Ausprobiert: Beyerdynamic Custom One Pro

Die IFA in Berlin ist vorbei. In Erinnerung bleiben uns – neben Kochvorführungen von Jamie Oliver – vor allem Kopfhörer. Große HiFi-Namen wie Philips, Sony und Yamaha überboten sich unterm Funkturm mit Hör-Armaturen zum Aufsetzen. Allein sind sie nicht: Zubehör-Spezialisten wie Logitech oder Monster wildern ebenfalls im Kopfhörer-Markt. Von audiophil bis Lifestyle – da ist für jeden etwas dabei. Der Grund für die Modellinvasion ist ebenso banal wie für klassische HiFi-Anbieter bitter: Kopfhörer gehören zu den wenigen Audio-Produkten, die Kunden noch zum Geldausgeben verleiten. Denn die Werks-Ohrstöpsel von iPod, iPhone und anderen Smartphones taugen nichts; mit dem Nachkaufmodell verbessert man den Klang und kann in Flugzeug oder Bahn ein wenig angeben. Und diesen Spaß lässt sich die Kundschaft durchaus etwas kosten.

Schieberegler: Der „Custom Sound Slider” an den Ohrmuscheln sorgt für mehr oder weniger Bass. (Bild: Beyerdynamic)
Schieberegler: Der „Custom Sound Slider” an den Ohrmuscheln sorgt für mehr oder weniger Bass. (Bild: Beyerdynamic)

Beim Mikrofon- und Kopfhörerspezialisten Beyerdynamic im schwäbischen Heilbronn lief das Geschäft bislang eher bedächtig: Kopfhörer wie der HiFi-Klassiker DT 880 gehören seit fast 30 Jahren zum Sortiment des Herstellers. Aber man hat die Zeichen der Zeit erkannt: In der „Manufaktur“ können Käufer seit 2008 Kopfhörer in einer großen Zahl von Farb- und Materialvarianten ordern. Zunächst war der Service auf die HiFi-Klassiker des Hauses beschränkt, seit dem letzten Jahr gibt es auch den Mobilhörer T 50 p mit individueller Ausstattung. Beim nagelneuen Custom One Pro gingen die Heilbronner allerdings einige Schritte weiter: Kopf- und Ohrpolster gibt es in diversen Farb- und Materialvarianten; die Seitenteile kann der Kunde – Ikea lässt grüßen – per Inbusschlüssel wechseln.

Schieberegler für mehr Bass Auch der Klang passt sich dem Kundengeschmack an: Über je einen vierstufigen Schieber an den Ohrmuscheln (Bild oben) ist regelbar, wie satt die Bässe klingen. Wer glaubt, das ließe sich mit einem Equalizer im MP3-Spieler auch erreichen, irrt: Wenn es dem Kopfhörer von Haus aus schon an tiefen Tönen mangelt, produziert der elektronische Klangregler nicht mehr Bass, sondern nur Verzerrungen. So aber empfiehlt sich der mit 200 Euro recht erschwingliche Kopfhörer akustisch als Modell für alle Lebenslagen. Wer’s gern fetzig mag, dreht die Bässe bis zum Anschlag auf (Reglerposition „4“), die Auslieferposition 3 („Vibrant Bass“ genannt) zeigt sich als guter Kompromiss zwischen Effekthascherei und Neutralität. Feinsinnigere und audiophile Gemüter wählen die lineare Stellung 2. Wem es selbst dann noch zu viel rumpelt, der schaltet auf die bassarme Position 1. Die tiefen Töne werden dabei rein mechanisch und ohne verschleißanfällige elektrische Regler („Potentiometer“) geändert – technisch ist die Konstruktion einer Bassreflexbox mit variabler Ausgleichsöffnung vergleichbar.

Geschlossene Bauform, austauschbares Kabel Für den Betrieb an MP3-Spieler, Smartphone Co. prädestinieren den Beyerdynamic weitere Details: Das Kabel ist nicht fest verlötet, sondern per 3,5-Millimeter-Klinkenbuchse gesteckt – so tauscht man mit einem Klick die Standardleitung gegen eine mit Mikrofon aus. Die Schallwandler mit ihrer ungewöhnlich niedrigen Impedanz von 16 Ohm versprechen auch an schwachbrüstigen Playern ausreichende Lautstärke. Zu guter Letzt sind die ohrumschließenden Muscheln akustisch geschlossen – Umgebungslärm dringt auch ohne elektronische Geräuschunterdrückung („Noise Cancelling”) nur gedämpft ans Ohr; umgekehrt werden Mitreisende vom eigenen Musikprogramm nicht behelligt. Die Bassregler ändern an der geschlossenen Bauart übrigens (fast) nichts: Auch mit maximaler Öffnung – und damit stärkstem Bass – ist die Ausgleichsöffnung vergleichsweise klein. Sie beeinflusst die abschirmende Charakteristik der Hörmuscheln kaum.

Der Custom One Pro brilliert im Hörtest Soweit die Theorie. Aber Papier und Herstellerprospekte sind bekanntlich geduldig: digitalzimmer.de hörte selbst genau hin. Erster Eindruck: Der Custom One Pro ist für einen Mobilhörer nur mittelmäßig laut. Er übertrumpft den ebenfalls für anspruchsvolle Unterwegs-Musikgenießer entwickelten Philips Fidelio L 1 (um 280 Euro, siehe Zusatz-Info unten) geringfügig – gegen Wirkungsgrad-Cracks hat er aber keine Chance. Sowohl die mobilen Tesla-Modelle von Beyerdynamic als auch beispielsweise der Sony MDR-ZX 700 (um 100 Euro) oder Z 1000 (um 500 Euro) fegen den Neuen aus Heilbronn in puncto Maximalpegel vom Platz.

Ein universell an allen Portis nutzbarer Kopfhörer ist der Custom One Pro also nicht – wer mit anderen Standardmodellen über niedrige Lautstärke klagt, wird sich mit diesem Typ kaum verbessern. Bringen MP3-Spieler oder Smartphone aber leidlich Spannung auf die Kopfhörerbuchse, kann der Custom One Pro brillieren. Mit seinem satten, klaren und dynamischen Klang beeindruckt er im Test. Klassiktitel wie Gustav Holsts „Die Planeten“ gibt er mit seidigen Streichern und definiertem Schlagzeug und Kontrabässen wieder, Trance-Stücke wie die Titelnummer des DJ-Tiësto-Albums „In My Memory“ mit fast schon bedrohlichen Synthi-Bässen. Auch House-Klassiker wie die Maxi-CD von Madonnas „Vogue“ oder die 2009 remasterte „Mensch-Maschine“ von Kraftwerk überzeugen via Custom One Pro gleichermaßen mit beinah körperlich spürbarem Bass bei gleichzeitig körperhaften Stimmen und klaren Höhen. Soviel Detailtreue hat ihren Preis: Die Dynamik einiger aktueller Hitparaden-Titel wurde schon im Studio so grotesk eingeebnet, dass der Custom One Pro den Pfusch des Ton„ingenieurs“ entlarvt. Das letzte Stück etwa auf „Magik One: First Flight“ des erwähnten DJ Tiësto ist dermaßen totkomprimiert und verzerrt – man möchte davonlaufen.

Und der Tragekomfort? Auf dem Kopf des Testers sitzt der Hörer fest, aber nicht unangenehm. Umgebungsgeräusche hält er ausreichend fern. Wer statt Kunstleder lieber Stoff möchte: Auf den Custom One Pro passen die Standardpolster des Hauses. Den Kopfhörer gibt es auf einer eigenen Custom-Webseite; die Accessoires auch. Allerdings sind derzeit noch nicht alle angekündigten Austauschteile wie etwa das Headset-Kabel lieferbar.

digitalzimmer.de meint: Mit dem Custom One Pro bietet der Heilbronner Hersteller viel Kopfhörer fürs Geld. Die extra Schippe Bass in der Werkseinstellung wird man in den meisten Fällen dankbar mitnehmen – anders als einige Modelle von Mitbewerbern tönt dieser Hörer nur selten lästig. Wenn’s zu viel wird: Mit einem Klick an den Bassschiebern ist der Hörer in der neutralen Position. Etwas mehr Pegel dürfte es für den universellen Einsatz an Mobilgeräten allerdings noch sein – vielleicht schafft es Beyerdynamic ja, auch diese Reihe als wirkungsgradstarke „Tesla“-Variante aufzulegen. Ob man den Custom One Pro im Werkszustand belässt oder ihn mit Bling-Bling pimpt – das mag jeder Kunde selbst entscheiden.