Amazon ist kein reiner Buchhändler mehr, ebenso wenig wie Apple nicht mehr in erster Linie Computer anbietet. Die beiden Konzerne liefern sich in den USA bereits seit längerer Zeit eine unblutige aber erbitterte Schlacht um die Vorherrschaft in einem neuen Geschäftszweig: dem Onlinehandel und der Verwaltung von Medieninhalten. Apple regelt den Vertrieb über iTunes und seinen eigenen Online-Speicherdienst iCloud, Amazon verkauft in den USA Musik, Filme und E-Books über seinen Onlinestore und speichert die Inhalte in der Amazon Cloud. Für die Wiedergabe dieser Inhalte aus dem Internet hat Amazon den Cloud Player erfunden. Apple setzt dafür bereits seit Ende 2011 auf iTunes Match (wir berichteten).
Plattformunabhängige Wiedergabe
Zusammen mit der angekündigten Einführung der Amazon-Tablets Kindle Fire und Kindle Fire HD hat Amazon jetzt auch seinen Cloud Player für Musik in Deutschland gestartet. In erster Linie soll er bei Amazon gekaufte MP3-Tracks online verwalten und auf allen möglichen Geräten verfügbar machen. Enstperchende Player-Programme und -Apps gibt es für Android-Smartphones und -Tablets ebenso wie für iPhone & Co. sowie auf Blackberry-Geräten. Am Computer spielt der Cloud Player über den Internet-Browser. Apps für Windows-Phones gibt es allerdings nicht und auch eine Unterstützung von netzwerkfähigen HiFi-Geräten oder Smart-TVs bietet Amazon bislang nicht an. Zum Vergleich: iTunes Match ist über iTunes, Apple TV und Apple-Mobilgeräte erreichbar.
Musik online ablegen
Wie bei iTunes Match verwaltet der Cloud Player nicht nur Musik, die bei Amazon gekauft wurde. Man kann auch andere Track von der Computerfestplatte in den Onlinespeicher hochladen. Die ersten 250 Fremd-Tracks speichert Amazon gratis, darüber hinaus verlangt Amazon für einen Speicherplatz von bis zu 250.000 Tracks 24,99 Euro pro Jahr. Denselben Preis nimmt Apple für bis zu 25.000 Musikstücke. Der Unterschied klingt größer als man denkt – wer möchte schon deutlich mehr als 2.000 CD-Alben mit je etwa 12 Tracks in einer Musikbibliothek speichern? Außerdem bezieht sich der kostenpflichtige Speicher bei Amazon und Apple nur auf Musik, die nicht bei jeweiligen Anbieter online gekauft wurde.
Vergleichbare Features
Die übrigen Features des Amazon Cloud Players sind ebenfalls mit iTunes Match vergleichbar: Eigene Musik lädt man mit einem Amazon-Uploadprogramm zum Cloud Player hoch. Der verarbeitet alle gängigen Audioformate von MP3 über AAC und FLAC bis OGG und WMA – einzige Begrenzung ist eine Dateigröße von maximal 100 Megabyte pro Track. Beim Upload stimmt Amazon die Musik mit dem eigenen Online-Musikangebot ab und übernimmt die Tracks direkt in das Verzeichnis, die bei Amazon in gleicher oder besserer Qualität vorliegen als die Upload-Datei. Die so „gematchten“ Musikstücke stehen dann in MP3 mit 256 Mbit/s zur Verfügung. Die Prozedur fördert nicht nur die Klangqualität schlechter MP3-Tracks, sie spart auch Upload-Zeit: Beim Hochladen einer recht willkürlichen Sammlung von 250 Tracks aus der iTunes-Bibliothek des Test-Rechners mit Schwerpunkt auf Indie- und Rockmusik wurden in unserem Test etwa zwei Drittel der Tracks direkt übernommen und mussten nicht hochgeladen werden. Der Rest war nach einer guten halbe Stunde online verfügbar.
Musik hoch- und runterladen
Dank des Matchings lassen sich minderwertig gerippte MP3-Tracks über die Amazon-Cloud aufpolieren: Altes MP3 in den Cloud Player hochladen, auf dem Computer löschen und dann die neue Version aus der Amazon-Wolke wieder auf den Computer herunterladen – fertig. Allerdings erhalten die so verbesserten Musikstücke in ihren MP3-Tags ein Datenfeld, das sie als Amazon-Downloads markiert und im Zweifelsfall mit dem Account-Benutzer in Verbindung bringen kann. Man behält diese Musik also besser für sich. Dies gilt übrigens auch für Tracks, die mit derselben Methode bei iTunes Match per Up- und Download qualitativ aufgehübscht wurden.
Begrenzt ist auch die Zahl der Wiedergabegeräte, mit denen man auf den Amazon-Cloud Player zugreifen kann. Jeder Computer und jedes Mobilgerät, das sich beim Cloud Player anmeldet, muss bei Amazon für den jeweiligen Cloud Player autorisiert werden. Bis zu zehn Computer und Mobilgeräte lassen sich für einen Account freischalten – gleich viele wie bei iTunes Match. Amazon verhindert den schnellen Wechsel zwischen mehreren Accounts, indem etwa die Deaktivierung eines Gerätes erst nach 30 Tagen erfolgt und man nur einmal pro Jahr alle Geräte deaktivieren und neu zuordnen kann. Ein „Umzug“ eines Gerätes von einem Cloud Player zu einem anderen ist laut Amazon ebenfalls nur zwei Mal pro Jahr – alle 180 Tage – Tage möglich. Apple ist hier flexibler: Hier lassen sich Geräte alle 90 Tage einer neuen Apple-ID zuordnen.
Die Playerprogramme
Neben den reinen Tracks lädt das Uploadprogramm von Amazon auch Wiedergabelisten aus iTunes oder vom Windows Media Player in die Cloud hoch und listet sie dort. Die Grundstruktur der Musiksammlung am Computer lässt sich so in den Cloud Player übertragen. Eine regelmäßige Synchronisation wie bei iTunes und iTunes Match ist damit allerdings nicht verbunden.
Auf Mobilgeräten wie dem iPhone klappt die Wiedergabe über eine kostenlose Cloud Player-App aus dem App-Store. Die bietet eine übersichtliche Benutzeroberfläche, erlaubt die Auswahl von Musik nach Künstlern, Genres, Alben oder Tracks und zeigt auch gespeicherte Playlisten. Sofern das Smartphone mit dem Internet verbunden ist, streamt die App Musik direkt aus der Cloud. Für Reisen und schmale Mobil-Datenflatrates bietet sie aber auch eine Streamingsperre im mobilen Datennetz sowie die Möglichkeit, Musik vorab aufs Mobilgerät herunter zu laden. Außerdem greift die App auch auf lokal gespeicherte Musik in der iTunes-Mediathek zu, spielt diese ab und lädt auf Wunsch sogar komplette Playlisten daraus zum Cloud Player hoch. Das Dateihandling klappte im Test ohne Probleme, ebenso wie Download und Musikwiedergabe aus der Wolke. Der Online-Abruf erfolgt per progressivem Download, man kann also nach kurzer Zeit beliebig in den Tracks hin und her spulen.
digitalzimmer.de meint: Der Amazon Cloud Player ist ein leistungsfähiger Online-Musikspeicher und -Spieler. Sein großes Plus gegenüber dem ähnlichen iTunes Match ist die Unabhängigkeit von einer speziellen Plattform wie iTunes und den Apple-Geräten – das Amazon-Angebot ist natürlich dem Amazon Kindle Fire auf den Leib geschneidert, unterstützt aber eben auch andere Androiden und das Apple-System. Die Unabhängigkeit ist jedoch auch ein Nachteil: Cloud Player synchronisiert sich automatisch nur mit dem Amazon-Store, nicht mit einer Musiksammlung, die auch am Computer dynamisch wächst. Künftig könnte der Cloud Player mehr Zulauf erhalten, wenn etwa auch netzwerkfähige HiFi-Geräte, Smart-TVs oder Blu-ray-Player direkten Zugang zu ihm bieten. In den USA können das etwa vernetzte HiFi-Geräte von Sonos bereits.