Das Unternehmen Huawei (sprich: Uah-wäi) war bislang eher Insidern als Netzausrüster und Anbieter von UMTS-Modems bekannt. Doch künftig wollen die Chinesen (wie der ebenfalls aus dem Reich der Mitte stammende Anbieter ZTE) in Europa den Handy-Markt erobern. Auf die Fachmesse „Mobile World Congress” in Barcelona haben sie deshalb einen besonderen Kracher mitgebracht: Das „Ascend D quad“ soll nach Herstelleraussage das derzeit schnellste Smartphone der Welt sein. Benchmark-Programme, mit denen sich die Arbeitsgeschwindigkeit testen lässt, geben den Huawei-Entwicklern Recht.
Möglich macht das ein mit 1,5 Gigahertz getakteter Vierkern-Prozessor. Im Fall von Huawei heißt er „K3V2” und vereint im wesentlichen auf einer Fläche von 12 x 12 Millimetern vier separate Chips vom Typ ARM Cortex A9. Aber auch viele andere Topmodelle aus dem Neuheiten-Reigen in Barcelona treten mit Quadcore-Prozessoren an. So steckt im HTC One X der von Nvidia entwickelte „Tegra 3“, ein Chipsatz, der vier Hauptkerne mit einem Zusatzkern kombiniert („4 plus 1“ – über Sinn und Zweck dieser Konstruktion gleich noch mehr). Auf denselben Chip setzen auch das ZTE-Spitzenmodell „Era“, das LG Optimus 4X HD und ein noch namenloses „Ultra-High-Spec“-Smartphone von Fujitsu. Der Vierkern-Prozessor „Snapdragon S4“ von Qualcomm wurde dagegen wohl erst so knapp vor der Messe fertig, dass ihn bislang nur wenige Endgerätehersteller verbauen konnten. Das Asus „Padfone“, ein Tablet mit Smartphone zum Andocken, ist einer der ersten Vertreter mit diesem Chip.
Mehr Leistung für HD-Videos und Spiele
Doch was soll das Ganze überhaupt? Wozu brauchen Mobiltelefone vier Prozessorkerne? Ziel ist – ähnlich wie im Computerbereich – eine höhere Rechenleistung: Smartphones bearbeiten Fotos und Videos, encodieren HD-Filme und sollen nicht zuletzt auch mit aufwändig 3D-animierten Spielen unterhalten. Da ist jedes Quäntchen Leistung grundsätzlich willkommen. Hinzu kommt, dass Mobiltelefon-Betriebssysteme wie Android, aber auch Windows Phone und iOS zunehmend auf Multitasking und im Hintergrund laufende Programme oder Prozesse setzen. Unabhängig von der gerade aktiv benutzten App sollen die Geräte gleichzeitig Up- und Downloads ausführen, ihren lokalen Speicherinhalt mit Cloud-Diensten synchronisieren sowie die geladenen Daten auf Viren und Schadsoftware scannen. Funkstandards wie UMTS und LTE setzen zudem darauf, dass jedes Endgerät „seine“ Datenpakete aus dem über mehrere Antennen („MIMO“) empfangenen Datenstrom herausfischt. Derlei parallel zu erledigende Aufgaben lassen sich gut auf mehrere Prozessorkerne verteilen.
Der Kehrseite der Medaille ist der Strombedarf: Vier unter Volllast laufende Rechenkerne verbrauchen vom Prinzip her doppelt soviel Energie wie ein Dual-Core-Prozessor. Doch was nützt ein Hochleistungs-Handy, dessen Akku schon nach zwei oder drei Stunden leergesaugt ist? Um dieses Dilemma zu lösen, haben die Chip-Hersteller ihren Vierzylinder-Boliden ausgefeilte Stromspar-Funktionen mitgegeben: So kann bei ARM und Qualcomm jeder Kern seine Leistung an den jeweiligen Bedarf anpassen und dynamisch zwischen Volllast (100 Prozent) und absoluter Abschaltung (0%) pendeln.
Hier findet sich auch die Erklärung für das „4 plus 1“-Konzept des Nvidia Tegra 3: Erkennt das Smartphone-Betriebssystem – bei den mit diesem Chip ausgestatteten Geräten handelt es sich überwiegend um Android – dass wenig Leistung benötigt wird, schaltet es die vier Hauptkerne des Prozessors aus und lagert die noch anfallenden Routineaufgaben in einen energieeffizienten und dafür weniger leistungsstarken „Companion Core“ (übersetzt etwa „Kumpel-Kern“) aus. Damit sollen auch Quad-Core-Smartphones mit einem Standardakku bei typischer Auslastung bis zu acht Stunden lang online sein können.
digitalzimmer.de meint: Trotz aller Stromspar-Tricks wirkt Quadcore-Leistung in Smartphones aus heutiger Sicht etwas übertrieben. Den Handy-Herstellern ging es bei der Vorstellung wohl auch darum, einen Technologie-Vorsprung vor dem Erzkonkurrenten Apple zu demonstrieren. Denn das aktuelle iPhone 4S benutzt noch einen Doppelkern-Prozessor. Damit den Muskelprotzen in der Westentasche nicht vorschnell der Saft ausgeht, muss ihr Betriebssystem die Leistung der vier Kerne optimal verwalten. Android wird dazu erst ab Version 4.0 („Ice Cream Sandwich“) in der Lage sein. Das jüngste Google-Betriebssystem ist also zwingende Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz der Quad-Core-Prozessoren. Welche Akku-Laufzeit dann möglich ist, müssen Tests der ersten Seriengeräte zeigen.