Kaum war 2011 der übliche Jubel zum Ende der Elektronikmesse IFA verhallt, da häuften sich die Hiobsbotschaften: Pansonic würde Fernseher-Werke schließen und Mitarbeiter entlassen. Sony und LG Electronics müssten umstrukturieren, auch Toshiba meldete schlechte Zahlen. Die Unterhaltungselektronik-Sparte von Toshiba sieht die Lage entspannt. Im Konzern mag der Haussegen schief hängen, „das TV-Geschäft ist aber profitabel”, erklärt Sprecherin Kerstin Lindemeyer auf Nachfrage von digitalzimmer.de – „und zwar das siebte Jahr in Folge”. Damit das so bleibt, setze Toshiba seinen Fokus auf den Highend-Bereich und die Multiprozessor-Plattform Cevo Engine.
Mit Fernsehern Geld zu verdienen – in dieser glücklichen Lage sind nicht viele Unternehmen. Sony etwa stellte Anfang November 2011 seinen „TV Business Profitability Improvement Plan“ vor. Er sieht vor, im Geschäftsjahr 2012 zunächst die Verluste im TV-Geschäft um die Hälfte senken. 2013 soll die Sparte dann wieder Gewinn abwerfen. Von eigenen Fabriken haben sich die Japaner schon lange getrennt. Nun sollen die Einkaufskosten für LCDs um 40 Prozent gesenkt werden. Das war wohl der Anlass für Gespräche mit dem Bildschirmhersteller S-LCD, einem Gemeinschaftsunternehmen von Sony und Samsung. Die Medien spekulierten stattdessen, Sony wünsche aus dem Joint Venture auszusteigen. Für gesättigte wie noch aufnahmefähige Märkte will das Unternehmen künftig eigene Modellpaletten entwickeln, mit Hightech („Super-Resolution High Image Quality Engines“) dem Wettbewerb eine Nasenlänge voraus sein. Die ersten Sony-TVs mit 4K-Bildschirm dürften schon bald in den Läden stehen. Zusatzdienste wie Online-Videotheken sollen weiteres Geld in die Kassen spülen – noch einmal will man sich von Apple nicht die Wurst vom Brot nehmen lassen.
Doch der immerwährende Preiskampf ist nicht das einzige Problem. Die Euro-Krise, schlechte Wirtschaftsdaten und Schuldenprobleme belasten in vielen EU-Nationen das Geschäft mit Konsumgütern – ein Flach-TV ist nun mal nicht lebensnotwendig. Deutschland zählt zu den glücklichen Ausnahmen, aber auch hier lassen sich nicht unbegrenzt Fernseher verkaufen. Laut Panasonic-Sprecher Michael Langbehn sind „70 Prozent der Fernseher in deutschen Haushalten mittlerweile Flach-TVs – der Markt ist langsam gesättigt.” Folglich wurde die Plasma-Produktion in den Werken Amagasaki 3 und 5 gestoppt. Amagasaki 4 laufe weiter. „So haben wir die Herstellung von 42-Zoll-Plasma-Panels (1,06 Meter) von 13,8 auf 7,2 Millionen pro Jahr reduziert.” Langbehn betont aber, dass keine Fertigungsanlagen demontiert würden. Auch verkaufe und verlagere Panasonic keine seiner LCD-Fabriken. Entsprechende Gerüchte seien Unsinn.
Der Panasonic-Sprecher ergänzt: „Berichte über Probleme haben ihre Quelle in den Quartalsmeldungen. Die Firma insgesamt kämpft noch immer mit den Folgen des Erdbebens und Nuklearunfalls in Japan, die Flutkatastrophe in Thailand betrifft uns mittelbar als Digitalkamera-Hersteller.” Zudem würden in der Konzernbilanz einmalige Kosten der Fusion mit Sanyo zu Buche schlagen. Beim Zusammenschluss sollen in den nächsten beiden Jahren 17.500 Stellen wegfallen. Laut Langbehn entspreche dies fünf Prozent der Belegschaft und sei damit weniger als sonst bei vergleichbaren Fusionen üblich. Im TV-Geschäft will sich Panasonic auf größere Flüssigkristall- und Plasmabildschirme konzentrieren. Diese sollen vorzugsweise in High-End-Geräten verbaut werden: „Gute Qualität bei gutem Preis-/Leistungsverhältnis zieht im deutschen Markt.”
Georg Wilde von Philips Televisions, räumt ebenfalls ein: „Der Wettbewerb im TV-Markt ist extrem. Um zu bestehen, sind alle Hersteller gezwungen, in neueste Technik zu investieren. Beherrschen sie diese, kommt es zu Überkapazitäten. Das drückt die Preise. Die getätigten Investitionen sind aber erheblich und können nicht in zwei oder drei Saisons eingespielt werden.“
Bislang versuchen alle Hersteller, höhere Preise mit mehr Technik im Gerät zu rechtfertigen. Neben Internet- und Netzwerkfunktionen gehören dazu vor allem Tuner für sämtliche digitalen Empfangswege. Auch eine gute Umrechnung („Skalierung“) von Standard-Signalen in HD-Auflösung – oder weiter gefasst: die Videosignalverarbeitung – soll einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Nur: Mit der fortschreitenden Verbreitung von HD-Quellen droht solches Expertenwissen unwichtig zu werden. Immer mehr TV-Stationen senden HDTV, Blu-ray-Spieler verkaufen sich gut, ab der Mittelklasse bringen Surround-Receiver ausgefeilte Video-Skalierer mit. Zudem sind viele Kunden frustriert, weil immer neue Features den gerade erst gekauften Fernseher gefühlt zur ollen Kamelle machen. Droht der Branche der Abstieg zum Lieferanten nackter Displays?
Fürs erste sieht Georg Wilde diese Gefahr nicht – im Gegenteil. „Den Gedanken, dass der Fernseher die Unterhaltungszentrale ist, wird man nicht so schnell aufgeben. Mit HbbTV haben wir gerade erst echten Mehrwert in unsere Fernseher integriert.” Das Problem, die Besitzer älterer Modelle mit ständig mehr Ausstattung zu frustrieren, sieht er ebenfalls nicht. „Wichtig ist für uns, dass der Kunde nach zwei Jahren denselben Spaß mit dem TV hat wie unmittelbar nach dem Kauf.” Auch Panasonic-Mann Michael Langbehn sieht angesichts einer alternden Bevölkerung eher einen Trend zu mehr Funktionen im TV. Je mehr ein Gerät kann, desto leichter sollten diese Funktionen aber auch zu bedienen sein – siehe Smartphone. Sonst wird der Alleskönner am Ende zum Ladenhüter.
digitalzimmer.de meint: Gute Bildqualität und Ausstattung mit Nutzwert sind wichtig. Aber auf diesen Gebieten kann kein TV-Hersteller zaubern. Neue Technologien halten früher oder später Einzug in die Geräte aller Marken, sie taugen kaum noch als Wettbewerbsvorteil. Interessanter ist daher, worüber die Firmen nicht sprechen: An den Bedienkonzepten vieler Modelle sind Verbesserungen überfällig. Falls der bis dato nur gerüchteweise existierende Apple-Fernseher kommt, könnte er genau hier ansetzen. Denn an den teils schwierigen Lizenzbedingungen für Film- und TV-Programme oder an den Empfangswegen in einzelnen Ländern kann Apple nichts ändern. Auch über den Preis wird sich das Unternehmen wohl kaum in den Markt kaufen wollen. Bleibt das Bedienkonzept, mit dem die iCompany punkten könnte. Das Jahr 2012 verspricht also spannend zu werden – für die Käufer und die Hersteller.
Update vom 5.1.2012: Nun also doch – Sony steigt aus der gemeinsam mit Samsung gegründeten Bildschirmfabrik S-LCD aus. Die Koreaner übernehmen Sony-Anteile im Wert von rund 720 Millionen Euro. Am 19. Januar 2012 sollen die neuen Besitzverhältnisse in Verträgen fixiert werden. Bildschirme von S-
LCD will Sony aber weiterhin kaufen. Damit rückt das Unternehmen noch weiter von seiner Hausregel ab, derzufolge in Sony-Geräten früher nur eigene Technik stecken durfte. Erfolg lässt sich auch ohne Fabriken haben: Apple lässt grundsätzlich außer Haus produzieren. Philips hat sich schon lange von diversen Bauteilefabriken getrennt – unter anderem auch denen für Bildschirme. Hersteller wie Panasonic aber eben auch Samsung hingegen wollen Schlüsselkomponenten im Haus behalten, um sich von der Konkurrenz abheben zu können.