High-Resolution Audio: hörbar oder nicht?

Sicherheits-Reserve: Mehr Bit sind besser
Hohe Abtastfrequenz ist aber nur ein Faktor, der digitale Musik in den Rang eines hochauflösender Audiosignals erhebt. Der andere hat mit der Länge der Datenworte zu tun. Und hier stimmen ausnahmsweise alle Experten überein: Größer ist besser. Zumindest, wenn es um die Aufnahme und Produktion geht. CDs und gängige Musik-Downloads verwenden eine Folge von 16 Nullen und Einsen. Diese 16 Bit reichen aus, um 65.536 Werte speichern zu können. High-Resolution-Aufnahmen arbeiten dagegen mit 24 Bit oder 16, 7 Millionen Einzelschritten. Beim DSD-Verfahren, das Sony für die SACD entwickelt hat, verhält es sich anders. Allerdings spielt DSD im Studio keine große Rolle, weil sich damit nur maximal acht Tonspuren aufnehmen lassen. Die meisten Musikproduzenten verwenden deutlich mehr Kanäle und nutzen deshalb das traditionelle PCM-Format.

Ab 20 Bit Auflösung liegt das Rauschen in jedem Fall unter der Hörschwelle (nach R. Stuart).
Ab 20 Bit Auflösung liegt das Rauschen in jedem Fall unter der Hörschwelle (nach R. Stuart).

Vorteil von 24 Bit PCM: Die längeren Datenworte vergrößern den Dynamikumfang, also den Unterschied zwischen leisester und lautester Stelle im Musiksignal. Dem Hörer zu Hause bringt das zunächst einmal wenig. Er schöpft nicht einmal die Dynamik der Audio-CD (96 Dezibel) aus – weil Umweltgeräusche sonst leise Passagen übertönen würden oder die Musik durchgängig laut abgemischt ist, damit sie unterwegs im Autoradio gut klingt. Mit 24 Bit sind theoretisch 144 dB möglich. Das ist ein Pegelsprung, der Musikfans ertauben lassen lassen und ihre HiFi-Anlage zerstören würde, wenn es der Toningenieur darauf anlegt.

Im Studio schafft die zusätzliche Dynamik aber Sicherheitsreserven für Klangtüfteleien und Nachbearbeitung. Manche Prozessoren arbeiten intern mit 32 Bit, um digitale Berechnungen möglichst genau durchzuführen. Am Ende wird die sogenannte Bit-Tiefe dann wieder auf den gewünschten Wert heruntergerechnet. Geschieht das mit der nötigen Sorgfalt und mit dem richtigen Equipment, bleibt die Qualität der Aufnahme weitestgehend erhalten. Denn mit moderner Technik und ein paar Tricks wie gezielt eingesetztem Rauschen („Dithering“) reichen 16 Bit aus, um die volle Klangqualität rüberzubringen. Das haben mir auch Experten wie Lothar Kerestedijan vom Download-Portal highresaudio.com bestätigt, der mit High-Resolution-Dateien ja immerhin sein Geld verdient: „Bei guten Aufnahmen und optimalem Mastering liegen zwischen HighRes- und CD-Version keine Welten. Abhängig von der Wiedergabekette und dem Hörraum muss das Signal vom CD-Player dabei aber durch einen hochwertigen externen D/A Wandler laufen”. Günter Pauler geht noch weiter: „Ich wette mit jedem, dass er keinen Unterschied zwischen einem High-Resolution-Master und der daraus entstandenen CD-Version hört. Wenn es zu unterschiedlichen Hörergebnissen kommt, liegt es an der Qualität der verwendeten D/A-Wandler, keinesfalls am Format.“

Master-Frage: Klangtuning im Studio
Der häufigste Grund für Klangunterschiede, wie sie auch mir schon begegnet sind, dürfte deshalb im Mastering liegen. Dieser abschließende Prozess, mit dem ein Toningenieur die Aufnahme fixiert, besteht aus zwei Stufen: einem künstlerischen Teil (Pre-Mastering), in dem der Tonmix entsteht, und einem technischen Prozess, der die Musik auf einem Datenträger fürs Presswerk oder Download-Portal bringt. Das Pre-Mastering hat dabei entscheidenden Einfluss auf den Klang, weil der Tonmeister am Mischpult die Balance der Tonspuren ganz leicht verändern kann.

Ein gutes Beispiel dafür ist das Album „Brothers in Arms“ von den Dire Straits. Seit dem Erscheinen im Jahr 1985 ist die Platte immer wieder neu veröffentlicht worden: als Remaster (1995, 2000) und 20th Anniversary Edition (2005), als japanische Extended Resolution Compact Disc (2000), als audiophile MFSL-Pressung auf CD und SACD (2013) sowie als Super High Material CD/SACD (2014). Verschiedene Toningenieure haben Hand an das Werk gelegt und ihm ihren Stempel aufgedrückt. Das zeigt sich auch in Messwerten der Dynamic Range Database, die Musikfans aus aller Welt mit einem kostenlosen Programm der Pleasurize Music Foundation gesammelt haben: Die effektiv genutzte Dynamik zwischen Durchschnittspegel und Spitzenlautstärke variiert von 8 bis 16 Dezibel. Besonders laut ist die Jubiläumsedition von 2005 abgemischt. Mitten im sogenannten Loudness War („Lautheitskrieg“) versuchten die Macher offenbar auch den „Waffenbrüdern“ mehr Gehör zu verschaffen.

Ein Album, viele Versionen: „Brothers in Arms“ wurde mehrfach gemastert und veröffentlicht.
Ein Album, viele Versionen: „Brothers in Arms“ wurde mehrfach gemastert und veröffentlicht.

Wir erinnern uns: Für einen objektiven Klangvergleich sollten Musikquellen auf 0,2 Dezibel genau eingepegelt sein. Die Lautheit ein und desselben Albums kann je nach Mastering aber um ein Vielfaches davon abweichen. Dabei weiß kein Zuhörer, an welchen Reglern der Toningenieur für die jeweilige Version gedreht hat. Hörtests werden da schnell zur Geschmacksfrage – welche Abmischung einem am besten gefällt. Zumal es manche Sound-Gurus auch übertreiben: Digitalsignale mögen es bekanntlich nicht, wenn die Aussteuerung der 0dB-Marke zu nahe kommt und diese überschreitet. Heftige Verzerrungen sind dann die Folge, das sogenannte Clipping. Alben wie Metallicas „Death Magnetic“ (Universal, 2008) , das Remaster von „Search and Destroy“ mit Iggy Pop (Sony, 1997) oder auch manche Titel der „Toten Hosen“ sollen sich wegen massiven Clippings kaum unverzerrt abspielen lassen.

Bestätigen kann ich das nicht, weil meine musikalische Vorliebe eher leiseren Tönen gilt. Digitale Übersteuerung beeinträchtigt aber an vielen Stellen der Audiokette die Qualität. So verschlimmert das in Wiedergabegeräten verwendete Oversampling die Verzerrungen noch zusätzlich. Kommt ein verlustbehafteter Audio-Codec wie AAC oder MP3 zum Einsatz, fügt er unter Umständen Pegel hinzu, der hoch ausgesteuerte Signale vollends clippen lässt. Wohl auch deshalb hat Apple bereits vor einigen Jahren sein „Mastered for iTunes“-Programm ins Leben gerufen. Es hilft Musikproduzenten dabei, ihre eingereichten Audiodateien für den iTunes Store zu optimieren. Software-Tools vermeiden Clipping und geben dem Toningenieur einen Eindruck davon, wie seine Musik sich anhört, wenn Apples AAC-Encoder mit ihr fertig ist. Das Internet-Magazin Ars Technica hat die Tools zusammen mit Experten des renommierten Chicago Mastering Service ausprobiert und für gut befunden.

Billig-Produktionen: Kunst unter Kostendruck
Positiver Nebeneffekt des Programms: Mastered for iTunes verlangt von den Musiklieferanten qualitative Mindeststandards. Das scheint im Zeitalter von Homerecording und preiswerter Audiotechnik immer wichtiger zu werden. „Heute können Sie mit einem Aldi-PC und einer Blackbox High-Resolution Audio produzieren“, weiß Studio-Besitzer Günter Pauler. „Aber nur mit dem richtigen Equipment klingt das Ergebnis auch wirklich gut.“ Laut Branchen-Insider Lothar Kerestedijan, früher selbst als Manager der australischen Rockband INXS tätig, scheitert das häufig an den Kosten: „Viele Künstler können sich gut ausgestattete Tonstudios nicht mehr leisten. Die Labels investieren maximal zwei Tage für die Aufnahme, dann einen fürs Mischen und einen Tag Mastering. Nicht wie in den 80er-Jahren, als über Monate in vier bis fünf Studios auf mehreren Kontinenten mit verschieden Produzenten gearbeitet wurde. Heute gibt es zwar die beste Technik aber kein Budget und keine Zeit mehr“.

Der audiophile Ruf nach hochauflösenden Downloads zäumt das Pferd also von hinten auf. High-Resolution-Versionen klingen teilweise besser – oder sagen wir zumindest anders –, weil sie neu gemastert wurden. Gerade ältere CDs, die in den 80er- und frühen 90er-Jahren entstanden sind, als es noch keine so gute Studiotechnik gab, profitieren von der Überarbeitung. Der Kauf eines High-Resolution-Downloads kann sich somit durchaus lohnen. Klangunterschiede kommen dabei aber eher von Wandlern, Mischern und vom Talent des Toningenieurs, nicht von ein paar zusätzlichen Bits im Datenstrom. Schon gar nicht, wenn Plattenlabel – wie es auch passiert – eine 16 Bit /44,1 kHz-Aufnahme auf High-Resolution hochrechnen, um sie teurer verkaufen zu können.

In der langen Übertragungskette eines digitalen Audiosignals sind Bitzahl und Samplingfrequenz die am wenigsten limitierenden Faktoren. Andere Komponenten – vom Mikrofon im Studio oder Konzertsaal über das Mischpult und die Wandler-Elektronik bis hin zum Lautsprecher daheim – haben mehr Einfluss auf die Klangqualität. Es mag beruhigend für Käufer teurer Anlagen sein, dass ihr Equipment High-Resolution beherrscht. Aber irgendwie erinnert mich das Thema an die Anfänge digitaler Fotografie, als jede Knipse möglichst viele Megapixel haben musste. Bei Kameras hat sich inzwischen herumgesprochen, dass hohe Pixelzahlen kein Garant für hohe Bildqualität sind. Datengläubige Audiophile sind noch nicht so weit.

5 Gedanken zu „High-Resolution Audio: hörbar oder nicht?“

  1. 24-Bit macht sicherlich Sinn (mehr Dynamikumfang, der auf gutem Equipment auch hörbar sein sollte), aber sehr hohe Sampling-Raten (gerade 192khz) sind reine Geldmacherei. Wer glaubt, er könne diese Frequenzen hören, bildet sich was ein. Vinyl-Fetischisten glauben auch an die Überlegenheit ihrer Scheibe, dabei hören sie heute nur noch das gepresste CD-Master.
    Es hat einen Grund, dass manche Labels ihre Musikdownloads ausschließlich in der Kombi 24/44,1 und 24/48 anbieten. Schlussendlich bewirkt ein sehr gutes (und teures) Wiedergabegerät Wunder, ein Hi-Res-File eher weniger.

    1. 196khz ist nicht die gehörte Frequenz , es ist die Abtastrate , wie oft pro Sekunde das signal abgegriffen wird, je häufiger das passiert je „runder“ wird das bit Signal…

  2. Ich persönlich finde, dass sich der Unterschied in der Klangqualität sehr deutlich bemerkbar macht. Wenn man z. B. an Meridian Audio Produkte gewöhnt ist, fällt einem doch sofort die schlechtere Klangqualität von weniger High-End Produkten auf.

  3. Schade, dass so wenige Menschen richtig hören können. Ich erlebe Highresolution jeden Tag als akustische Offenbarung.

    1. Wie im Artikel beschrieben: Es gibt durchaus Klangunterschiede zwischen High-Res-Downloads und Dateien mit 16 Bit/44,1 kHz, nur kommen die nicht automatisch durch höhere Auflösung und Abtastfrequenz zustande.

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