iCloud: Erste Erfahrungen mit iTunes Match

So schnell und unerwartet kam der Start, dass es noch keinen Hinweis auf der deutschen iTunes-Webseite gibt. Wer wissen möchte, was „iTunes Match” ihm bietet, muss diese Informationen im US-Angebot des Unternehmens nachlesen. Abonnieren dürfen Nutzer der iTunes-Version 10.5.2 den Dienst aber schon. Seit Freitag, den 16. Dezember 2011, sind die Server von Deutschland aus erreichbar.

Der Zusatzdienst „iTunes Match” kostet 24,99 pro Jahr. (Bild: Apple)
Der Zusatzdienst „iTunes Match” kostet 24,99 pro Jahr. (Bild: Apple)

iTunes Match erweitert den kostenlosen iCloud-Service von Apple um eine neue Funktion: Wer den Dienst für 24,99 Euro im Jahr aktiviert, bekommt nicht nur alle bei iTunes gekauften Lieder automatisch auf sämtliche Geräte geschickt, die mit seiner Apple-ID verbunden sind. Er kann darüber hinaus Musiktitel in die Cloud hochladen, die aus anderen Quellen stammen – also selbst gerippte CDs oder etwa Songs aus dem MP3-Angebot von Amazon oder Musicload. Anschließend stehen diese Titel ebenfalls allen Geräten zur Verfügung. Wer auf dem PC im Büro die gleiche Musik hören möchte wie daheim am Mac, muss die Audio-Dateien also nicht mehr umständlich per Festplatte oder USB-Stick hin und her kopieren.

Die Möglichkeit, Musik auf einen Online-Speicher zu laden, bieten Konkurrenten wie der in Deutschland noch nicht gestartete Dienst Google Music auch (siehe Zusatz-Info unten). Allerdings soll iTunes Match die Upload-Zeiten verkürzen, weil die Inhalte der heimischen Mediathek mit dem Song-Katalog des iTunes-Stores abgeglichen werden. Der Download-Shop enthält laut Apple mittlerweile über 20 Millionen Titel und stellt ein riesiges Songarchiv dar, das für den Musiksammler nur noch freigeschaltet werden muss. iTunes analysiert dazu – nachdem der Kunde direkt im Programm das Abo abgeschlossen hat – die lokal auf dem Computer gespeicherten Titel und vergleicht sie mit jenen im Store. Was dort schon vorhanden ist – so zumindest die Theorie – muss nicht erst hochgeladen werden, sondern landet automatisch im Songarchiv des Kunden.

Der Prozess braucht trotzdem lange. Im Praxistest von digitalzimmer.de standen selbst Mainstream-CDs wie „Bohème” von Annett Louisan (2004), „It’s Time” von Michael Bublé (2005) oder „The Visitors” vom Pop-Quartett Abba (2001) nicht auf Anhieb zur Verfügung – obwohl sie bei Apple offiziell zum Verkauf stehen. Von 3054 Titeln einer recht konventionell bestückten Mediathek waren 2110 Songs erst nach und nach abrufbar. Der ganze Abgleich dauerte über vier Stunden. Das mag mit verschiedenen Schreibweisen im Titel, bei Alben- und Interpretennamen zusammenhängen. Denn vermutlich gleicht iTunes zunächst die Meta-Daten ab, die in den Titelinformationen eingetragen sind. Eine Analyse des Signals im Stil von Musikerkennungs-Apps wie „Soundhound” oder „Shazam” findet allem Anschein nach nicht statt. Dazu geht der Abgleich dann wiederum zu schnell.

Denn unterm Strich spart das Verfahren trotz allem Zeit: Um die komplette Test-Mediathek von rund 20 Gigabyte auf einen Online-Server zu laden, würde ein langsamer DSL-1000-Anschluss mehr als 360 Stunden benötigen. DSL 16000 wäre immer noch gut 45 Stunden beschäftigt. Außerdem kann es sich bei den Verzögerungen um Kinderkrankheiten handeln, die im Laufe der Zeit ausheilen. Andere Einschränkungen dürften vom Betreiber beabsichtigt sein. So wurden bei uns keine Songs in die Cloud-Übertragen, deren Datenrate weniger als 96 Kilobit pro Sekunde betrug. Weil sämtliche Musikstücke im Apple-Store eine Bitrate von 256 Kbps besitzen, haben auch die von iTunes Match bereitgestellten Titel diese Datenrate – selbst dann, wenn die Ursprungsdatei auf dem Rechner von schlechterer Qualität war. Das Sound-Upgrade funktioniert aber nur bis zu seinem gewissen Grad: Hat das Original eine zu geringe Qualität, stellt iTunes Match keine 256-kbps-Version mehr in der Cloud zur Verfügung.

Auch nach oben hin gibt es Grenzen: Während unkomprimierte WAV-Dateien in CD-Qualität (16 Bit/44,1 kHz) anstandslos akzeptiert werden, ignoriert iTunes Match höher auflösende AIFF-Files mit 24 Bit/96 kHz. Das System ist also nichts für Freunde von High-Resolution-Audio. Es eignet sich aber sehr wohl dazu, von verlustfrei gerippten Audio-CDs automatisch 256-Kbps-Versionen erzeugen zu lassen. Daheim am PC laufen dann die Originaldateien im WAV- oder Apple-Lossless-Format, unterwegs auf dem iPhone oder iPad spielen die komprimierten Songs aus der Wolke. Als Wiedergabegerät kommt jeder Computer mit iTunes 10.5.2 oder jünger in Frage, und jedes mobile Apple-Gerät auf dem die aktuelle Betriebssystem-Version iOS 5 läuft. Für die Nutzung mit AppleTV ist die gerade erst veröffentlichte Software-Version 4.4.4 Voraussetzung. Bis zu zehn Geräte können gleichzeitig auf die Cloud zugreifen, von denen laut Apple aber „nicht mehr als 5 iTunes-autorisierte Computer sein dürfen”.

Um iTunes Match auf iPhone & Co. zu aktivieren, gibt es einen Schieber in den Einstellungen der „Musik”-App. Über einen zweiten Schieber lässt sich wählen, ob auf dem Gerät nur Titel erscheinen sollen, die sich im lokalen Flash-Speicher des Players befinden, oder der komplette Inhalt der Cloud. Spielfilme und TV-Serien sind bislang ausgeschlossen, die Wolke verwaltet lediglich Musik und Musikvideos. Neben allen Songs, die in der Cloud gespeichert sind, erscheint anschließend ein kleines Wolkensymbol (Abbildung oben). Titel, die im Flash-Speicher des mobilen Players liegen, werden wie gewohnt ohne Icon angezeigt.

Nach den Erfahrungen von digitalzimmer.de kollidieren die bisherige iTunes-Synchronisation und iTunes Match jedoch miteinander: Wer den neuen Dienst aktiviert, während sich noch Songs auf dem iPhone, iPod touch oder iPad befinden, kann die ursprünglichen Titel unter Umständen nicht mehr löschen. Im Test blockierte die Mediathek auf einem iPhone 4 dann dauerhaft 20 Gigabyte Speicherplatz, egal wie viele Songs in iTunes zur Synchronisation ausgewählt wurden. Selbst ein Deaktivieren von iTunes Match auf dem iPhone und die anschließende Reaktivierung konnten das Problem nicht lösen. Kaum besser: Wer die Musik-Synchronisation in iTunes zuerst ausschaltet und alle Songs vom mobilen Gerät entfernt, ehe er iTunes Match aktiviert, kann hinterher keine Titel am PC mehr darauf kopieren – weil das entsprechende Auswahlfeld in der iTunes-Synchronisation fehlt. Hier sollte Apple nacharbeiten.

Und in noch einem Punkt verblüfft iTunes Match: Die Cloud von Apple ist kein Streaming-Dienst. Jeder Titel, der auf einem mobilen Gerät gehört werden soll, landet dort komplett im Speicher. Die Wiedergabe fühlt sich zwar wie Streaming an, weil nach einer kurzen Pause das Lied losläuft, während die Cloud im Hintergrund den Ladevorgang abschließt, doch technisch gesehen handelt es sich um progressive Downloads. Das hat den Vorteil, dass der Song, einmal angehört, dauerhaft zur Verfügung steht – auch ohne WLAN- oder 3G-Verbindung. Allerdings belegt er auch dauerhaft Speicher, wenn ihn der Nutzer nicht mit der für Apple typischen Wischbewegung vom Gerät löscht. Weil es keine Funktion gibt, die mehrere Dateien auf einmal entfernt und damit Speicher freigibt, werden das nur wenige tun. So wächst der Speicherbedarf der Mediathek mit jedem neu abgespielten Song. iTunes Match ist somit keine ideale Lösung für Besitzer eines „kleinen” iPhone, iPod oder iPad mit 16 GB, die große Mediatheken unterwegs dabei haben wollen. Musik-Sammler, die viele Dutzend Gigabyte an Audio-Dateien horten, brauchen auch mobile Apple-Geräte mit entsprechend großem Speicher.

digitalzimmer.de meint: Noch läuft iTunes Match nicht ganz rund. Wie beim Start von iCloud oder MobileMe holpert die Synchronisation mit den Apple-Servern. Das wird sich einspielen, ist allerdings ärgerlich für Abonnenten, die schon jetzt zwei Euro im Monat für den Dienst bezahlen. Dass iTunes Match auf mobilen Geräten kein echtes Streaming bietet, hat Vor- und Nachteile. Es macht Musiktitel unterwegs offline verfügbar, gleichzeitig müssen fleißige Musiksammler den Speicher im Auge behalten und bei Bedarf Titel löschen. Sonst fehlt für große App-Downloads vielleicht irgendwann der Platz. Dass es auch anders geht, zeigt iTunes Match im Wohnzimmer: Auf der Set-Top-Box AppleTV funktioniert der Dienst schon jetzt perfekt – anmelden, Song auswählen, abspielen, fertig.