Zwei Play:1 von Sonos können als drahtlose Surround-Lautsprecher auch Kinoton wiedergeben.

Surround im Multiroom-System – wie geht das?

Erst Sonos, dann Samsung und LG, inzwischen auch Panasonic, Heos by Denon und Raumfeld: Fast jeder Anbieter eines Multiroom-Audiosystems hat inzwischen Lösungen für die Wiedergabe von Surround-Sound im Programm. Mit einem balkenförmigen Lautsprecher am Fernseher – dem sogenannten Soundbar – und drahtlosen Zusatzboxen versprechen sie Raumklang vom Feinsten ohne Kabelsalat. Aber kann  so ein Funksystem die klassische Heimkino-Anlage mit AV-Receiver wirklich ersetzen?

Das kommt darauf an – zum Beispiel, was man unter Raumklang versteht. Sollen die Signale einer Mehrkanal-Tonaufnahme exakt so wiedergegeben werden, wie sie auf der DVD oder Blu-ray-Disc gespeichert sind? Soll der Täter im „Tatort“ wirklich von hinten links zu hören sein und „Captain America“ im Netflix-Stream akustisch nachvollziehbar durchs Zimmer toben? Dann führt an Surround-Boxen seitlich vom Zuschauer oder gar hinter dem Sitzplatz kein Weg vorbei. Oder reicht ein etwas diffuserer Raumeindruck, etwa um beim Fußballschauen die Atmosphäre im Stadion mitzubekommen? Dann tut’s eventuell auch ein einzelner Lautsprecher am TV, der virtuelle Surround-Effekte in den Raum wirft.

Klassiker: Der Playbar von Sonos mit seinem drahtlosem Subwoofer. Bild: Sonos
Klassiker: Der Playbar von Sonos mit seinem drahtlosem Subwoofer. Bild: Sonos

Auch die Multiroom-Systeme unterscheiden sich in diesem Punkt. Je nach Hersteller erzeugen sie den Kinoklang mit zwei, drei oder sogar noch mehr Lautsprechern:

  • Soundbars mit Surround-Boxen spielen wie eine AV-Anlage den Raumklang über rückwärtige Lautsprecher am Sitzplatz ab. Das heißt: Zum Hauptlautsprecher am TV-Gerät, der die vorderen Kanäle wiedergibt, und einem externen Subwoofer für die Bässe kommen zwei rückwärtige Satelliten. Diese brauchen keine Boxenkabel, weil sie ihr Tonsignal drahtlos per Funk erhalten. Dafür ist pro Box eine 230V-Steckdose nötig, was in manchen Wohnungen mehr Installationsaufwand bedeutet als das Verlegen von Lautsprecherkabeln. Wer mag, kann die zusätzlichen Lautsprecher auch weglassen, hat dann aber einen geringeren bis gar keinen Raumeindruck mehr. In diese Kategorie gehören das Sonos-System, MusicFlow von LG, das ALL-System von Panasonic und der Multiroom-fähige Soundbar H751 von Samsung.
  • Soundbars ohne Surround-Boxen erzeugen den Raumklang grundsätzlich virtuell. Das heißt, sie kommen ohne externe Boxen aus – vom obligatorischen Subwoofer für tiefe Töne einmal abgesehen. Der zählt in beiden Gruppen zur Grundausstattung, nur bei Sonos muss er extra gekauft werden. In diese Gruppe gehören Heos HomeCinema von Denon, die MusicCast-Produkte von Yamaha und der Raumfeld Soundbar.

Wie gut das Ergebnis am Ende klingt und wie genau die einzelnem Surround-Effekte zu orten sind, hängt aber nicht nur von der Zahl der Lautsprecher ab. Die Signalverarbeitung spielt eine mindestens ebenso große Rolle – und hier lassen sich die Hersteller nicht gerne in die Karten schauen. Offizielle Logos von Dolby oder DTS, wie sie Denon oder Panasonic an ihre Geräte heften, sind selten. Sie zeigen, dass der Anbieter einen lizenzierten Decoder verwendet. Die übrigen Anbieter entschlüsseln das Signal zwar ebenfalls und verteilen die Kanäle auf ihre Lautsprecher. Sie sparen sich aber die Lizenzgebühren und verwenden lieber anonyme Technik. Das kann sehr gut klingen – aber niemand weiß, ob die Klangverteilung letztendlich noch der Abmischung im Tonstudio entspricht.

Die Rückseite des Heos-Soundbar mit offiziellen Dolby- und DTS-Logos. Bild: Denon
Die Rückseite des Heos-Soundbar mit offiziellen Dolby- und DTS-Logos. Bild: Denon
Anschluss per HDMI oder Lichtleiter-Kabel

Eine wichtige Rolle spielt der Toneingang. An modernen Soundbars handelt es sich meist um einen HDMI-Anschluss. Modelle wie der Heos HomeCinema oder der Panasonic SC-ALL70T haben zwei davon: einen fürs TV-Gerät und einen für den DVD- oder Blu-Ray-Spieler. Am LG MusicFlow HS9 gibt es sogar drei. Damit schleift der Lautsprecher das Bild angeschlossener Geräte zum Fernseher durch und schaltet nach Bedarf zwischen TV und den Zuspielern um. Voraussetzung: Der Fernseher rückt  über HDMI den Fernsehton heraus. Der dafür nötige Audio Return Channel (ARC) wurde erst 2009 mit HDMI-Version 1.4 eingeführt. An älteren Flachbild-TVs dient der HDMI-Anschluss ausschließlich als Eingang. In diesem Fall – und für andere Zuspieler ohne HDMI – muss zusätzlich ein Kabel für den Ton gezogen werden. Die Soundbars haben dafür einen optischen Digitaleingang („optical“).

Der etwas in die Jahre gekommene Sonos Playbar verfügt nur über diese Lichtleiter-Buchse. Das ist zunächst einmal kein Nachteil: Praktisch alle Flachbild-Fernseher haben den passenden Ausgang und geben darüber auch Ton von angeschlossenen Zuspielern wie Set-Top-Box oder DVD-Player an den Soundbar weiter. Allerdings geht dabei oft der Raumklang verloren: Etliche Fernseher liefern über ihren optischen Digitalausgang ausschließlich den Ton vom eigenen Tuner in Surround-Qualität. Durchgeschleifte Programme werden auf ein Stereosignal herunterkonvertiert, selbst wenn in der Audio-Einstellungen des TV etwas anderes gewählt ist. DTS-Signale von DVDs oder Blu-ray-Discs schaffen es über Lichtleiter in der Regel nur als Stereo-Downmix auf den Soundbar, für Dolby Digital 5.1 und Dolby True HD machen zumindest einige Geräte Ausnahmen. Wo möglich, kann auch der Player das Surround-Signal ins PCM-Format konvertieren. Ansonsten rechnet der Lautsprecher mit technischen Tricks wieder Surround-Effekte in den Zweikanalton hinein. Dass dieser Raumklang mit dem Original aus Hollywood nur bedingt zu tun hat, versteht sich von selbst. Das gilt freilich nicht allein für Sonos. Mit diesen Einschränkungen muss jeder leben, der einen Soundbar per Lichtleiterkabel verbindet.

Der Subwoofer zum Raumfeld Soundbar ist so flach, dass er unters Sofa passt. Foto:Teufel
Der Subwoofer zum Raumfeld Soundbar ist so flach, dass er unters Sofa passt. Foto:Teufel
Drahtlose Surround-Lautsprecher für die Rückkanäle

Die echte Herausforderung beginnt für Multiroom-Audiosysteme aber erst, wenn der Soundbar drahtlose Unterstützung von Surroundboxen bekommen soll. Dann müssen die Lautsprecher nicht nur untereinander synchron spielen wie im Musikbetrieb, sondern auch lippensynchron zum Fernseher. Keine leichte Aufgabe, weil das Auge bereits auf minimalen Zeitversatz zwischen Bild und Ton empfindlich reagiert – zumindest wenn es sich um deutschsprachige Produktionen handelt. In synchronisierten Filmen passen die Lippenbewegungen ja ohnehin nicht exakt zum Text. Um die Laufzeitunterschiede gering zu halten, setzten die Hersteller auf unterschiedliche Verfahren. Sonos etwa verwendet sein eigenes Funknetz mit den Basisstationen Bridge oder Boost, um die Lautsprecher aufeinander abzustimmen. Bei LG muss entweder der Soundbar oder eine Bridge per Kabel mit dem Router verbunden sein, damit ein sogenanntes Mesh-Netzwerk für den Surround-Betrieb entsteht. Im ALL Connected Audiosystem von Panasonic gibt es weder Mesh-Netz noch Bridge, weshalb sich die Surround-Boxen SC-ALL2 direkt per Funk mit dem Soundbar SC-ALL70T verbinden. Sollen sie im Multiroom-Betrieb individuell mit anderen Allplay-Lautsprechern kombinierbar sein, ist eine Trennung des Surround-Verbunds per Tastendruck nötig. Danach lassen sich die Lautsprecher mit dem WLAN verbinden.

TV-Ton im Multiroom-Betrieb nicht immer synchron

Eine Eigenschaft haben alle Multiroom-Surround-Lösungen gemein: Sie übertragen auf Wunsch den Fernsehton drahtlos in der Wohnung. So geht kein Torjubel mehr verloren und der Krimi bleibt auch auf der Toilette spannend. Jedoch ist der TV-Ton dabei nicht immer synchron. Während LG und Sonos keine hörbaren Laufzeitunterschiede produzieren, hinkt die Übertragung in andere Räumen zum Beispiel bei Panasonic, Raumfeld oder Samsung hinterher.  Trotzdem: Für ein alltägliches Heimkino-Vergnügen sind die Anlagen ideal. „Casual Surround“ nennt die Branche so etwas – in Anlehnung an das „Casual Gaming“ mit Videospielen für die ganze Familie. Wer dagegen das große Filmerlebnis sucht, mit plastischem Sound à la Dolby Atmos oder Auro 3D, der greift weiterhin besser zu Lautsprecherkabeln und einem AV-Receiver. Im Kino hängen schließlich auch keine drahtlosen Lautsprecher an der Decke.

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