Fernseher mit High Dynamic Range, kurz HDR, sind groß im Kommen. Pünktlich zur IFA werden die drei Buchstaben auf vielen Geräten kleben. Zusätzlich gibt es aber auch noch Dolby Vision. Beide Bezeichnungen stehen für Bilder mit „hohem Kontrastumfang“ und einem größeren Farbraum. Soll heißen: Das TV-Gerät kann deutlich mehr Helligkeitsstufen und Farbtöne darstellen als bisher. Was das dem Zuschauer bringt, wird in unseren Beiträgen über HDR und Ultra HD Premium erklärt.
Doch wofür sollen TV-Käufer sich entscheiden? HDR oder Dolby Vision? Das kommt vor allem auf die Programmquelle an. Beide Verfahren funktionieren nur, wenn das Videosignal entsprechende Informationen enthält. Zwar ließe sich der Kontrast- oder Farbumfang auch nachträglich im Gerät erweitern, doch sorgt das meist für unnatürlich bunte Bilder und merkwürdige Helligkeitsunterschiede. Details, die in der Übertragung fehlen, kann der Fernseher schließlich nicht dazu erfinden. Darum sind Technologien wie HDR und Dolby Vision so wichtig.
HDR 10: Das Format der Elektronik-Industrie
Wenn von HDR die Rede ist, meinen die Anbieter meist HDR10. Das Format geht auf eine Initiative der TV-Hersteller Samsung, LG und Sony zurück und ist 2015 vom Industrieverband CTA (Consumer Technology Association) als HDR Media Profile verabschiedet worden. Es gehört außerdem zu den Spezifikationen für die Ultra HD Blu-ray. Das heißt: Alle UHD-BD-Player müssen den Standard beherrschen. Entsprechende Scheiben sind bereits erhältlich und am HDR-Logo auf der Hülle zu erkennen (Bild oben).
Auch Netflix streamt Inhalte in HDR10. Wer ein geeignetes TV-Gerät mit Netflix-App und das große Abo für 11,99 Euro nutzt, erkennt sie auf der jeweiligen Startseite: Statt Ultra-HD 4K wird dort HDR in den Credits angezeigt. Aktuell ist das Angebot aber überschaubar. Nur Netflix-Eigenproduktionen wie Marco Polo, The Do-Over und The Ridiculous 6 nutzen die neue Technik. Ähnliches gilt für Amazon, wo die erste Staffel von Mozart in the Jungle als HDR-Stream läuft – allerdings nur auf ausgewählten Smart-TVs von LG und Samsung.
HDR-10 arbeitet mit einer maximalen Helligkeit von 1.000 Nits und hat eine Farbauflösung von 10 Bit – daher auch der Name. Eine Milliarde Farbtöne lassen sich auf diese Weise darstellen. Zum Vergleich: Im klassischen HDTV waren es noch 16 Millionen. Die zusätzlichen Informationen werden als sogenannte Metadaten im Signal übertragen. An HDMI-Geräten wie Blu-ray-Player oder Fernseher ist dafür eine aktuelle Schnittstelle der Version HDMI 2.0a nötig. Darum lässt sich die Technik auf Altgeräten auch nicht per Software-Update nachrüsten. Beim Kauf eines HDR-Fernsehers empfiehlt es sich, das Datenblatt zu prüfen. Nicht immer steht dort HDR10. Stattdessen können auch die SMPTE-Standards ST2084 und ST2086 angegeben sein. In den meisten Fällen gilt aber: Wenn der Hersteller mit HDR wirbt, unterstützt das Gerät auch HDR-10.
Dolby Vision: HDR für Fortgeschrittene
Die HDR-Lösung von Dolby geht darüber weit hinaus. Um ein optimales Bild zu erreichen, arbeitet Dolby Vision mit 12 Bit, was einem Sprung auf 68 Milliarden Farben entspricht. Allerdings müssen die beteiligten Abspielgeräte diese hohe Auflösung auch nutzen können. Aktuelle Fernseher verwenden höchstens 10 Bit. Außerdem ist das System für Bildschirme mit bis zu 10.000 Nits spezifiziert, obwohl es solche Geräte auf absehbare Zeit gar nicht geben wird.
Hinzu kommen zwei Unterschiede bei der Übertragung. Während HDR-10 mit statischen Metadaten arbeitet, sind die Zusatzinformationen bei Dolby Vision dynamisch. Das heißt: Der Bildingenieur kann die Steuersignale von Szene zu Szene anpassen – wenn’s sein muss sogar von Bild zu Bild. So lässt sich die Darstellung für Nachtaufnahmen oder grelles Tageslicht gezielt optimieren. HDR10 muss dagegen einen Kompromiss für den kompletten Film finden.
Zweiter Unterschied: Ein Fernseher mit Dolby Vision interpretiert die Metadaten so, wie es für den Bildeindruck am besten ist – ganz gleich, wie viele Nits oder Farben sein Display schafft. Algorithmen im Gerät rechnen die Werte des Films auf das Leistungsprofil des Schirms um. Damit soll das Ergebnis auf einem OLED-Fernseher mit 600 Nits genauso überzeugend aussehen wie auf doppelt so hellen LED-TVs. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum OLED-Pionier LG zu den ersten Unterstützern von Dolby Vision gehört.
Programm in der ambitionierten Technik ist derzeit rar. In Deutschland streamt nur Netflix erste Videos in Dolby Vision (Marco Polo). Zum Ansehen ist ein geeigneter (LG-)Fernseher oder eine Xbox One S von Microsoft nötig. (Update: Entgegen erster anderslautender Berichte unterstützt die Xbox One S nur HDR 10). An Stelle des normalen HDR-Logos erscheint dann das Dolby-Symbol in den Credits. Amazon bietet Dolby Vision mit Eigenproduktionen und Sony-Filmen (Chappie, Elysium, Man in Black 3 …) aktuell nur in den USA an. Auf lange Sicht dürften Online-Dienste, die ihre UHD-Streams auf 20 Megabit pro Sekunde komprimieren, ohnehin kein optimales Verkaufsargument für Dolby sein. Die Ultra HD Blu-ray mit einer maximalen Datenrate von 100 Mbit/s wäre da viel besser geeignet. Das Unternehmen verhandelt bereits mit allen großen Hollywood-Studios, um Filme in Dolby Vision auf Blu-ray-Disc zu bringen. Warner, Universal, Sony/MGM und Disney/Pixar haben Interesse bekundet, aber noch keine konkreten Ankündigungen gemacht.
Die technische Umsetzung soll wenig Probleme bereiten, weil Dolby Vision auf demselben SMTP-Standard aufsetzt wie HDR-10 (ST2084). Der Dolby-Code wäre damit nur eine Erweiterung des bestehenden HDR-Signals auf der Blu-ray-Disc. Um die 12-Bit-Auflösung zu verarbeiten, braucht der Player allerdings besondere Decoder-Chips, die erst in kommenden Geräten enthalten sein werden. Ähnlich aufwendig ist die Signalverarbeitung in TV-Geräten. Und obendrein müssen die Hersteller eine Lizenzgebühr an Dolby bezahlen. Deshalb wird erst die Zukunft zeigen, ob das System außerhalb teurer High-End-Fernseher eine Chance hat. Die gute Nachricht für TV-Käufer: Mit einem Gerät, das Dolby Vision unterstützt, sind sie höchst wahrscheinlich auf der sicheren Seite. Denn HDR-10 haben diese Modelle sowieso an Bord.
Update vom 1.9.2017: Auf der IFA in Berlin haben Samsung und Panasonic eine Erweiterung des HDR-Standards angekündigt. HDR10+ (sprich: HDR 10 Plus. In einer früheren Version des Textes war irrtümlich von HDR+ die Rede. Das wurde korrigiert) soll ähnlich wie Dolby Vision mit dynamischen Metadaten arbeiten und somit den Bildkontrast blitzschnell an den Szeneninhalt anpassen können. Wesentlicher Unterschied: Es handelt sich um einen offenen Standard, den jedes Unternehmen lizenzieren kann. Für die Anbieter fallen wenig bis keine Lizenzgebühren an. Das könnte ein Wettbewerbsvorteil sein. Laut Samsung beherrschen alle UHD-Fernseher der Koreaner ab Modelljahr 2017 die neue Technik. Panasonic hat dazu noch keine Angaben gemacht. Amazon und das Hollywood-Studio 20th Century Fox wollen entsprechende Filme und Serien anbieten, wer sonst noch HDR-Plus unterstützt ist bislang unklar.
Update vom 9.10.2017: Mit Apple hat Dolby Vision einen wichtigen Unterstützer bekommen. Der Apfel-Konzern bietet künftig Spielfilme und TV-Serien im Dolby-Format über seinen iTunes-Store an. Wer ein Apple TV 4K besitzt, kommt damit ganz einfach in den Genuss der adaptiven Kontrastwiedergabe.
Update vom 1.9.2019: Mittlerweile sind auch einige Fernseher auf dem Markt, die HDR10+ wiedergeben können. Neben Samsung und Panasonic gehört Philips TV (TP Vision) zu den Unterstützern. Pansonic und Samsung haben auch Blu-ray-Player im Programm, die entsprechend codierte Filme wiedergeben können. Amazon liefert hauseigene Film- und Serienproduktionen in HDR10+ an geeignete TV-Geräte. Alle anderen Zuschauer sehen den normalen HDR-Stream. Auf Seiten der Filmindustrie hält sich die Unterstützung aber in Grenzen. Fox, Universal und Warner Brothers bieten einzelne Titel auf Blu-ray-Disc mit HDR10+ an. Allerdings umfasst die Auswahl nicht einmal zwei Dutzend Filme. Dem stehen mehrere Hundert Scheiben mit Dolby Vision gegenüber. Ob dieser Vorsprung je aufzuholen ist, muss sich zeigen.