Das iPad dominiert seit seiner Einführung den Tablet-Markt. Und obwohl die Konkurrenz genug Zeit hatte, den Vorsprung zu verkleinern, ist auch das „neue iPad“ wieder einmal ein Verkaufsschlager. Doch die neue Version macht nicht nur Freude, denn das iPad wird von Verbindungsproblemen geplagt (wir berichteten). Käufer kommen teilweise unterwegs im 3G-Datennetz nicht mehr ins Internet, da die Verbindung scheinbar plötzlich abbricht. Einziger Ausweg in solchen Fällen ist entweder ein Reset der Netzwerkeinstellungen oder ein erneutes Booten des iPads. In Foren wird wild über Erfahrungen mit und Gründe für die Verbindungsprobleme diskutiert: Liegt es an einer fehlerhaften Produktion? Oder trifft den neuen Kommunikations-Chipsatz des iPad die Schuld? Muss Apple sein Betriebssystem nachbessern oder sind die Netzbetreiber in der Pflicht? digitalzimmer.de hat sich die Lage einmal genauer angesehen und erklärt die Hintergründe.
Wichtiges Zusammenspiel
Das Mobilfunknetz besteht aus einer Vielzahl von Antennen, Rechnern, Schaltzentralen und vielem mehr. Wie in einem Uhrwerk müssen sämtliche Technologien und Geräte Hand in Hand arbeiten, um sicher zu funktionieren. Dafür sind die Netzbetreiber verantwortlich. Aber eine der vielen Unwägbarkeiten betrifft das Endgerät beim Nutzer. Nicht jedes Smartphone oder Tablet wird beim Netzbetreiber direkt bezogen, durchläuft deshalb nicht zwangsläufig deren Standards und Tests. Deshalb müssen auch die Hersteller neue Geräte einer Vielzahl von Routinen unterziehen, um reibungsfreien Betrieb in allen Netzen zu garantieren. In eigens dafür vorgesehenen Laboren stehen in Regalen alle auf dem Markt verfügbaren Sendestationen zum Testen – nur damit das Smartphone oder das Tablet auch wirklich weltweit eingesetzt werden kann. Erst wenn alle Anforderungen erfüllt wurden, gelangt ein Gerät in die Verkaufstempel. So jedenfalls der Anspruch von Herstellern und Netzbetreibern.
Welche Verbindungsprobleme gibt es?
Dennoch klagen iPad-Nutzer auf der ganzen Welt über ähnliche Probleme. Nach einem Standortwechsel versagt die Internetverbindung im mobilen Datennetz. Einige Fälle wurden auch bekannt und etwa von Vodafone bestätigt, bei denen die Internetverbindung abbricht, wenn man aus einem WLAN ins mobile 3G-Datennetz wechseln möchte. In den USA wurden gar Probleme des neuen iPads in bestimmten WLANs publik, nachdem Apple laut einer internen Anweisung den Austausch von Geräten mit solchen Störungen veranlasste.
Vodafone-Kunden surfen wieder mobil
In Deutschland konnten Vodafone-Kunden mit Problemen im mobilen Internet im laut Anbieter wieder aufatmen, denn vor gut zwei Wochen wurden diese Fehler laut Netzbetreiber behoben. Vodafone-Techniker berichteten, das Problem läge an einer Datenbank, in der die Geräteypen-Kennung (engl. „approval code”) des neuen iPads noch nicht hinterlegt war. Teilweise machten aber auch bestimmte Micro-SIM-Karten Probleme. In beiden Fällen spielte offenbar der Qualcomm-Chipsatz (Typenbezeichnungen: MDM9600 und RTR8600), der im neuen iPad erstmals in größeren Stückzahlen eingesetzt wird, der bestehenden Netz-Technik ein Schnippchen – so zumindest die Erklärung des Betreibers.
Update1: Dennoch 3G-Probleme bei Vodafone
Während digitalzimmer.de Fälle vorliegen, in denen das mobile Datennetz und Zellwechsel darin bei Vodafone tatsächlich funktionieren, berichten Leser über unser Kontaktformular und auf unserer Facebookseite, dass sie weiterhin Probleme im Vodafone-Netz haben, wenn sie sich mit dem iPad von einer in eine andere Funkzelle bewegen. Allerdings berichten andere Nutzer, die das Problem in beiden Netzen untersucht haben, dass sie im Vodafone-Netz keine Probleme hätten – im Gegensatz zur Telekom.
Weiterhin Probleme im Telekom-Netz
T-Mobile-Kunden indes kämpfen offenbar in größerer Zahl mit dem Zellwechsel-Symptom. Die Telekom-Pressestelle bestätigte das Problem, gab aber auf Nachfrage von digitalzimmer.de an, dass nur eine „niedere zweistellige Zahl” von Kundenreklamationen vorläge. Nach eigenen Erfahrungen im Kollegenkreis und aus Berichten in Foren zu schließen, sind allerdings eher diejenigen iPads in der Minderzahl, die das Problem im Telekom-Netz nicht haben. Viele Nutzer dürften das iPad obendrein gar nicht erst regelmäßig im mobilen Datennetz von einer in eine andere Funkzelle bewegen – und das Problem so gar nicht wahrnehmen.
Unsere regelmäßigen Tests in Hamburg und Stuttgart brachten in den letzten Tagen bei einzelnen Zellenwechseln Entspannung, aus der Welt ist das Problem aber offenbar nicht. Doch warum benötigen die Techniker für die Problemlösung so lange? Offiziell verweist die Telekom inzwischen auf Apple: Das Problem liege am neuen Tablet und nicht im Netz selbst. Man arbeite zusammen mit Apple intensiv an einer Lösung, doch Kunden sollen sich mit Reklamationen an den Hersteller wenden. Zuvor hatten T-Mobile-Techniker an der Kundenhotline noch betont, dass es sich nicht um einen iPad-Fehler handele, sondern dass im Netz nachgebessert werde. Von Apple war zur neuen Sprachregelung der Telekom auf Nachfrage von digitalzimmer.de allerdings nur zu erfahren, dass die Lösung kommuniziert werde, sobald sie vorliege. Ob das Problem im iPad oder im Netz gelöst werden müsse, konnte Apple-Sprecher Georg Albrecht ebenfalls nicht präzisieren.
Probleme beim Handover im Datennetz
Unseren Recherchen zufolge liegt das Problem generell an einem fehlerhaften „Handover”. Der Begriff beschreibt die Prozedur beim Ortswechsel von einem Mobilfunk-Sender zum nächsten. Entfernt man sich aus der Reichweite einer Funkstation, der so genannten „Zelle“, so übergibt die bisherige Funkstation das Telefon an die benachbarte Station. Dabei vollziehen die beiden Funkmasten zusammen mit dem Endgerät den Handover. Genau der klappt mit dem iPad offenbar nicht korrekt. Die Folge: Das iPad erkennt zwar die neue Funkzelle und zeigt 3G-Empfang an, es kommt aber keine Internetverbindung zustande. Startet man das Netzwerk oder bootet das iPad neu, dann findet kein Handover statt, sondern eine Neuanmeldung des Gerätes in der aktuellen Zelle. Diese Prozedur klappt nach unseren Erfahrungen und denen vieler anderer Nutzer problemlos – und löst so in aller Regel das Problem des fehlenden 3G-Datenempfangs.
Beim Handover kommunizieren die beiden beteiligten Funkmasten in erster Linie mit den 3G-/4G-Chips von Qualcomm, denen bereits Vodafone seine Startprobleme zuschrieb. Die Vermutung liegt daher nahe, dass auch die Telekom ihre UMTS-Funkstationen noch auf den neuen Chipsatz einrichten muss. Ähnlich detaillierte Informationen wie Vodafone zu seinen Start-Updates liefert die Telekom aber weder über ihre Pressestelle noch per Hotline oder in ihren Support-Foren.
Update 2: Das LTE-Mysterium
Im englischsprachigen Apple-Forum brachte gestern ein Benutzer namens „FazerWiz” aus Großbritannien eine technisch einleuchtende Erklärung des Problems, in der er sich auf die Aussagen von Apple-Technikern beruft. Hier die Erklärung in verkürzter Form: Der Handover von einer Funkzelle in eine andere klappt laut den Recherchen von FazerWiz immer dann nicht, wenn die Sendeeinrichtungen der neuen Funkzelle bereits für die 4G-Technik beziehungsweise LTE vorbereitet ist. In diesem Fall verbindet sich die Zelle standardmäßig über 4G mit dem iPad, das wiederum auch eine 4G-Datenverbindung erwartet, so FazerWiz. Die kommt nicht zustande, wenn die Funkzelle zwar für 4G vorbereitet ist, aber noch keine Daten in dem ultraschnellen Mobil-Internetformat überträgt.
Dazu kommt, dass das neue iPad eine andere 4G-Version unterstützt als sie in den hiesigen Netzen eingesetzt wird. Ob sich die Erklärung auf die hiesigen Verhältnisse also direkt übertragen lässt ist offen, schlüssig wirkt sie allemal. Denn auch hierzulande ist der Umbau der Netze für die 4G-Technik in vollem Gange. So ließe sich auch nachvollziehen, warum die Handover-Probleme in manchen Regionen beim einen oder anderen Netzbetreiber auftreten und in anderen nicht: Dort, wo die Sendemasten bereits für 4G vorbereitet sind, versagt das Handover, in anderen Regionen klappt es dagegen. Eine Bestätigung dafür gibt es aber bislang weder von einem Netzbetreiber noch von Apple.
digitalzimmer.de meint: Startschwierigkeiten mit neuen Apple-Produkten gab es auch bisher – etwa „Antennagate” mit dem iPhone 4 oder Netzwerk-Probleme im iPhone 4S. Dem Erfolg der Geräte hat das nicht geschadet und am Ende gab es stets eine Lösung. Dieses Mal kommen mehrere Faktoren zusammen: Die Netze waren offenbar zum Start des iPad nicht auf den neuen Chipsatz eingestellt, möglicherweise bringt auch die laufende Umstellung auf 4G-/LTE-Technik Schwierigkeiten. Apple bemüht sich andererseits, sein Tablet mit den neuesten Chips aktuell und wettbewerbsfähig zu halten. Dass in dieser komplexen Technik der Teufel im Detail sitzt und Aussetzer fast unvermeidbar sind, kann jeder Nachrichtentechniker bestätigen. Hilfreich wäre allerdings eine offenere Kommunikation aller Beteiligten – den schwarzen Peter zwischen der Telekom und Apple hin und her zu schieben, bringt niemandem etwas.