Der Name sagt alles: Pratglad ist Schwedisch und heißt übersetzt „gesprächig“. Jens Kastensson kommt aus Schweden und nutzt zu Hause gelegentlich das Trådfri-System von Ikea. Er mag das Unternehmen, was vielleicht ein wenig mit seiner Heimat zu tun hat. Als Technik-Chef von ProKNX entwickelt er normalerweise Smarthome-Produkte für Profis – doch seine neueste Erfindung kann jeder selbst installieren. Und wie zufällig trägt sie einen Namen, der auch im Ikea-Katalog stehen könnte: Pratglad.
Erster Offline-Sprachassistent für Ikea-Geräte
Das kleine Kästchen bringt dem Trådfri-Gateway das Zuhören bei. Es empfängt Sprachbefehle und bestätigt sie – ähnlich wie ein Echo Dot oder Google Home Mini. Nur, und das ist die Besonderheit: Pratglad kommt ohne Internetverbindung aus. Sprachanalyse und -verarbeitung finden auf dem Gerät statt. Damit sind Tonaufnahmen, die in einer Cloud landen und dort von Mitarbeitern ausgewertet werden könnten, prinzipiell ausgeschlossen. Oder wie ProKNX es ausdrückt: Was daheim gesagt wird, bleibt daheim (LINK).
„Jeden Befehl fürs Licht in die Cloud zu schicken, ist eigentlich sehr umständlich“, meint Jens Kastensson. „Niemand käme ernsthaft auf diese Idee, würde er heute eine Sprachsteuerung fürs Smarthome entwickeln“. Trotzdem wird es allgemein so gehandhabt, weil Amazon Alexa, Apple Siri oder der Google Assistant nun mal cloudbasiert sind. Manche Nutzer beunruhigt das. Sie bevorzugen Smarthome-Systeme, die offline funktionieren. Selbst technikbegeisterte Zeitgenossen wie Kastensson machen sich Gedanken um ihre Privatsphäre: „Dass ich nach dem Sprachtraining mit einem Online-Tool plötzlich Werbebanner auf Arabisch angezeigt bekam – weil während der Übung im Hintergrund ein arabischer Spielfilm lief – fand ich schon ziemlich verrückt“. (Ausländische Filme sind im schwedischen Fernsehen nicht synchronisiert, Anm. d. Autors)
Pratglad nutzt die Technologie von Snips
Also hat ProKNX im vergangenen Jahr seinen ersten Offline-Sprachassistenten entwickelt. Er heißt Aragon und ist für Profi-Installationen mit dem Hausbus-System KNX gedacht (LINK). 2020 gab es dafür einen zweiten Preis bei den Smarthome Deutschland Awards (LINK). Die Technologie stammt von Snips, einem französischen Startup, das ich 2018 auf der IFA kennengelernt habe. Als Ruf- oder Weckwort dient „Hey Snips …“, gefolgt von gängigen Sprachbefehlen wie „… schalte das Licht im Wohnzimmer ein“.
Snips gehört seit Ende 2019 zu Sonos. Der Spezialist für Multiroom-Musik möchte die Offline-Sprachsteuerung in eigene Produkte integrieren (LINK). Lizenznehmer wie ProKNX können sie aber offenbar weiter nutzen. So kommt es, dass nach der KNX-Lösung Aragon nun auch ein Produkt für Ikea Home Smart erscheint. Das ist umso interessanter, weil es über die Symfonisk-Lautsprecher von Ikea ja durchaus Berührungspunkte zu Sonos gibt. Wie mir Jens Kastensson in einer Vorab-Demo per Video gezeigt hat, wird Pratglad auch die Lautsprecherwiedergabe starten und pausieren können. Eine weitergehende Musiksteuerung sei allerdings nicht geplant, so der Technik-Chef. Man will Sonos wohl nicht auf die Füße treten.
Erhältlich in Englisch, Deutsch und Französisch
Die Demo aus Kastenssons Haus in Schweden lief noch auf Englisch ab. In der zweiten Jahreshälfte, wenn Pratglad auf den Markt kommt, soll der Offline-Assistent aber auch Deutsch und Französisch können. Dann wird es außerdem, wie bei Aragon, sogenannte Satelliten geben. Das sind zusätzliche Smart-Speaker-Module, die den Assistenten in weitere Räume bringen. Für die erste Box im Haus sind rund 400 Euro fällig, jede weitere kostet knapp 300 Euro. Kein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass Amazon seinen Echo Dot unter 60 Euro anbietet. Aber zum einen steht hinter ProKNX kein multinationaler Konzern, nur ein kleines multinationales Team, und dann hat Privatsphäre eben auch ihren Preis.
Die Installation verspricht einfach zu werden. Pratglad verfügt nur über einen einzigen Anschluss, der die Verbindung zum Router herstellt: ein LAN-Kabel, das auch gleichzeitig die Energie liefert. Power over Ethernet (PoE) heißt diese Technik aus dem Profibereich. Wer keine PoE-Installation zu Hause hat – was auf die meisten privaten Trådfri-Nutzer zutreffen dürfte – kann die Spannung über ein spezielles Netzteil ins Kabel einspeisen. Danach lässt sich die Konfigurationsseite im Browser aufrufen. Hier gibt man den am Trådfri-Gateway aufgedruckten Sicherheitscode ein und stellt so die Verbindung zum Smarthome-System von Ikea her.
Zusätzliche Einstellungen erlauben es dem Nutzer, die Mikrofon-Empfindlichkeit anzupassen oder Snips auf Raum- und Gerätebezeichnungen zu trainieren, die von gängigen Namen abweichen. Außerdem lässt sich wählen, ob Sprachausgaben offline oder online erzeugt werden sollen. Im Offline-Betrieb formuliert der Assistent seine Mitteilungen direkt auf dem Gerät. Ob etwa das Licht eingeschaltet wurde, bleibt ein Geheimnis zwischen ihm und dem Nutzer. Ist die Sprachsynthese auf online gestellt, sendet Pratglad den auszugebenden Text als Nachricht an Amazon Polly. Der Internet-Dienst setzt ihn Wort für Wort um (Text to Speech, TTS) und schickt ihn als Audiodatei zurück. Das Ergebnis klingt natürlicher als die offline erzeugte Roboterstimme von Snips. Und da bei dieser Methode nur festgelegte Textbausteine in der Cloud landen, keine Tonaufnahmen aus der Wohnung, kann trotzdem niemand mithören.
alternativen sind immer gut.
aber mycroft ist da doch etwas ausgereifter und offener.
… und Jasper und common voice und ein paar andere open source lösungen auch. Aber nur wenn man selber einen Raspi aufsetzen will. das ist wohl nicht der typische Ikea-Kunde.
Ja schon, das geht aber auch günstiger. Der Echo hat mittlerweile auch offlinebetrieb.
Stimmt. Allerdings gilt das nur für Modelle mit integriertem Smarthome-/Zigbee-Hub wie den Echo Plus oder den Echo Show. Und die zu steuernden Geräte müssen dabei direkt per Funk an dieser Zentrale angemeldet sein. Ein externes System wie das von Ikea lässt sich auf diese Weise nicht offline steuern.
Viele Grüße aus dem Digitalzimmer