Ausprobiert: Sony PS Vita im Praxistest

Nicht weniger als „das ultimative Handheld-Entertainment-System” verspricht Sony den Käufern der PS Vita. Die mobile Playstation soll ihre Vorgänger PSP-3000 und PSP go in Funktion und Leistung deutlich übertreffen. Dafür sorgen schon der ARM-Prozessor mit vier Rechenkernen und der brillante OLED-Bildschirm mit 960 x 544 Pixel Auflösung. Die  Daten lassen sich auf der Produktseite nachlesen, weshalb wir dafür hier keinen Platz verschwenden wollen.

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Die PS Vita von Sony kombiniert Touchscreen-Technik mit klasssischen Playstation-Bedienelementen. (Fotos: Sony Computer Entertainment)

Es soll in den folgenden Zeilen eher darum gehen, wie die neue Super-Konsole sich anfühlt, was sie wirklich kann und wo es vielleicht noch Nachholbedarf gibt. Erster Eindruck: Die neue PSP ist eine Spielekonsole geblieben. Sony hat der Verlockung widerstanden, ein multifunktionales Touchscreen-Gerät zu bauen, das in Konkurrenz zu Smartphones und Tablets tritt. Es gibt neben der WiFi-Version mit WLAN für 249 Euro zwar auch eine Variante mit zusätzlichem UMTS-Modul (299 Euro), die 3G-Funktion wird aber vor allem zur Kommunikation mit Freunden und anderen Spielern genutzt. Der Internet-Browser unterstützt derzeit (System-Software 1.60) weder Flash noch HTML-5-Videos und eignet sich daher nicht für Bewegtbild-Seiten wie YouTube. Auch fühlt er sich beim Scrollen etwas träger an als zum Beispiel auf dem iPad, das übrigens denselben Prozessortyp benutzt – sogar mit zwei Kernen weniger.

Die Kameras auf der Vorder- und Rückseite sind zum Chatten gedacht (eine Skype-App ist angekündigt) oder für Spiele mit Augmented Reality, bei denen die PS Vita etwa Spielkarten auf dem Tisch erkennen soll. Für Film- oder Fotoaufnahmen sind sie wegen ihrer begrenzten Qualität nur bedingt geeignet. Vor allem die Linse auf der dem Spieler abgewandten Seite lieferte im Praxistest etwas milchige Bilder mit einer Neigung zum Überstrahlen in hellen Flächen. Ein iPhone 4S oder Galaxy SII machen bessere Aufnahmen und bringen obendrein ein LED-Lämpchen zur Aufhellung dunkler Szenen mit.

Wenn es um die Hauptaufgabe – das Spielen – geht, macht der Vita allerdings kein anders Gerät etwas vor. Sony hat an alles gedacht: Ein Kreisel, ein elektronischer Kompass und Beschleunigungssensoren erfassen die Bewegungen der Konsole im Raum. Neben den vier typischen Symboltasten, einem Cursor-Kreuz und den beiden „Schultertasten” am oberen Gehäuserand gibt es auch zwei analoge Joysticks für die rechte und die linke Hand. Sie reagieren sehr präzise und ersetzen das fummelige Schiebepad der früheren Modelle – ein riesen Fortschritt, wenn diffizile Bewegungen in Spielen auszuführen sind.

Zwei berührungsempfindliche Flächen ergänzen das mechanische Knopfarsenal: die eine als Touchscreen auf der Front, die andere als ebenso großes Sensorfeld auf der Rückseite. In Spielen wie „Uncharted: Golden Abyss” sind abwechselnd beide Flächen aktiv und können an Stelle der Gerätetasten oder gemeinsam mit ihnen benutzt werden. So klettert Schatzjäger Nathan Drake an Seilen auf und ab, wenn man auf der Rückseite der PS Vita in die entsprechende Richtung streicht. In Klettertouren lässt sich die Route mit dem Finger auf den Bildschirm zeichnen, worauf der Held elegant von Felsvorsprung zu Felsvorsprung schwingt. Bösewichte sind per Tastenkombination angreifbar oder durch bloßes Antippen. Da kann schon die Wahl der Steuerungsmethode zum Game-Faktor werden. digitalzimmer.de hatte jedenfalls noch keine tragbare Konsole in Händen, die das Spielerlebnis so vielfältig und gleichzeitig perfekt auf die Straße bringt. Eine Akkuladung reicht für etwa fünf Stunden Dauereinsatz mit voller Displaybeleuchtung – weniger würden wir auch nicht empfehlen, weil der OLED-Schirm nur mit maximaler Helligkeit seine ganze Pracht entfaltet.

Spielerisch gibt sich auch die Oberfläche des neuen Betriebssystems. Wo im XMB-Menü (Xross Media Bar) der bisherigen Playstation-Modelle aufgeräumte Strenge herrschte, wippen nun bunte Buttons auf diversen Startbildschirmen, deren Bestückung und Hintergrund sich nach Belieben ändern lässt. Die Optik ist Geschmacksache, erschließt sich dank visueller Reize jedoch von selbst. So zeigt ein kleines Eselsohr am oberen rechten Seitenrand an, dass eine App durch Umblättern beendet werden kann. Bis zu sechs Anwendungen können gleichzeitig geöffnet sein, wobei die PS Vita jedoch kein echtes Multitaskting unterstützt: Beim Wechseln zwischen zwei Spielen wird das erste Programm zunächst beendet und das neue anschließend gestartet. Das braucht Zeit: Aktuelle Spiele-Titel wie „Uncharted”, „Little Deviants” oder „Wipeout 2048” gönnen sich zwischen 30 Sekunden und einer knappen Minute, ehe ihr Startmenü erscheint – ziemlich lange, wenn man bedenkt, dass die Daten nicht mehr von einer UMD-Disc, sondern aus einem Flash-Speicher geladen werden.

Apropos Speicher: Der größte Kritikpunkt betrifft Sonys Preispolitik in Sachen Speicherkarten. Der Hersteller führt mit der Konsole ein weiteres eigenes Speichermedium ein – die PS Vita Speicherkarte. Sie ist Voraussetzung für den Betrieb, gehört aber nicht zum Lieferumfang. Vorbesteller bekommen bei Händlern wie Amazon ein Exemplar mit 8 GB gratis dazu. Allerdings reicht diese Größe nicht sehr weit, weil ein Spiel aus dem Playstation Store alleine schon mehrere Gigabyte beansprucht und auch Videos, Fotos oder Musik auf der Karte abgelegt werden. Wer nicht ständig Daten von der PS Vita auf den PC oder eine Playstation 3 und wieder zurück kopieren möchte, braucht also die 16-GB-Version. Dafür verlangt Sony fast 50 Euro. Zum Vergleich: eine SDHC-Karte derselben Kapazität ist schon für unter 20 Euro zu haben. Nicht einmal der Memory Stick Pro Duo aus den bisherigen PSP-Modellen reißt so tiefe Lücken ins Budget der Spielefans.

digitalzimmer.de meint: In Zeiten, da sich jedes Smartphone mit Apps für 79 Cent zum Spielen benutzen lässt, haben mobile Konsolen keinen leichten Start. Das musste auch Nintendo erfahren, dessen Modell 3DS erst nach einer deutlichen Preissenkung zum Verkaufsschlager wurde. Die PS Vita kostet so viel wie eine aktuelle Playstation 3 mit 320-GB-Festplatte, und auch die Spiele liegen mit Preisen zwischen 30 und 50 Euro auf hohem Niveau. Dafür bietet das System ein Erlebnis, wie es kein Smartphone oder Tablet der Welt vermitteln kann. Die Grafik von Titeln wie „Dead Space” auf dem iPad mag an Konsolenspiele heranreichen, die Steuerung tut es nicht. So werden leideschaftliche Gamer aus gutem Grund die PS Vita wählen – und dafür etwas tiefer in die Tasche greifen. Ach, übrigens: Ein 3D-Display wie am Nintendo 3DS haben wir während des Tests kein einziges Mal vermisst. Im Gegenteil: Der Vorteil des OLED-Bildschirms ist ja gerade sein breiter Betrachtungswinkel. So muss die Konsole nicht exakt auf den Spieler ausgerichtet sein und zeigt auch noch schräg von der Seite ein optimales Bild.