Withings Home: Die Rundum-sorglos-Kamera?

Einen Kritikpunkt hat der Hersteller bereits mit dem Update auf die App-Version 2.0 am 21.8.2015 beseitigt. Bis dahin ließen sich die Warnmeldungen und Push-Nachrichten aufs Smartphone nur umständlich abstellen. Folge: Registrierte der Geräuschsensor bei geöffnetem Fenster ein paar Nachtschwärmer auf der Straße, bimmelte prompt das Handy. Genauso bei Bewegungen im Raum, die in einer bewohnten Wohnung ständig vorkommen und nicht jedes Mal einer Warnung bedürfen. Die aktualisierte App stellt das ab: Es gibt nun vier Profile für unterschiedliche Einsatzgebiete: „Aktive Überwachung“ liefert Warnungen wie bisher, „Nicht stören“ sorgt für eine ruhige Nacht, das „Babyfon“ schaltet bei Geräuschen automatisch Mikrofon und Tonübertragung ein und „Kamera aus“ stoppt die Videoaufzeichnung zum Schutz der Privatsphäre.

Der Magnetfuß mit Sockelschale macht die Ausrichtung einfach. Bilder: digitalzimmer.de
Der Magnetfuß mit Sockelschale macht die Ausrichtung einfach. Bilder: digitalzimmer.de
Die Videoaufnahme kostet bis zu 20 Euro im Monat

Apropos Aufzeichnung: Mit einem kostenlosen Withings-Konto nimmt die Kamera keine Videos auf. Sie schickt bei Geräuschen oder Bewegungen lediglich Standbild-Sequenzen zur App. Die etwa fünf Sekunden langen Clips sind 48 Stunden lang abrufbar und ruckeln leicht, reichen aber aus, um das Wichtigste darauf zu erkennen. Wer lückenlose Überwachung wünscht, muss ein Abo für das „Cloud Video Recording“ abschließen: Die kontinuierliche Aufnahme schlägt mit 7,95 Euro im Monat zu Buche, wenn das Material eine Woche lang gespeichert bleiben soll. Wer eine Rückschaumöglichkeit von 30 Tagen braucht, etwa weil er gerne länger verreist, bezahlt 19,95 Euro monatlich. Das macht fast 240 Euro pro Jahr und übersteigt damit schon nach kurzer Zeit die Anschaffungskosten der Kamera von rund 200 Euro. Da ist die Gratis-Testphase bis zum 30.9.2015 für Neukunden nur ein kleiner Trost. Immerhin: Das Abo hat keine Mindestvertragslaufzeit und lässt sich von einem Monat auf den anderen kündigen.

Was bekommt der Kunde für dieses stattliche Salär? Zuerst einmal Videos in ordentlicher Qualität. Es gibt zwar Überwachungskameras mit mit mehr Bildschärfe und knackigeren Bildkontrasten. Für die meisten Anwendungen reicht das Niveau der Withings aber aus. Dank Infrarot-LED ist selbst bei völliger Finsternis noch alles zu erkennen – dann freilich wie gewohnt in Schwarzweiß. Auffällig ist der große Blickwinkel ohne tonnenförmige Verzeichnung. Anders als etwa die Kamera des Myfox Home Alarm Systems oder ein Weitwinkel-Fotoobjektiv krümmt die Withings senkrechte und waagrechte Linien praktisch gar nicht. Die Signalverarbeitung korrigiert den Objektivfehler. Objekte am Bildrand werden dabei aber in die Breite oder Höhe gezerrt und erscheinen durch die Korrektur ein wenig unscharf. Elektronische Bildverbesserer unterdrücken Rauschen der 5 Megapixel-Kamera und lassen selbst Vergrößerungen des digitalen Zwölffach-Zooms sehr ansehnlich erscheinen. Ganz so gut wie das Magic Zoom von Myfox arbeitet die Schaltung jedoch nicht. Ein nettes Extra ist die Funktion Timelapse: Ergänzend zu den automatischen Aufnahmen bei Geräuschen oder Bewegung gibt es von jedem Tag einen Gesamtmitschnitt, der 24 Stunden im Zeitraffer wiedergibt. Alles was passiert ist, passt so in einen Clip von etwa 1:20 Minuten.

Withings Home hält Ereignisse in kurze Bildsequenzen fest, die Daueraufnahme kostet extra.
Withings Home hält Ereignisse in kurze Bildsequenzen fest, die Daueraufnahme kostet extra.

Da jede Aufnahme nach 7 beziehungsweise 30 Tagen von den Withings-Servern und damit aus der App verschwinden, empfiehlt es sich, wichtige Clips auf dem Smartphone oder Tablet zu sichern. Die App besitzt zu diesem Zweck eine Exportfunktion. Sie legt den Clip in der Medienbibliothek des Geräts ab, von wo aus er weiter verarbeitet werden kann. Ursprünglich speicherte Withings Home auch Fotos, wenn die Kamera eine Bewegung oder Geräusche registrierte. Diese Funktion hat der Hersteller inzwischen entfernt. Wer mag, kann aber immer aus dem Livebild der App heraus Standbilder auf dem mobilen Gerät sichern. Ein Fingertipp auf das Kamerasymbol genügt. Die Schnappschüsse landen neben den heruntergeladenen Videos im lokalen Speicher.

Ob ein Cloud-Dienst für die Überwachung von Wohnräumen in Frage kommt, muss jeder fürs sich entscheiden. Auch andere Systeme wie Myfox Home Alarm oder Gigaset Elements nutzen das Web als virtuellen Videorecorder. Es hat den Vorteil, dass ein Einbrecher mit der Kamera oder Speicherkarte nicht gleichzeitig alle Beweise vernichten kann. Andererseits besteht zumindest theoretisch die Gefahr, dass intime Szenen auf Server im Internet gelangen. Und es macht die Funktion von stabilen Netzwerkverbindungen abhängig. In meinem Test war die Withings-Cloud zumindest einmal über eine halbe Stunde lang offline. Dass es sich dabei um Serverprobleme handelte, war daran zu erkennen, dass auch andere Withings-Angebote bis hin zur Firmenwebseite  durch Abwesenheit glänzten. In so einem Fall zeigt die App zeigt nur leere Videofenster und Bildschirme an. Die Kamera wird blind und taub.

Bedienkomfort und praktische Zusatzfunktionen

Im Alltag überwiegen dann aber trotzdem die positiven Erfahrungen. Wer den hohen Preis des Videoabos verdrängt hat, der freut sich an einer intuitiv zu bedienenden App und durchdachten Details. So lässt sich die Kamera in ihrer magnetischen Sockelschale bequem Neigen und ohne weiteres Zubehör auf das gewünschte Motiv ausrichten. Die LEDs im Fuß warnen nicht nur bei zu hoher Schadstoffkonzentration, sie leisten auch als Einschlafhilfe am Kinderbett gute Dienste. Dort strahlen sie in jeder gewünschten Farbe und Helligkeit oder begleiten das „Guten Abend, gute Nacht“ der Spieluhr mit einer stufenlosen Regenbogen-Animation. Nur eine Möglichkeit, das Nachtlicht über die Maximalspielzeit von 60 Minuten hinaus brennen zu lassen, habe ich noch nicht gefunden. Das wäre sogar für Haushalte ohne Kleinkinder interessant. Außerdem würde ich die Messungen des Luftsensors gerne mit den Daten der Gesundheits-App Health Mate von Withings verbinden. Dort landen bislang aber nur die CO2-Werte des Smart Body Analyzers, obwohl beide Programme dasselbe Benutzerkonto verwenden. So ist die Withings Home vielleicht noch keine echte Rundum-sorglos-Kamera – aber zumindest nah dran.

Mit Spieluhr und buntem Licht wiegt die Kamera Babys in den Schlaf. Bilder: digitalzimmer.de
Mit Spieluhr und buntem Licht wiegt die Kamera Babys in den Schlaf. Bilder: digitalzimmer.de