HbbTV-Innovationen: Second Screen und mehr

Der Smart-TV-Standard HbbTV (Hybrid broadcast broadband TV) etabliert sich langsam aber sicher. Fast alle TV-Sender haben inzwischen HbbTV-Seiten, die bislang eine Art multimedialer Nachfolger des Videotextes waren. Doch die Funktionen von HbbTV wachsen ständig – hier eine Auswahl aktueller Innovationen, die anlässlich der Medientage 2012 dieser Tage in München vorgeführt werden.

Das Tablet steuert die HbbTV-Mediathek
Der TV-Bildschirm zeigt die HbbTV-Seite der ARD-Mediathek, wie sie auf jedem Smart-TV per Fernbedienung mit dem roten Knopf aktivierbar ist – mit einem kleinen Unterschied. Die Demo-Mediathek des Institutes für Rundfunktechnik (IRT) hat einen zusätzlichen Menüpunkt: „Geräte verbinden”. Ruft man ihn auf, dann erscheint ein QR-Code auf dem Bildschirm. Dieser wird mit dem iPad der einem anderen Mobilgerät eingelesen. Kurz darauf erscheint im Webbrowser des Mobilgerätes und auf dem TV-Schirm jeweils ein grünes Häkchen mit der Meldung „Ihre Geräte sind jetzt verbunden”. Ein paar Sekunden später zeigen beide Bildschirme scheinbar identische Seiten: zweimal das Übersichtsmenü der ARD-Mediathek. Arbeitsteilung ist Trumpf bei dieser „Second Screen Steuerung”: Das Tablet übernimmt die Menüsteuerung per Fingertippen, zeigt Inhaltsangaben und Steuerelemente für die Videodarstellung, der TV den Videostream. Er bekommt über die Online-Kopplung den Wiedergabe- und andere Steuerungsbefehle quasi hinterrücks via Internet.

Was wie eine spezielle App für die Kontrolle der ARD-Mediathek aussieht, ist in Wahrheit ein universell einsetzbares Steuerungssystem für Smart-TVs. Egal ob Tablet, iPhone oder PC: Jeder Internet-Browser lässt sich über das System des IRT mit entsprechend ausgerüsteten HbbTV-Angeboten verbinden. Weder das TV-Gerät noch sein Partner-Device benötigen dafür spezielle besonderen Fähigkeiten, nur das HbbTV-Angebot muss für die Kopplung ausgelegt sein.

In einer zweiten Demo-Anwendung steuert das iPad die HbbTV-Seiten des Fernsehsenders des RBB. Dabei kann man auf dem TV und dem Tablet die jeweils gleichen Inhalte anschauen. Oder man schmökert ausschließlich auf dem Tablet in den HbbTV-Infos, während auf dem TV-Schirm das Fernsehprogramm in voller Größe läuft. Seiten, die vielleicht auch den Rest der vorm Fernseher versammelten Familie interessieren, lassen sich per Fingertippen auf den TV beamen – und nach der Lektüre auch wieder weg klicken. All das passiert ausschließlich über den Tablet-, Smartphone- oder PC-Browser. Das Institut für Rundfunktechnik in München (IRT) hat dieses System für die HbbTV-Steuerung entwickelt und erprobt es derzeit in Demo-Anwendungen. Gut möglich, dass es bald auch ins HbbTV-Angebot des einen oder anderen Senders integriert wird.

HbbTV findet Lokalsender
Bereits voll im Betrieb befindet sich eine HbbTV-Seite der besonderen Art: Das Lokal-TV-Portal bietet eine Übersicht über lokale private TV-Sender – derzeit für Bayern und Baden-Württemberg. Weitere Bundesländer sollen nach Aussage der Entwickler von der Bayerischen Medien Technik GmbH (BMT) folgen. Und so funktioniert das: Der Dienst besteht aus einem Satellitenkanal auf Astra (Transponder 11523, H, 22000 QPSK, TransponderID: 1021 ServiceID: 4690) sowie einer HbbTV-Anwendung, die auf passenden Geräten sofort nach dem Kanalaufruf automatisch startet. Nicht-HbbTV-Geräte zeigen auf dem Kanal Standbilder, welche die Funktion des Dienstes erklären. Die HbbTV-Seite verweist – nach Bundesländern sortiert – auf alle lokalen TV-Sender. Ruft man einen der Sender auf, dann schaltet der TV-Empfänger auf den jeweiligen Kanal um, sofern der gerade ein Programm ausstrahlt. Ist er inaktiv, was bei Lokalsendern recht häufig der Fall ist, dann zeigt die App die Sendezeiten des Kanals an. Laut Softwareingenieur und Mitentwickler Christian Krapp von BMT soll die HbbTV-App künftig um Streamingangebote erweitert werden, so dass sie dann in den Sendepausen etwa das zuletzt ausgestrahlte Programm zeigen kann – und sogar Online-Lokalkanäle, die gar nicht via Satellit auf Sendung sind.

HbbTV via Satellit
Satellitenbetreiber SES Astra hat kürzlich noch eine HbbTV-Variante ins Leben gerufen: Den Daten-Empfang via Satellit. Dabei werden die Basisinformationen eines HbbTV-Portals nicht wie üblich per Internet zum TV-Gerät übertragen, sondern zusammen mit dem TV-Signal via Satellit. So lassen sich alle Grund-Bestandteile des HbbTV-Portals auch auf Geräten sehen, die gar nicht mit dem Internet verbunden sind. SES Astra spricht dabei von einem „Datenkarussell” auf der Senderseite, das die Inhalte des jeweiligen HbbTV-Angebotes ständig wiederholt sendet – ähnlich dem bisherigen Videotext. Allerdings werden so nicht alle Daten und Funktionen übertragen. Videos und interaktive Elemente – etwas eine Suchfunktion – lassen sich nur mit einer echten Internetverbindung darstellen. Ersteres wegen der Datenmenge, Zweiteres wegen des notwendigen Daten-Rückkanals. SES Astra selbst hat die HbbTV-Ausstrahlung über ein Datenkarussell bislang bei Sport1 und Sport1 HD sowie den Shopping-Sendern HSE24 und Sonnenklar TV umgesetzt. Doch auch andere Sender nutzen diese Technik, um ihre HbbTV-Portale in einer Basisausführung via Satellit zu übertragen. Neuerdings übertragen zum Beispiel auch „Das Erste” und die meisten dritten Programme der ARD ihr HbbTV-Angebot via Satellit.

digitalzimmer.de meint: Es scheint, als würden sich HbbTV-Onlineangebote im TV-Gerät vollends etablieren. Fertig ist die Entwicklung damit aber längst nicht. Die vielen Innovationen in Smart-TV, Hybrid-Anwendungen, Second Screen und wie die Technologien alle heißen zeigen vor allem eines: Es gibt kein Patentrezept, um erfolgreiche Smart-TV-Angebote zu produzieren. Ein Online-Verzeichnisdienst für Spezialsender, die ansonsten im Wust der Satellitenkanäle untergehen, hilft einer begrenzten Zielgruppe ganz direkt im TV-Alltag; so können Smart-TV-Erfolgsmodelle aussehen. Onlineinhalte auf dem TV mit Tablets oder Smartphones zu steuern, ist ein vielversprechender Ansatz für all diejenigen, die während des Fernsehens tatsächlich auch einen zweiten Bildschirm nutzen wollen – allerdings müssen die Inhalte, die auf diese Weise gezeigt werden, wohl noch eher an das laufende TV-Programm angelehnt und beworben werden. Denn insgesamt krankt das System Smart-TV auch und vor allem an den Sendern selbst. ARD und ZDF etwa werben während ihrer Nachrichten für ihre konventionellen Webseiten tagesschau.de oder heute.de, statt die Zuschauer für aktuelle Hintergrundinfos gezielt in ihr HbbTV-Portal zu schicken.