Software Home Assistant. ©digitalzimmer
Fazit: ein Raumsensor wie ein Rennwagen

So wie der Air-Q verpackt nach Hause kommt, handelt es sich um ein Plug-and-Play-Produkt: anschließen und loslegen geht ohne Probleme. Die App liefert detaillierte Einblicke in die Luftqualität und hat mich sensibilisiert, bewusster und kontrollierter zu lüften. Wenn draußen höhere Feinstaubwerte herrschen als drinnen, empfiehlt es sich nicht unbedingt, die Fenster aufzureißen. Andererseits bleiben hohe CO2– oder VOC-Werte in der Wohnung häufig unentdeckt, obwohl es längst Zeit zum Lüften wäre.

Es gilt aber auch: Um einen Luftanalysator wie den Air-Q basic vollumfänglich zu nutzen, muss man sich mit ihm beschäftigen. Das fängt bei der richtigen Aufstellung an und hört mit der Interpretation von Messwerten noch nicht auf. Grenzwerte für Luftschadstoffe sind eine Wissenschaft und die App hilft mit Erläuterungen beim Verständnis. Allerdings sollten Nutzerinnen und Nutzer diese Hilfetexte auch lesen, um sinnvolle Handlungen daraus abzuleiten.

Wenn man Raumsensoren als Autos bezeichnen möchte – als Vehikel, die helfen, unsere häusliche Umgebung besser zu verstehen –, dann sind Air-Q-Modelle darunter so etwas wie Rennwagen. Leistungsfähig und bis auf Bauteilebene herunter trimmbar – obendrein „Made in Germany“ und reparierbar, was an sich schon einen Preisaufschlag rechtfertigt. Im Handling aber anspruchsvoller als eine Familienkutsche. Natürlich kann man sich einen Rennwagen kaufen und einfach in die Garage stellen. Es macht aber mehr Spaß, ihn auszufahren und seine Technik voll auszureizen.

3 Gedanken zu „Air-Q: Was kann der High-End-Raumsensor aus Deutschland?“

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