Die Firmengeschichte von Philips kennt so einige Innovationen. Manche wurden zu Welterfolgen wie die analoge Compact-Cassette (1963) oder das Kaffeepad-System Senseo (2001). Andere sind längst wieder vergessen, etwa die interaktive CD-i aus dem Jahr 1990, weil sie ihrer Zeit zu weit voraus waren. In die zweite Kategorie gehört auch das „Net Module Display” von Philips Components, einer amerikanischen Tochterfirma das Konzerns. Auf der CES 2001 erstmals präsentiert, sollte es eine neue Kategorie von Geräten ermöglichen: schlanke und leichte Internet-Tablets, die drahtloses Surfen und Video-Streaming erlaubten.
Die Ingenieure kombinierten dazu einen Touchscreen mit stromsparenden Prozessoren von National Semiconductor oder Transmeta und packten nahezu die komplette Elektronik eines Computers auf die Rückseite des Bildschirms. Das 10,4 Zoll große Display hatte eine Auflösung von 800 x 600 Pixel, reagierte auf Fingerdruck und war nach Aussage von Philips 30 Prozent dünner als andere Flüssigkristall-Bildschirme zu jener Zeit. Als drahtlose Anbindung ans Heimnetzwerk waren WLAN und Bluetooth geplant. Das Unternehmen wollte keine eigenen Geräte auf den Markt bringen, sondern andere Hersteller mit dem Display beliefern. Ein Start der Massenproduktion war für Ende 2001 geplant – rund zehn Jahre vor dem heutigen Tablet-Boom und lange vor Erscheinen des ersten iPad.
Wir erinnern uns: 2001 hatte Microsoft die Idee eines Windows-basierten Tablet-PC bereits skizziert und Steve Jobs den erfolglosen Taschencomputer „Newton” schon wieder eingestellt. Es sollten aber Jahre vergehen, ehe Nokia 2005 mit seinem Internet-Tablet 770 das erste reinrassige Surfgerät präsentierte. Ein Erfolg wurde freilich auch dieses nicht. Erst 2010 setzte Apple das Tablet ohne Tastatur oder Stift als eigenständige Gerätegattung am Markt durch – die Philips-Idee von 2001 (Abbildung oben) wurde doch noch Wirklichkeit. Philips Components hat den späten Ruhm nicht mehr erlebt: Das Unternehmen stellte wenige Monate nach Präsentation seines Net Module Displays den Betrieb ein.
digitalroon.de meint: Faszinierend, wie treffend die Philips-Ingenieure das Konzept eines vernetzten Tablets zum Surfen, Videos ansehen oder E-Mail-Schreiben anno 2001 beschrieben haben. Ob es beim damaligen Stand der Technik ein Erfolg geworden wäre, darf jedoch bezweifelt werden. Weder die Internet-Anschlüsse noch der seinerzeit verbreitete WLAN-Standard 802.11b waren schnell genug für komfortables Surfen, von ruckelfreiem Video-Streaming ganz zu schweigen. Und die druckempfindliche (resistive) Oberfläche damaliger Touchscreens hatte längst nicht den Charme eines aktuellen (kapazitiven) Glas-Displays. Die Idee zum iPad kam anderen schon früher, Apple besaß neben der Technologie aber offenbar auch das Gespür für den richtigen Zeitpunkt.