Das „Digitale Vergessen” bedroht all unsere Daten. Ein Kinofilm von 1920 oder die Schellackplatte aus Opas Mottenkiste sind heute noch abspielbar, moderne CD- oder DVD-Rohlinge aber geben schon nach wenigen Jahren den Geist auf. Auch von defekten Festplatten verschwinden nicht selten wertvolle Informationen im digitalen Nirvana. Die Firma Syylex aus Villingen-Schwenningen will dieses Problem lösen. Sie bietet eine „praktisch ewig“ haltbare Alternative an: die „GlassMasterDisc“, eine DVD aus bruchfestem Glas.
Die gläserne Scheibe soll wichtige Daten dauerhaft konservieren – und gegenüber anderen Archivierungsmöglichkeiten eine Reihe von Vorteilen haben. So sind Festplatten inzwischen zwar unschlagbar billig und bieten mit Kapazitäten im Terabyte-Bereich auch ein immenses Fassungsvermögen. Ob sie nach ein paar Jahren Lagerung noch einwandfrei laufen? Kann sein, muss aber nicht. Nebenbei: Fallen Sie einmal hart auf den Boden, sind sie meist nicht mehr zu gebrauchen. Magnetbänder halten lange – die Informationen von Ton- oder Videobändern aus der Anfangszeit der Technik sind immer noch lesbar. Aber: Es wird zunehmend schwieriger, noch passende und funktionierende Abspielgeräte zu finden. Das gilt besonders für Magnetband-Datenlaufwerke.
Bleiben die optischen Medien. Dank berührungsloser Abtastung unterliegen sie keinem Verschleiß, zumindest CD und DVD sind so weit verbreitet, dass auf absehbare Zeit kein Mangel an kompatiblen Laufwerken herrschen dürfte. Probleme bereiten jedoch die Discs: Industriell gepresste Scheiben sind recht haltbar – vorausgesetzt, bei Material und Produktion ging nichts schief. Schon in den frühen 1990ern, also gut zehn Jahre nach der Einführung der CD, berichteten Käufer von Auflösungserscheinungen ihres sicher geglaubten Musikarchivs. Allerdings wurden die Probleme schnell abgestellt – üblicherweise sollten die Medien ihre Käufer überleben. Anders sieht es bei beschreibbaren Discs aus. Mit „Archival-Grade“-Markenrohlingen oder der robusten DVD-RAM lässt sich das Risiko eines Datenverlusts zwar mindern, aber nicht ausschließen.
Hier setzt die Syylex-AG aus Villingen an: Für 150 Euro pro Stück sichert sie wertvolle Informationen auf ihrer speziellen „GlassMasterDisc“. Innerhalb einer Woche versprechen die Schwarzwälder, zugesandte Daten auf einer bruchfesten Glas-DVD an den Auftraggeber zurückzuschicken. Die Scheibe soll auf gängigen DVD-Laufwerken am PC ohne Murren abspielbar sein. Selber brennen lässt sie sich wegen des aufwändigen Produktionsverfahrens aber nicht. Am liebsten sind den Villingern DVDs als Vorlage, oder sogenannte ISO-Images von DVDs – also Eins-zu-Eins-Kopien von Discs – auf anderen Datenträgern. Beides kopieren die Mitarbeiter Bit für Bit auf ihre Glasrohlinge. Andere Speichermedien akzeptiert der Dienstleister ebenfalls – falls Daten dabei auf mehrere Discs aufgeteilt werden müssen, will Syylex fürs Sortieren der Bits und Bytes aber extra Geld. Was auf den Glas-Disc-Vorlagen drauf ist, interessiert das Unternehmen nicht – Vertraulichkeit sei beim Geschäft mit der Datensicherung die halbe Miete. Firmensprecher Hartmut Richter bietet besonders skeptischen Kunden an, sich vor Ort vom Datentransfer zu überzeugen.
Syylex hat nach eigenen Angaben seine Glas-Scheibe und die üblichen, kunststoffbasierten Rohlinge „erhöhter Temperatur und Feuchtigkeit ausgesetzt. Während alle Kunststoff-Discs nach vergleichweise kurzer Zeit alterten und unlesbar waren, konnten bei den Glas-Discs keine Veränderungen festgestellt werden.” Mit demselben Verfahren lassen sich auch Video-DVDs für die Ewigkeit erstellen – und damit zum Beispiel Camcorder-Aufnahmen der Kinder für die Nachwelt archivieren. Ob in Zukunft im Schwarzwald auch Blu-ray-kompatible Discs in Glas gegossen werden, ist noch nicht entschieden.
digitalzimmer.de meint: Die Syylex-Idee ist toll. Ihre Achillesferse: Die Discs lassen sich nur beim Anbieter mastern. Bei vertraulichen Daten sollten private wie Industriekunden zweimal überlegen, ob sie diese außer Haus geben wollen und dürfen. Zwar könnte man die Daten verschlüsseln – Syylex empfiehlt dies den Kunden auch. Dabei bleibt aber die Frage, ob sich auch in nur naher Zukunft noch Software und Betriebssystem nutzen lassen, um die Daten von der Scheibe wieder entschlüsseln zu können.
Update vom 3. Mai 2015: Syylex ist zahlungsunfähig. Laut Schwarzwälder Bote hat das Unternehmen Insolzvenzantrag gestellt. Die Zukunft der Firma ist ungewiss.