AllPlay-Lautsprecher: Mehr als nur Musik im Smart Home

Wer die Berichterstattung zur CES verfolgt hat, könnte meinen, das viel beschworene „Internet der Dinge“ sei bereits Realität. Raumthermostate, Lampen, Backöfen oder Fernseher würden miteinander in Dialog treten und sich gegenseitig Anweisungen geben, um ein Feierabendprogramm zu gestalten, das wir uns besser nicht vorstellen können. Doch ganz so schnell geht es nicht. Weil die technischen Voraussetzungen fehlen.

Viele Marktteilnehmer mit konkurrierenden Interessen versuchen gerade im Internet of Things (IoT) ihre Claims abzustecken. Firmen wie Intel, ARM oder Oracle entwickeln eigene Plattformen und hoffen, damit ähnlich erfolgreich zu werden wie Microsoft im PC-Zeitalter. Ein „Windows für Smart Homes“, das dem intelligenten Haus den Weg zum Massenmarkt ebnen, ist trotzdem nicht in Sicht – wenn es nach Chip-Hersteller Qualcomm geht, aber auch nicht nötig.

Das Unternehmen aus San Diego ist technikinteressierten Lesern als Entwickler der Snapdragon-Prozessoren in Smatphones und Tablets bekannt. Käufer von Multiroom-Audiosystemen begegnen ihm eher indirekt – mit der Streaming-Technologie AllPlay. Die heißt nicht nur so ähnlich wie AirPlay von Apple, sie bietet auch einen vergleichbaren Nutzen: Funklautsprecher verschiedener Hersteller können – per App gesteuert – im Heimnetzwerk zusammenspielen. Mit dem Unterschied, dass Android-Geräte dabei als Fernbedienung genauso  willkommen sind wie ihre iOS-Kollegen. Apple hat sein System stattdessen um die eigenen Produkte herumgestrickt und versucht Smartphones oder Tablets anderer Marken draußen zu halten. AllPlay kämpft mit solchen Einschränkungen nicht. Die Musik auf den Lautsprechern kann von UPnP-Quellen oder direkt aus dem Internet kommen. Technisch gesehen ist AllPlay also eher eine Mischung aus DLNA-Streaming und Spotify Connect.

AllPlay-Trio von Panasonic: Die Funkboxen SC-ALL8, -ALL3 und der Stream-Player SH-ALL1C.
AllPlay-Trio von Panasonic: Die Funkboxen SC-ALL8, -ALL3 und der Stream-Player SH-ALL1C.
Die App „Panasonic Music Streaming“ bespielt Player via AirPlay, Bluetooth, AllPlay und DLNA.
Die App „Panasonic Music Streaming“ bespielt Player via AirPlay, Bluetooth, AllPlay und DLNA.

Panasonic, Lenco, Medion und demnächst Monster bieten AllPlay-fähige Lautsprecher und Stream-Player an. Die Panasonic-Modelle SC-ALL3, -ALL8 und SH-ALL1C konnte ich zur Markteinführung im Sommer 2014 für das Magazin „Connected Home“ bereits testen. Auffälligster Unterschied gegenüber anderen Multiroom-Lösungen: Die Fernbedienungs-App des Herstellers bietet nur Funktionen zum Gruppieren von Lautsprechern und für das Streaming im Heimnetzwerk. Der Musikabruf aus dem Internet mit Diensten wie Aupeo, Napster, Spotify oder TuneIn findet im Programm des jeweiligen Anbieters statt. Die Player tauchen dort von selbst in der Lautsprecher-Auswahl auf, wenn der Programmierer seine App für AllPlay vorbereitet hat. Wie das aussieht, zeigen die Screens am Beispiel Spotify Connect auf dieser Seite.

Die Hersteller-App (links) dient auch zum Gruppieren von Lautsprechern, etwa für Spotify.
Die Hersteller-App (links) dient auch zum Gruppieren von Lautsprechern, etwa für Spotify.

Was das alles mit dem Internet der Dinge zu tun hat? Nun, die Technologie hinter AllPlay kann viel mehr als nur Musik im Haus verteilen. Sie ist Teil von AllJoyn, einer Smart Home-Plattform, die Qualcomm 2011 als Open-Source-Projekt aus der Taufe gehoben hat. In der sogenannten AllSeen-Alliance arbeiten seit Dezember 2013  Unternehmen am reibungslosen Zusammenspiel ihrer Geräte. Mehr als 100 Firmen und Organisationen sind es bereits, darunter so große Namen wie Electrolux, LG, Microsoft, Panasonic und Sony. Die Ergebnisse sind noch überschaubar. Neben den erwähnten Lautsprechern und diversen Streaming-Apps gibt es nur eine Handvoll LG-Fernseher und ein paar andere Geräte, die das AllJoyn-Framework unterstützen (siehe Liste der Open Connectivity Foundation). Sie wurden auf Messen wie der CES oder IFA vor allem dazu benutzt, die Möglichkeiten des Systems zu demonstrieren.

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Vision der Erfinder: Das AllJoyn-Framework soll Geräte zu Hause oder am Arbeitsplatz miteinander vernetzen. Ähnlich wie Universal Plug and Play (UPnP) für Audio- und Videoanwendungen verbindet es die Teilnehmer vollautomatisch, und zwar über Betriebssysteme hinweg. Geräte, die auf der quelloffenen Arduino-Plattform laufen, sollen genauso unterstützt werden wie Produkte mit Android, iOS, Linux, OS X oder Windows. Dabei teilen sie sich die Arbeit und übernehmen Aufgaben für andere Mitglieder im Netzwerk. So kann zum Beispiel ein Rauchmelder über AllPlay-Lautsprecher in der Wohnung Alarm schlagen, wenn es brennt. Laufende Musiktitel erscheinen als Einblendung am Fernsehschirm und der Backofen schickt eine Textnachricht zum TV, sobald der Kuchen fertig ist. Oder er zeigt das Innere des Garraums gleich als Live-Bild auf einem Tablet oder Smartphone an, wie von Electrolux am AEG-Stand auf der letztjährigen IFA demonstriert.

Ja selbst komplette Szenarien, in denen AllJoyn beim Zubettgehen  das Licht im Kinderzimmer dimmt, die Heizung auf Sparflamme dreht und ein Schlaflied anstimmt, sind theoretisch denkbar – wenn genug Hersteller mitspielen und ihre Produkte anpassen.

digitalzimmer.de meint: Von allen Smart-Home-Visionen, die Hausgeräte und Elektronikprodukte miteinander vernetzen, ist AllJoyn wahrscheinlich die selbstloseste – weil die Software im Rahmen der gemeinnützigen Linux Foundation frei zugänglich ist und als Open Source weiterentwickelt wird. Nicht einmal die Zertifizierung kostet etwas: Mitglieder und Nichtmitglieder können das nötige Test-Programm gratis aus dem Internet herunterladen. Es gibt somit kein Unternehmen, das den Standard beherrscht und einen Wettbewerbsvorteil daraus ableiten könnte. Allerdings auch niemand, der – wie etwa Google bei Android –, die Zügel in der Hand hält. Ein Lizenzgeber, der sein Know-how vermarktet und deshalb Interesse an schnellen Fortschritten oder großen Innovationen hat, fehlt ebenfalls. Es muss sich also erst noch zeigen, welche Früchte die AllSeen Allianz trägt. Die AllPlay-Lautsprecher sind ein guter Ansatz, aber eben auch nur der erste Anfang.