Spätestens am Wochenende flattern sie wieder ins Haus, die Werbeprospekte der Elektromärkte. Und sie sind traditionell vollgestopft mit Fachvokabular oder verwirrenden technischen Angaben. Da wird zum Beispiel versprochen: „DVB-T- und DVB-C-Tuner mit HDTV-Empfang“ oder „Integrierter HD-Triple-Tuner“. Wer mit der Materie nicht allzu vertraut ist, gewinnt den Eindruck, er könne mit solchen Flat-TVs über eine kleine DVB-T-Zimmerantenne hochauflösende Sender wie „Das Erste HD” oder „ZDF-HD” empfangen.
Das ist in Deutschland aber gar nicht möglich. Hierzulande gibt es HDTV nur über Kabel, Satellit und Internetfernsehen (IPTV). Per Antenne (DVB-T) landen ausschließlich TV-Sender in Standard-Definition (SD) auf dem Fernseher. Dabei lassen sich mit DVB-T auch HD-Programme übertragen. Im europäischen Ausland und in anderen Regionen der Welt ist das durchaus üblich.
Zum Teil wird dabei ein neuer Standard namens DVB-T2 verwendet. Er soll sich durch ein robusteres Signal auszeichnen und kann bei gleicher Bandbreite mehr Kanäle in besserer Qualität transportieren. Ähnlich wie der Satelliten-Standard DVB-S2 setzt DVB-T2 auf den Videocodec MPEG4. Der bietet eine höhere Datenkompression bei vergleichbarer Bildqualität. Vorteil: Es passen mehr TV-Sender in den Antennenkanal – oder HD- statt SD-Sender bei vergleichbarem Platzbedarf. Voraussetzung für HDTV per Antenne ist DVB-T2 aber nicht. Denn im normalen DVB-T-Signal lassen auch MPEG-4-Programme übertragen – nicht ganz so viele und nicht so störungssicher, aber technisch einwandfrei. Um sie zu empfangen, muss der Tuner lediglich entsprechend ausgerüstet sein.
Entsprechend uneinheitlich geht es in Europa zu: Bereits Ende 2009 begann in Großbritannien die Regelausstrahlung des TV-Programms mit DVB-T2. Auch in einigen Teilen Skandinaviens und seit kurzem in Italien ist der neue Standard bereits im Einsatz. In diesen Ländern werden auch HDTV-Kanäle ausgestrahlt. Österreich plant gerade die Verteilung der Frequenzen, in der Alpenrepublik soll der DVB-T2-Sendebetrieb im ersten Halbjahr 2012 starten.
Osteuropäische Länder wie Polen, die Ukraine oder Ungarn schicken MPEG-4-Programme dagegen im DVB-T-Standard zum Zuschauer. Australien benutzt den Standard sogar für HDTV. Und vor der Umstellung auf DVB-T2 verbreitete auch Frankreich seine ersten hochauflösenden Fernsehsender via DVB-T und MPEG-4. Mittlerweile sind in unserem Nachbarland die HD-Sender Arte-HD, TF1 HD, France2 HD, Canal+ HD und M6 HD über DVB-T2 zu sehen.
In Deutschland gibt es vereinzelt MPEG-4-Angebote. So verbreitet der Privatsender RTL über „Viseo+” in den Regionen Stuttgart, Halle und Leipzig kostenlose Programme sowie die Pay-TV-Kanäle RTL Crime und Passion TV („Viseo+ Extra”). Allerdings nutzt er dazu herkömmliche Technik und sendet – wie alle DVB-T-Kanäle hierzulande – nur in SD-Auflösung. Zum Empfang ist ein spezieller Viseo-Receiver nebst Smartcard nötig. Die Nachfrage hält sich in Grenzen, wie die Landesanstalt für Medien und Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Ende 2010 mitteilte. Das dürfte allerdings weniger an DVB-T liegen als an den vergleichsweise teuren Empfangsboxen – und daran, dass kaum jemand dieses Angebot kennt. Konkrete Pläne für eine DVB-T2-Einführung in Deutschland oder HDTV per Antenne gibt es derzeit nicht. Die niedersächsische Landesmedienanstalt hatte 2010 geäußert, man könne eventuell ab 2015 in Niedersachsen HD-Programme digital-terrestrisch verbreiten. Sächsische Medienhüter hatten in der Vergangenheit Ende 2014 als frühestmöglichen Starttermin ins Auge gefasst. Von den öffentlich-rechtlichen Sendern gab es bislang keine nennenswerten Bestrebungen in dieser Richtung.
Was bedeutet das für die Empfangsgeräte? Ältere Flat-TVs und DVB-T-Receiver können DVB-T2-Signale nicht verarbeiten. Aktuelle Modelle sind häufig fit für HDTV via DVB-T (MPEG-4). Es gibt sogar Geräte, die DVB-T2 beherrschen. Neue Loewe-Fernseher etwa unterstützen laut Hersteller den Empfang in beiden Standards. Allerdings, so ein Firmensprecher gegenüber digitalzimmer.de, könne niemand vorhersagen, wie sich die Normen entwickeln. Das heißt im Klartext: Solange ein einheitlicher europäischer oder gar weltweiter Standard fehlt, weiß niemand, welche heutigen Geräte in Deutschland künftig HDTV per Antenne empfangen werden – wenn es solche Programme erst einmal gibt.
digitalzimmer.de meint: Wahrscheinlich wird DVB-T2 auch in Deutschland ein Thema. Wann, das steht aber in den Sternen. Denn im Windschatten der üppigen Kabel- und Satellitenversorgung dient DVB-T hierzulande eher als TV-Grundversorgung denn als Premium-Angebot. Dafür spricht auch die Tatsache, dass ehemals analoge TV-Frequenzen heute nicht für DVB-T, sondern für den High-Speed-Datenfunk LTE genutzt werden. Damit ist der Platz im Antennensignal zu knapp, um Programme parallel in HD und SD auszustrahlen. Für die Leser besagter TV-Werbeprospekte bedeutet das: Schön, wenn der neue Fernseher HDTV über Antenne empfangen kann – passendes Futter wird es dafür aber erst in ferner Zukunft geben.