Smart-TV: schwacher Standard HbbTV

HbbTV – oder in seiner Langversion „Hybrid Broadcast Broadband TV” – eilt von Erfolg zu Erfolg. Sämtliche großen TV-Kanäle bieten Onlineangebote im HbbTV-Format, egal ob Öffentlich-Rechtliche oder Privatsender. Und spätestens seit dem aktuellen Modelljahr rüsten fast alle TV-Hersteller zumindest ihre Oberklasse-Modelle mit HbbTV-Funktionen aus – mal abgesehen von Panasonic, wo man seit mehreren Jahren mit Viera Cast und mittlerweile Viera Connect recht erfolgreich ein eigenes Online-TV-System pflegt. Von Loewe und Philips über Samsung, Sharp und Sony bis Toshiba oder Technisat – das HbbTV-Logo schmückt die Ausstattungsliste fast aller übrigen Hersteller, und längst gibt es in der Branche Diskussionen darüber, das sperrige Kürzel schlicht in „Smart TV” umzubenennen.

HbbTV
„Hybrid Broadcast Broadband TV” bringt Internet-Dienste auf den Fernseher.

Doch ganz so smart ist HbbTV nicht. Denn nicht jedes Gerät mit dem HbbTV-Bäpper bringt die gleichen Onlinedienste auf den TV-Schirm. Der HbbTV-Standard, voriges Jahr eigens beim „European Telecommunication Standards Institute” angemeldet, legt keine gemeinsamen Serviceangebote fest. Beispiel RTL: Nur auf den HbbTV-fähigen HDTV-Receivern von Humax und Videoweb sind die Online-Videotext-Seiten und Mediatheken des Kölner Privatsenders zu sehen. Die Konkurrenz von ProSieben und Sat1 ist ebenfalls nicht überall präsent, doch immerhin zeigen Philips- und Technisat-Geräte diese Angebote größtenteils. Einzig die Dienste öffentlich-rechtlicher Sender wie Das Erste, ZDF, ARTE und der dritten Programme sind auf allen HbbTV-TVs zu sehen.

Die unterschiedliche Unterstützung der Dienste hat technische und politische Gründe. Der Maxdome-Kopierschutz etwa sei nicht Teil des HbbTV-Standards, sagt Philips-Produktmanager Volker Blume. Philips-TVs kennen ihn folglich nicht und zeigen diesen Teil der HbbTV-Angebote von Pro7 und Sat1 nicht. Die RTL-Seiten hingegen werden nicht von den Geräten ignoriert – RTL schaltet sie nur auf bestimmten Empfängern frei. „Die Privatsender fordern von uns Herstellern Dinge, die wir nicht einlösen wollen” sagt Frank Eschholz von Toshiba. Die Geräte seiner Company würden daher vorerst nur öffentlich rechtliche HbbTV-Seiten zeigen, da die Privatsender sehr genaue Vorschriften machten, wie die Inhalte auf dem TV-Schirm zu sehen sein sollen. Das betreffe zum Beispiel Einblendungen über dem laufenden Bild, die den Privaten ein Dorn im Auge seien. Dies sei für viele Hersteller nicht akzeptabel, so Eschholz. „Jeder Inhalteanbieter hat unterschiedliche Anforderungen an den Schutz seiner linearen und nicht-linearen Inhalte. Um den richtigen Umgang mit den Inhalten sicherzustellen, bedarf es daher bilateraler Vereinbarungen zwischen Content-Anbieter und Gerätehersteller“, sagt dagegen Sebastian Artymiak vom Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), der die Interessen von RTL, Pro7 und Konsorten vertritt.

Unterschiede gibt es auch in den Möglichkeiten, über HbbTV-Geräte Internetseiten aufzurufen. Technisat, Philips, Samsung oder Sony etwa integrieren Internet-Browser in ihre Geräte. Toshiba oder Videoweb dagegen nicht. Sie begründen dies mit einem möglichst übersichtlichen Portal und der Tatsache, das ein TV viele Internetseiten – etwa mit Flash-Videos – nicht fehlerfrei anzeigen könne. Das Institut für Rundfunktechnik (IRT) hat in der Entwicklung von HbbTV aber auch unabhängige HbbTV-Angebote vorgesehen, die man per Browser aufrufen und als Lesezeichen oder Apps auf dem TV speichern kann. Das klappt in der Praxis aber nur über einen Browser.

So mancher Hersteller hat indes gar kein gesteigertes Interesse an freien HbbTV-Angeboten: In fast allen Hybrid-TVs ist ein Portal der jeweiligen Marke eingebaut – von Philips „Net-TV“ über Toshiba „Places“ oder Sony „Bravia Internet Video“ bis hin zum „Smart Hub“ bei Samsung. Darin sind meist selektierte Webdienste wie Online-Videotheken, Nachrichtenportale, Internet-Bilderdienste oder Mediatheken erreichbar. Von den Portalen haben nicht nur die Zuschauer etwas, sondern auch die Hersteller: Sie verkaufen darin Werbebanner und prominente Platzierungen für Apps. Und sie lassen sich an den Erlösen, etwa in der Onlinevideothek beteiligen. Ein freier Zugang zu allen möglichen Webdiensten würde dieses Geschäftsmodell gefährden.

Beispiel Toshiba: Im geplanten TV-Portal Toshiba „Places“ will man dem Zuschauer ein „einfach verständliches Angebot“ bieten, in dem niemand umständlich Internetseiten über die Fernbedienung eintippen muss, sagt Frank Eschholz. Allerdings räumt er ein, dass Toshiba über Kooperationen auch die Kosten für die Entwicklung von Toshiba Places refinanzieren will. Philips integriert TV-gerechte Internetseite nach eigener Aussagen ohne finanzielle Beteiligungen in das Net-TV-Portal – nur eine Prüfung der Seite auf „Net-TV-Kompatibilität“ und ein Link-Vertrag seien dafür nötig, sagt Volker Blume. Unabhängige HbbTV-Angebote, die nicht im Portal verlinkt sind, lassen sich in Philips-Geräten im TV-Browser aufrufen, in das Portal kann man sie aber nicht integrieren. Genau das fordern aber das IRT und die öffentlich rechtlichen Sender: Einen offenen Markt für TV-Applikationen und unabhängige HbbTV-Seiten.

digitalzimmer.de meint: HbbTV an sich ist eine tolle Sache – die interaktiven Onlinedienste der Sender sind wirklich eine zeitgemäße Ablösung des guten alten Videotextes. Doch der hatte nicht deshalb zig Jahre lang Erfolg, weil er alle denkbaren Inhalte abdeckte – sondern, weil er auf jedem Gerät verlässlich und verständlich stets dieselben Informationen bot. Davon ist HbbTV noch weit entfernt – der neue Standard droht eher zwischen finanziellen Interessen, übertriebenen Copyright-Bedenken und vorauseilendem Gehorsam vor Werbekunden zerrieben zu werden. Dabei ist es dem Kunden am Ende egal, warum nicht überall, wo HbbTV draufsteht, die gleichen Online-Inhalte rauskommen. Dass es sich so verhält, ist aber alles andere als Smart-TV.