Surface: iPad-Killer oder Notebook-Konkurrenz?

Seit zwei Tagen kennt die Fachwelt nur ein Thema: Haben die neuen „Surface“-Tablets von Microsoft das Zeug dazu, dem iPad weltweit und in den USA dem Kindle Fire von Amazon das Wasser abzugraben? Immerhin hat das Microsoft-Tablet mit diesen beiden, bislang erfolgreichsten Tablets gemein, dass Hard- und Software aus einer Hand kommen und optimal aufeinander abgestimmt sind. Bei Apple stammen beide Komponenten tatsächlich aus einem Unternehmen, Amazon hat das Android-Betriebssystem des Kindle Fire so stark an seine eigenen Anforderungen in Sachen Onlineshop, Musik- und Videodienste sowie den Amazon-eigenen Appstore angepasst, dass kaum mehr etwas vom Google-Betriebssystem zu sehen sei, so Kenner des Kindle Fire.

Surface und Surface for Windows 8 Pro: Tablet oder ultraleichtes Notebook? (Bild: Microsoft)
Surface und Surface for Windows 8 Pro: Tablet oder ultraleichtes Notebook? (Bild: Microsoft)

Hard- und Software sind nicht alles
Die Tatsache, dass Microsoft nun auch zwei Tablet-Modelle bringt, bei denen das Gerät und das Betriebsystem aus einer Hand kommen, bedeutet aber nicht, dass die Geräte und deren Anwendungen vergleichbar sind. Der Microsoft Surface mit seinem Nvidia-Mobilprozessors und einem 10,6-Zoll-Display mit 1280×720 Pixeln soll mit der schlanken Betriebsystem-Variante Windows 8 RT der neuen Microsoft-Systemsoftware laufen. Der gleich große Bruder mit höherer Bildschirmauflösung (1920×1080 Pixel), mehr Leistung und einem echten Intel-Core-i5-Prozessor wird gar mit der Vollversion Windows 8 Pro des Betriebssystems betrieben, so Microsoft. Beide Surface-Modelle werden in den bisherigen Berichten – je nach Tester – als hoch solide, etwas schwere, stets aber als leistungsfähige Ultraflach-Computer beschrieben.

Gegenüber bekannten Tablet-Konzepten von Apple, Samsung oder Amazon bieten die beiden neben der Steuerung per Fingertippen und -Wischen auch einen Bedienmodus für einem Bildschirm-Stift – den so genannten Stylus. Und sie bringen Abdeckungen mit, die sich als Ultraflach-Tastaturen mit Trackpad anbieten. Mit dieser Ausstattung und zusammen mit der Tatsache, dass sich die Microsoft-Tablets über USB-Ports, eine Mini-HDMI-Buchse und einen Micro-SD-Kartensteckplatz mit Peripheriegeräten und Extra-Speicher kombinieren lassen, sind die neuen Microsoft-Geräte allerdings schon fast keine Tablets mehr in dem Sinne, den Apple vor gut zwei Jahren prägte. Der „große“ Surface für Windoiws 8 Pro bietet beispielsweise sogar einen Displayport-Ausgang, der Moitore mit höhren Auflösungen als FullHD versorgen soll. Zusammen mit dem Windows-8-Betriebssystem haben wir es so mit zwei mehr oder weniger leistungsfähigen Ultraleicht-Notebooks zu tun, die über berührungsempfindliche Bildschirme verfügen und sich deshalb auch ohne Tastatur bedienen lassen. Das ist eine spannende neue Geräteklasse, die unter den Nutzern ultraleichter Notebooks viele Freunde finden dürfte. Aber unter den Tablet-Nutzern?

Woher kommen die Inhalte?
Auf die Frage, ob ein Tablet wie das iPad eine echte Alternative zum Kauf eines Notebooks sei, verneinte der Computerexperte Christof Windeck vom Computermagazin c’t vor ein paar Monaten klar und sagte: „Tablets unterscheiden sich grundsätzlich von Computern: Sie sind Geräte zum Medienkonsum und nicht zur produktiven Arbeit.“ Will sagen: Mit einem Tablet kann man prima im Web surfen, Videos gucken, Musik hören, Fotos zeigen und auch mal eine Mail beantworten. Für die Verwaltung größerer Datensammlungen oder  produktive Büroarbeit sind iPad, Kindle Fire & Co. gar nicht erst vorgesehen. Tablets sind Ergänzungen zum Computer, keine Alterntaive.

Ob und wie gut die Microsoft-Tablets, abgesehen von ihrer Notebook-typischen Ausstattung mit Tastatur, USB und HDMI für den Büroalltag taugen, muss sich erst zeigen, die Voraussetzungen dafür sind aber gut. Anders herum haben sie jedoch einiges nicht, was ein erfolgreiches Tablet ausmacht. Zum Beispiel die Infrastruktur zum Medienkonsum. Die macht gerade Amazon und Apple auf dem Tablet-Markt so beliebt. Beide zählen zu den erfolgreichsten Online-Medienhändlern – im Gegensatz zu Microsoft. Apple macht mit Musik und Filmen, die über iTunes auf das iPhone, iPad oder die Set-Top-Box Apple-TVheruntergeladen werden, Millionenumsätze. Amazon bietet im Kindle-Fire-Land USA ein komplettes Musik-, Film und eBook-Onlineangebot für sein Multimedia-Tablet sowie am PC und auf immer mehr Wohnzimmer-Geräten.

Microsoft fehlt der Medienvertrieb
Diese Angebote unterscheiden die beiden erfolgreichen Tablet-Anbieter weit mehr vom Rest des Marktes als ein paar Hardware-Bestandteile hin oder her. Will Microsoft hier Erfolg haben, dann muss der Konzern neben Hard- und Software auch für Medien sorgen, die einfach, preiswert und überall für die Tablets abrufbar sind und diese neben dem Tablet auch am Computer und auf Geräten im Wohnzimmer verfügbar machen. Auf der Surface-Präsentation wurde allerdings nur eine App des US-Videodienstes Netflix gezeigt, um die Filmtalente des Surface zu illustrieren.

Aus gutem Grund: Microsoft hat sich im Bereich des Medienvertriebs bislang nicht mit Ruhm bekleckert: Der Zune-Musikplayer etwa floppte nicht zuletzt deshalb, weil es keine wirklich brauchbare iTunes-Alternative dafür gab. Der Windows Mediaplayer konnte sich auch zusammen mit anderen MP3-Playern bis heute nicht als Standard für die Medienverwaltung am Computer durchsetzen. Und das Medienarchiv auf der Microsoft-Spielkonsole xBox 360 ist im Vergleich zur Konkurrenz von Apple, Sony oder Amazon ebenfalls sehr bescheiden.

digitalzimmer.de meint: Die technischen Daten der beiden Surface-Tablets von Microsoft klingen wirklich eindrucksvoll, die Erfahrungsberichte sprechen für ausgereifte Produkte. Doch die Neulinge dürften eher Konkurrenten für leichte Windows-Notebooks als für bisherige Tablets werden. Das könnte ihnen eine erfolgreiche Nische im Markt verschaffen – etwa dort, wo bislang ultraleichte Netbooks oder die leistungsfähigeren Ultrabooks zu Hause sind. Allerdings dürfte sich Microsoft als Hersteller von Hard- und Software der Tablets kaum Freunde unter den Notebook-Herstellern machen. Schließlich macht der Konzern so seinen eigenen Kunden und deren Mini-Notebooks Konkurrenz. Für den Markt insgesamt sind Microsoft Surface und Surface Pro aber auf jeden Fall eine Bereicherung.