Google kontra Apple: Musik aus der Cloud

Fast zeitgleich sind zwei neue Online-Dienste gestartet: „Music Beta” aus dem Hause Google und „iTunes in the Cloud” von Apple. Ihr Zweck ist derselbe: Musikfans sollen ihre Audio-Dateien nicht länger hin und her kopieren müssen, sondern zentral auf einem Server im Internet peichern. Von dort lassen sich die Titel dann nach Belieben auf die persönlichen Abspielgeräte übertragen, also zum Beispiel auf den Computer, einen Tablet-PC der das Smartphone.

„Music Beta” (links) und „iTunes in the Cloud” gibt es vorerst nur in Amerika.
„Music Beta” (links) und „iTunes in the Cloud” gibt es vorerst nur in Amerika.

Den Anbietern entsprechend ist die Geräteauswahl etwas eingeschränkt: Google Music lässt sich mobil nur mit dem Betriebssystem Android nutzen, die iTunes-Variante setzt iOS und damit ein iPad, iPhone oder einen iPod touch voraus. Wie Google im Namen bereits andeutet, befinden sich die Angebote noch im Beta-Zustand, das heißt im Versuchsstadium. Nur Besitzer eines Google- oder Apple-Kontos in den USA können sie derzeit in Anspruch nehmen. Wann die Musikspeicher nach Europa kommen, ist offen. Apple will seinen Service iCloud zwar im Herbst zusammen mit iOS 5 hierzulande einführen, doch wahrscheinlich ohne iTunes in the Cloud. Die Verhandlungen mit den Plattenfirmen sind noch nicht abgeschlossen und gestalten sich für gewöhnlich schwierig. Der iTunes Store, Ende April 2003 in den USA gestartet, konnte erst nach über einem Jahr eine Filiale auf dieser Seite des Atlantiks eröffnen.

Die Verbindung von Apples Musikladen mit iCloud macht auch den größten Unterschied zum Google-Dienst aus: Ein Song, den der Kunde im iTunes Store erwirbt, steht sofort für alle anderen Geräte desselben Kontos zur Verfügung. iPad & Co. lassen sich so konfigurieren, dass gekaufte Musikstücke automatisch üer WLAN oder ein 3G-Netz geladen werden – wenn es sein muss, bis der Speicher des mobilen Players voll ist. Das soll dem Anschein nach sogar mit Titeln funktionieren, die in der Vergangenheit gekauft wurden. Vorausgesetzt, sie sind noch erhältlich und wurden nicht zwischenzeitlich aus dem Store entfernt.

Automatischer Abgleich der Musikbibliothek
Besonderen Komfort bietet die Funktion „iTunes Match”. Sie gleicht die Musikbibliothek des heimischen Rechners mit dem Angebot im Store ab. Findet sie eine Übereinstimmung, wird der Song automatisch dem persönlichen Cloud-Speicher hinzugefügt. Laut Apple umfasst der iTunes-Katalog gegenwärtig 18 Millionen Songs. Wer nicht gerade ein Faible für Independent-Musik kleiner und kleinster Label hat, dürfte ein Gutteil seiner Sammlung dort wiederfinden.

Die von iTunes Match hinzugefügten Titel haben gewohntes Shop-Format, sind also AAC-Dateien mit einer Datenrate von 256 Kilobit pro Sekunde. Selbst dann, wenn das Original auf dem Rechner von minderer Qualität war. Klang-Enthusiasten, die CDs im WAV-Format oder Apple-Lossless-Codec mit voller Datenrate rippen, dürfte diese Qualität trotzdem nicht zufriedenstellen. Und bislang ist nicht klar, was mit Dateien passiert, die ein Nutzer selbst in die Cloud hochlädt. Das ist schließlich für alle Titel nötig, die iTunes Match nicht im Katalog findet. Online-Händler Amazon, der in den USA ebenfalls Cloud-Speicher für Musik anbietet, unterstützt beim Upload zum Beispiel nur AAC und MP3-Dateien.

Google ist großzügiger und akzeptiert in Music Beta neben AAC und MP3 auch WMA und FLAC. Allerdings ist die Unterstützung des Free Lossless Audio Codec keine klangliche Bereicherung – weil FLAC-Files in der Cloud auf MP3-Format mit 320 Kbps heruntergerechnet werden. Das spart Speicherplatz, da Google während des Beta-Tests keine Beschränkung des Datenvolumens vornimmt. Apple spendiert iCloud-Nutzern 5 Gigabyte Gratis-Speicher, nimmt gekaufte Musik aber ausdrücklich aus; ihr Platzbedarf kommt kostenlos obendrauf. Bei Google ist stattdessen die Zahl der Musikstücke begrenzt: Maximal 20.000 Titel lassen sich in der Cloud verstauen. Bis solche Datenmengen per DSL ins Web übertragen sind, können Tage wenn nicht Wochen vergehen. Die Match-Funktion von iTunes spart also Zeit, weil viele Dateien gar nicht hochgeladen werden müssen. Sie kostet aber auch Geld: Apple verlangt in den USA eine Jahresgebühr von 25 Dollar. Der Google-Dienst ist bislang völlig kostenlos, das könnte sich nach Ende der Beta-Phase jedoch ändern.

Unterschiede gibt es auch in der Art und Zahl der Abspielmöglichkeiten. Apple begrenzt den Download gekaufter Musik auf zehn Geräte, worunter sich maximal fünf Computer mit iTunes befinden können. Google gestattet laut Webseite den Abruf von jedem beliebigen Rechner aus per Browser, allerdings sollen nicht zwei Player gleichzeitig auf dasselbe Stück zugreifen können – hinzu kommen acht Android-Geräte, also Tablets oder Smartphones. Während Apple die Musik-Datei komplett auf das jeweilige Endgerät überträgt, mischt Google Download und Streaming. Vor allem bei Smartphones mit wenig Speicher hat das den Vorteil, dass alle Titel der Bibliothek gehört werden können; auch solche, die physikalisch auf dem Gerät gar keinen Platz hätten. Allerdings ist wie beim Webradio eine Internet-Verbindung nötig, und es wird während des Streamings über ein 3G-Netz Datenvolumen aus dem Mobilfunk-Vertrag verbraucht. Der Nutzer kann einzelne Titel jedoch manuell anwählen, die dann auf sein Smartphone heruntergeladen werden und fortan offline zur Verfügung stehen.

digitalzimmer.de meint: Es ist etwas früh, um über Vor- und Nachteile der neuen Cloud-Dienste zu philosophieren, schließlich laufen beide noch im Probebetrieb. Wer per Handy der Tablet auf die Musiksammlung zugreifen möchte, hat ohnehin keine Wahl: Das Betriebssystem seines Mobilgeräts nimmt ihm die Entscheidung ab. iCloud hat mit „iTunes Match” aber ein Ass im Ärmel – wenn es Apple gelingt, auch hierzulande die Rechteinhaber zu überzeugen. Google tut sich damit schwerer, wie der Dauerstreit zwischen YouTube und der deutschen GEMA zeigt.