Das Nokia 808 PureView ist noch nicht mal erhältlich, da heimst es schon Preise ein: den TIPA Award und eine weitere Auszeichnung auf dem Mobile World Congress. Sind die Vorschusslorbeeren gerechtfertigt? In einem ersten Praxistest ist digitalzimmer.de der Frage nachgegangen. Ergebnis: Kompaktkameras dürften es künftig noch schwerer haben, gegen Smartphones wie das 808 zu bestehen.
Mehr als fünf Jahre Entwicklungsarbeit brauchten Nokia und Carl Zeiss, um das 1,4 x 6 x 12,4 Zentimeter große Kamera-Phone zu entwickeln. Dabei gibt sich Dr. Hubert Nasse, Diplom-Physiker bei Carl Zeiss sehr bescheiden „Wir haben nur die Optik geliefert, den Löwenanteil musste Nokia mit der Bildverarbeitung leisten”. Tatsächlich ist es erst seit kurzem überhaupt möglich, die Flut an Bildinformationen auf einem Smartphone zu verarbeiten: 41 Megapixel verrechnet das Nokia 808 PureView innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde. Das sind fünf Mal so viele Bildpunkte wie in einem iPhone 4S. Die Skepsis unter Journalisten war anfangs riesig (wir berichteten), weil hohe Pixelzahlen zunächst einmal Probleme bringen. Die lichtempfindlichen Flächen müssen dafür schrumpfen und können weniger Licht einfangen, was zu Bildrauschen führt. Das 808 ist jedoch mit einem vergleichsweise großen Fotosensor und einem für Handys sehr aufwändigen Objektiv ausgestattet, um diesem Problem zu begegnen.
Hybrid-Smartphone
Von der Smartphone-Seite her gibt es mit Nokia Belle OS (Symbian) keine Überraschungen. Das Betriebssystem steht im Ruf, überladen und antiquiert zu sein und wird nach 2016 auch nicht fortgeführt. Wieso also auf diesen Klappergaul setzen? Wie eingangs erwähnt startete das Projekt vor fünf Jahren und musste als Eigenlösung entwickelt werden – da war von einem Abstieg des Marktbeherrschers Nokia noch nicht die Rede. Die schnelle CPU mit 1,3 GHz vermittelt zumindest bei der Bedienung nicht das Gefühl, der Konkurrenz nachzustehen. Die Technik „PureView” hingegen ist den Mitbewerbern um Jahre voraus. Dieser Sammelbegriff fasst drei wichtige Voraussetzungen zusammen:
- Hochleistungssensoren (beim 808 ein 1/1,2 Zoll Bildsensor)
- Bildverarbeitungs-Algorithmen
- Präzisionsoptik von Carl Zeiss
Über dieses Zusammenspiel erhält man beim neuen Nokia 808 PureView Handy-Fotos von erstaunlicher Qualität.
Bildqualität
Der Amerikaner sagt „seeing is believing” und meint damit, dass man sich selbst ein Bild von einer Sache machen sollte. digitalzimmer.de hat’s getan und kann bestätigen: Was das Nokia 808 mit höchster Auflösungs-Einstellung (38 MP) leistet, übertrifft alles bisher Dagewesene kann sogar einem Vergleich mit vielen Kompaktkameras standhalten. Dem 808 entgeht kein Detail, das minimale Rauschen ist nur bei einer Bildvergrößerung auf 100% sichtbar und die Farben sind stimmig. Doch mit Dateigrößen zwischen 10 – 15 MB füllt man den internen 16 GB-Speicher schnell an. Statt eine 32 GB Speicherkarte zu kaufen, kann man auch den PureView-Modus aktivieren. Nun werden Bilder auf acht, fünf oder drei Megapixel skaliert. Juha Alakarhu, einer der beiden Erfinder von PureView, beschreibt den Skalierungsprozess so: „Aus etwa sieben einzelnen Pixeln wird ein ‚Superpixelʻ erschaffen. Damit enthält dieses Superpixel sieben Mal mehr Informationen und es können Artefakte gezielt herausgerechnet werden.” Die Technik als solches ist bereits als „Pixel-Binning” bekannt.
Pixelzoom
Doch der Ansatz, absichtlich mehr Pixel zu nutzen, um damit eine präzisere Information zu erhalten, ist neu. Nokia gelingt es damit außerdem, auf einen optischen Zoom in bestimmten Bereichen zu verzichten. Bisher war ein Digitalzoom in den seltensten Fällen ansehnlich. Die Ursache liegt auf der Hand: Ein Bild mit 5 Megapixel enthält genau 5 Megapixel an Informationen. Ein Digitalzoom vergrößert einen Ausschnitt und erzeugt ebenfalls ein 5-Megapixel-Bild. Die dabei fehlenden Werte werden rechnerisch aufgefüllt, also interpoliert. Nokia dagegen setzte schon in früheren Smartphones echten „Zoom” ein. Für FullHD-Filme braucht man nur 2 Megapixel, werden alle Pixel des 5 Megapixel-Sensors genutzt, hat man mehr Information als benötigt. Vergrößert man einen Ausschnitt, trennt das Smartphone die Pixel wieder und nutzt nur einen Teil des Sensors. Dadurch arbeitet der Digitalzoom verlustfrei. Genau dieses Prinzip setzt auch das 808 ein und erreicht so einen dreifachen Zoom bei echten 5 Megapixel Auflösung. Gepaart mit einer großen Objektivöffnung, die mehr Licht durchlässt, entstehen fantastische Bilder.
Wo viel Licht ist, entsteht auch viel Schatten, heißt es für gewöhnlich. Beim Nokia 808 sieht man statt „Schatten” ein „Ausbrennen”. Sehr helle Bildpunkte werden überbelichtet, beispielsweise ein weißer Hund bei Sonnenschein auf einer grünen Wiese.
digitalzimmer.de meint: Erstaunlich was Nokia hier leistet. Eine kompromisslose Bildqualität in einem so kompakten Gehäuse verblüfft. Der bisherige Platzhirsch Nokia N8 wird zwar abgelöst, doch die Qualität des N8 ist nicht allzu weit entfernt und für die meisten Fotos mehr als ausreichend. Vergleicht man die Anschaffungskosten beider Geräte (808: 510 Euro, N8: 280 Euro), ist der Aufpreis nur schwer zu verdauen. Auch das iPhone 4S muss sich nicht fürchten, denn seine Bildqualität reicht zwar nicht an die Leistung des Nokia 808 heran, doch dafür punktet das Apple-Handy mit einem flacheren Gehäuse, einer riesigen Auswahl an Apps und einem besseren Betriebssystem. Denn bei aller Liebe zur Kamera – ein Smartphone soll es am Ende ja auch noch sein.
Aufmacherfoto: Hersteller