High-Resolution Audio: hörbar oder nicht?

David Pogue, langjähriger Technik-Kolumnist der New York Times und Chef des Online-Magazins Yahoo Tech hat einen Jahrzehnte alten Expertenstreit neu entfacht. In seinem Test des Musik-Players Pono stellt er die legitime Frage: Klingt High-Resolution Audio wirklich besser als gängige datenreduzierte Musik von iTunes? Und er liefert auch gleich die Antwort darauf: „Nein“ , so das Ergebnis seines Blindtests mit 15 Freiwilligen und drei Rocksongs. Der Pono-Player sei eine moderne Neuinterpretation von Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Oder anders ausgedrückt: Niemand hört den Klangunterschied, aber kaum einer traut sich, das zu sagen.

David Pogue testet High-Resolution-Audio mit dem Pono-Player. ©Yahoo Tech
David Pogue testet High-Resolution-Audio mit dem Pono-Player. ©Yahoo Tech

Markige Worte. Wer so austeilt, muss auch einstecken können, was Pogue in den vergangenen Wochen ausgiebig unter Beweis stellen durfte. Auf seiner Webseite und in Internet-Foren beschwerten sich audiophile Musikfans zu Hunderten über das Ergebnis, den Aufbau, das Equipment, die Songauswahl, kurz: über alles. Auch bei mir keimte spontan Protest auf. Schließlich hatte ich schon anno 1999 bei der missglückten Markteinführung von DVD Audio und SACD (Super Audio CD) mit eigenen Ohren gehört, dass hochauflösende Musikquellen besser klingen können als normale Audio-CDs.

Die Kritik an David Pogues Testaufbau ist nachvollziehbar. Weder gab es einen sogenannten ABX-Vergleich, bei dem die Probanden nicht wissen konnten, welche der beiden Quellen gerade spielt, noch waren die Pegel exakt abgeglichen. Pogue hat die Lautstärke nach Gehör eingestellt. Laut Malte Ruhnke, stellvertretender Chefredakteur beim HiFi-Magazin „stereoplay“, ist ein exakter Pegelabgleich für AB-Vergleiche aber unerlässlich: „Eine Abweichung von 0,2 Dezibel über alle Frequenzen sollte nicht überschritten werden. Sonst kann das menschliche Ohr die lautere Quelle als besser empfinden. Es kann aber auch umgekehrt sein, dass lauteres Material subjektiv ʼnervigerʽ wird. Wichtig ist, die Pegelunterschiede so gering zu halten, dass sie als solche gar nicht wahrnehmbar sind.“

Blind-Vergleich: das Boston-Experiment
Aufwendige ABX-Vergleiche, die Klangunterschieden auf den Grund zu gehen versuchten, gab es schon einige in der HiFi-Geschichte. 2007 etwa veröffentlichten E. Brad Meyer und David R. Moran von der Audio Engineering Society (AES) eine viel beachtete Studie: 60 Mitglieder der Boston Audio Society hatten über ein Jahr lang versucht, den Unterschied zwischen High-Resolution Audio und CD-Qualität herauszuhören. Das analoge Ausgangssignal eines SACD-/DVD-Audio-Players wurde dazu mit professionellem Equipment ins CD-Format (16 Bit/44,1 kHz) und zurück gewandelt, die Pegel auf 0,1 Dezibel genau eingestellt. Am Ende der 554 Hördurchgänge lag die Trefferquote bei 49,82 Prozent – auf reichlich zufälligem Niveau also. Selbst eine Untergruppe aus erklärten Audiophilen und professionellen Toningenieuren schnitt mit 52,7 % kaum besser ab.

Der Testaufbau des sogenannten BAS-Experiments wurde im Nachhinein ebenso kritisiert wie David Pogues Versuchsanordnung. Die Musikauswahl sei unglücklich gewesen, ein AB-Vergleich ungeeignet, um die klanglichen Möglichkeiten hochauflösender Signale auszuloten. Letzteres ist ein Argument, das ich von Audiophilen immer wieder höre. Ein Klang-Enthusiast und fleißiger Besucher von High-End-Messen  hat mir einmal erklärt, AB-Vergleiche von High-Resolution-Musik wären etwa so, als bekäme man abwechselnd das Original der„Mona Lisa“ und einen Fotodruck davon zu sehen. Auf den ersten Blick könne niemand den Unterschied erkennen. Erst bei längerer Auseinandersetzung mit dem Werk zeige sich die wahre Qualität des Originals.

Hinzu kommt, dass Hören ein subjektiver Prozess ist. Jeder nimmt Schall auf seine eigene Weise wahr und legt auf andere Dinge im Klangspektrum Wert. Ob wir ein Stück musikalisch mögen oder nicht, lässt sich vom technischen Qualitätsaspekt nicht immer trennen. Das scheint sich auch auf die Statistiken auszuwirken. Denn egal, ob die Detmolder Hochschule für Musik im Rahmen einer Diplomarbeit den Klangunterschieden zwischen PCM- und DSD-Tracks nachspürt oder Redakteure des c’t-Magazins ihren Lesern MP3- und CD-Musik vorspielen – stets sind die Unterschiede in der Wahrnehmung gering. Zwar konnten die Probanden anno 2000 im c’t-Test eine stark komprimierte MP3-Datei mit 128 kBit/s Datenrate noch gut identifizieren, bei den mittlerweile üblichen 256 kBit/s hörte das Unterscheidungsvermögen aber schon auf. Diese Ergebnisse decken sich weitgehend mit meinen Erfahrungen als Streaming-Fan, der im Alltag viel iTunes-Musik (AAC, 256 kBit/s) und Spotify in höchster Qualitätsstufe (Ogg Vorbis, 320 kBit/s) hört. Doch wenn schon verlustbehaftete Codecs wie AAC und OGG unter günstigen Bedingungen so nah an der CD sind, wie schwer wird es dann erst, zwischen Lossless-Formaten (FLAC, WAV) in verschiedenen Auflösungen einen Unterschied herauszuhören?

Sampling-Wahn: Aufnahmen für Fledermäuse
Also ist High-Resolution Audio nicht mehr als eine Illusion? Ein Marketing-Begriff, der Musiksammler dazu bewegen soll, ihre Lieblingsplatten nach Vinyl und CD ein drittes Mal als hochauflösenden Download zu kaufen? Christopher Montgomery legt genau das auf seiner Webseite xiph.org nahe. Der Entwickler des Audioformats Ogg Vorbis erklärt dort ausführlich, warum er Downloads mit 24 Bit/ 192 Kilohertz für sinnlos hält. Laut seiner Auffassung ist ihre Wiedergabetreue gegenüber der von 16 Bit/44,1 kHz oder 16 Bit/ 48 kHz sogar leicht unterlegen („slightly inferior“). CD-Qualität reiche aus, so Montgomery, um alle hörbaren Töne wiederzugeben. Er zitiert dafür einen Grundsatz der digitalen Aufnahmetechnik: das Nyquist-Shannon Theorem.

Um beim Digitalisieren keine Informationen zu verlieren, muss die Abtastfrequenz mindestens doppelt so hoch sein wie das höchste wiederzugebende Tonsignal. Mit den 44,1 Kilohertz auf der Audio-CD lässt sich demnach das gesamte menschliche Hörspektrum  (ca. 20 Hz – 20 kHz) abbilden. Allerdings soll es Leute geben, die auch jenseits der 20 Kilohertz noch etwas mitbekommen. J. Robert Stuart vom High-End-Unternehmen Meridian hält in seinem (auch von Montgomery geschätzten) Aufsatz „Coding High Quality Digital Audio“ 24 kHz für möglich – und empfiehlt eine Abtastfrequenz von mindestens 52 kHz. Die in vielen Studios bereits verwendeten 88,2 oder 96 Kilohertz wären damit ausreichend. Bei richtiger Produktionsweise bringt eine weitere Steigerung der Samplingrate „keine Vorteile mehr“, meint Stuart in seinem Papier und gibt damit Christopher Montgomery Recht.

Christopher Montgomery gehört zu den schärfsten Kritikern von Downloads mit 192 kHz.
Christopher Montgomery gehört zu den schärfsten Kritikern von Downloads mit 192 kHz.

Das hindert HighRes-Verfechter freilich nicht daran, für höhere Frequenzen zu plädieren. Japanische Versuche des Chiba Institute of Technology sollen 2002 gezeigt haben, dass Musik im Ultraschallbereich eine Wirkung auf den Menschen hat: Aufnahmen mit bis zu 100 Kilohertz – abgespielt von einem modifizierten SACD-Player und Lautsprechern mit speziellen Hochtönern – stimulierten demnach die Blutversorgung von Testpersonen im Gehirn. Das EEG zeigte eine Zunahme sogenannter Alphawellen, was auf Entspannung hindeutet. Ob dieser „Hypersonic Effekt“ tatsächlich existiert und Menschen unbewusst wie Fledermäuse hören, ist jedoch umstritten. Experten wie Dr. Günther Theile, damals am Münchner Institut für Rundfunktechnik (IRT) für Audiotechnik zuständig, vertreten eher die Auffassung, dass „mögliche messtechnische Unterschiede in der Praxis vom Hörer nicht wahrgenommen werden“. Auch Tontechniker Günter Pauler, mit seinem Label Stockfisch-Records gerade für einen Grammy in der Kategorie „Bestes Surround-Album“ nominiert, steht hohen Samplingraten eher skeptisch gegenüber: „Nach unseren Erfahrungen können bereits  88,2 kHz im Studio Probleme bereiten. Einige Instrumente  produzieren hohe Frequenzen, die sich im Klang der Aufnahme unangenehm bemerkbar machen und die wir deshalb herausfiltern müssen“.

5 Gedanken zu „High-Resolution Audio: hörbar oder nicht?“

  1. 24-Bit macht sicherlich Sinn (mehr Dynamikumfang, der auf gutem Equipment auch hörbar sein sollte), aber sehr hohe Sampling-Raten (gerade 192khz) sind reine Geldmacherei. Wer glaubt, er könne diese Frequenzen hören, bildet sich was ein. Vinyl-Fetischisten glauben auch an die Überlegenheit ihrer Scheibe, dabei hören sie heute nur noch das gepresste CD-Master.
    Es hat einen Grund, dass manche Labels ihre Musikdownloads ausschließlich in der Kombi 24/44,1 und 24/48 anbieten. Schlussendlich bewirkt ein sehr gutes (und teures) Wiedergabegerät Wunder, ein Hi-Res-File eher weniger.

    1. 196khz ist nicht die gehörte Frequenz , es ist die Abtastrate , wie oft pro Sekunde das signal abgegriffen wird, je häufiger das passiert je „runder“ wird das bit Signal…

  2. Ich persönlich finde, dass sich der Unterschied in der Klangqualität sehr deutlich bemerkbar macht. Wenn man z. B. an Meridian Audio Produkte gewöhnt ist, fällt einem doch sofort die schlechtere Klangqualität von weniger High-End Produkten auf.

  3. Schade, dass so wenige Menschen richtig hören können. Ich erlebe Highresolution jeden Tag als akustische Offenbarung.

    1. Wie im Artikel beschrieben: Es gibt durchaus Klangunterschiede zwischen High-Res-Downloads und Dateien mit 16 Bit/44,1 kHz, nur kommen die nicht automatisch durch höhere Auflösung und Abtastfrequenz zustande.

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