TV-Markt: Kampf bis aufs Messer

Es ist ein Paukenschlag. Zum Jahresende 2011 will der niederländische Elektrokonzern Philips seine TV-Sparte ausgliedern. Auf den ersten Blick ein überraschender Schritt: Die Marke ist bei Kunden und Händlern wohlgelitten, Philips steht auf dem europäischen und asiatischen Markt mit Ausnahme Japans gut da. Immer wieder nahmen die Niederländer der Konkurrenz die Wurst vom Brot. Stichworte: Ambilight, Digital Natural Motion, Pixel Plus. Dass die Holländer in der Heimat der meisten ihrer Konkurrenten, Japan, nie einen Stich landen konnten – geschenkt. Hier wäre ein hoher Marktanteil zwar gut fürs Prestige – absolut betrachtet, ist der Markt des Inselreichs aber überschaubar; der Aufwand für die Anpassung an kulturelle und technische Besonderheiten Nippons hätte sich nur schwer einspielen lassen.

Montageband des taiwanesischen Herstellers und Auftragfertigers TPV (Bild: TPV)
Montageband des taiwanesischen Herstellers und Auftragfertigers TPV (Bild: TPV)

Gravierender wiegen andere Fehler der Vergangenheit: In den USA, lange einer der größten TV-Märkte der Welt, vertrödelte man mit unklarer Strategie kostbare Zeit. Unterhaltungselektronik wurde mal als Magnavox, mal als Philips, mal als Philips-Magnavox angeboten, Rasierer unter Norelco, Norelco-Philips und jetzt Philips-Norelco. Hinter welcher Marke sich die Niederländer verbargen, wussten die US-Kunden nie so genau. 2006 wurde das Philips-Hauptquartier in Atlanta (Bundesstaat Georgia) geschlossen, zogen die verbliebenen Mitarbeiter an andere, kleinere Standorte um. Ein Gutteil der unter „Philips” in den USA angebotenen Unterhaltungselektronik kommt seitdem von Funai.

Die Konzentration ist in vollem Gange
Europa allein kann im immer härteren Konkurrenzkampf selbst in einem großen Konzern wie Philips nicht genug Gewinn erlösen. Die TV-Sparte der Niederländer wird nun in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem taiwanesischen Hersteller und Auftragsfertiger TPV ausgegliedert. Auf den TVs wird auch zukünftig Philips stehen, die gesamte Philips-Entwicklung soll für die neue Firma arbeiten – trotzdem sind die Niederländer in der neuen Firma nur Juniorpartner mit einem Anteil von 30 Prozent. Insider wissen: TPV und Philips – das ist keine neue Liaison. Der enorme Preisdruck bei Computermonitoren verdarb schon vielen Firmen den Spaß an dem Geschäft. Für diese Sparte erwarb TPV im Jahr 2008 die Rechte am Namen der Niederländer. Auf PC-Bildschirmen, die den Namen Philips tragen, ist nun TPV drin. Auch, wenn die Monitore auf der Philips-Webseite präsentiert werden: Formal hat Philips mit diesen Produkten nichts zu tun, sondern nur TPV. Wenn der TV-Handel, wie geplant, bis Ende 2010 in trockenen Tüchern ist, ist die Fernsehersparte nicht mehr Teil der Philips-Unterhaltungselektronik, sondern gehört der neuen Gemeinschaftsfirma namens Philips-TPV.

Philips-Sprecher Georg Wilde sieht in der neuen Konstruktion Vorteile. „Wir stellen das TV-Geschäft auf eigene Füße. Philips bringt in die neue Firma seine Innovationskraft und die starke Marke ein, TPV seine beeindruckende industrielle Basis, vergleichbar mit der großer Wettbewerber. Die neue Firma kann deshalb schneller mit Produkten am Markt sein und in rentablen Stückzahlen produzieren. Für den Kunden ist wichtig: Er bekommt weiterhin die Fernseher von Philips, die er kennt und schätzt.”

Mit Fernsehern kaum Geld zu verdienen
Doch das Geschäft wird schwierig bleiben. Mehr oder weniger deutlich räumen die Sprecher großer TV-Anbieter ein, mit dieser Produktkategorie kein Geld zu verdienen. Man bleibt im Geschäft, weil man den Bildschirm immer noch als Türöffner für andere Produkte der Marke sieht und mittelfristig hofft, mit Diensten wie elektronischen Videotheken Geld verdienen zu können. Dass mit den derzeitigen TV-Marktpreisen kein Gewinn zu machen ist – daran geben die Mitarbeiter vieler Hersteller im privaten Gespräch den koreanischen Anbietern die Schuld. Allein: Vor rund 30 Jahren machten es die japanischen Firmen auf den europäischen Märkten und in den USA ebenso.

Marcos Pérez Herrera, bei Samsung in Schwalbach Leitender Marketingmanager für den TV-Bereich, kennt das Geschimpfe. „Samsung ist nicht nur aufgrund seiner verbraucherfreundlichen Preisgestaltung Weltmarktführer im TV-Bereich. Aus unserer Sicht lassen sich über niedrige Preise lediglich Marktanteile im unteren Preissegment gewinnen. Jedoch konnte Samsung insbesondere im gehobenen Preissegment seinen Marktanteil deutlich ausbauen.” Trotzdem machte auch Samsungs Bereich „Digital Media & Appliances“, zu dem die Fernseher gehören, im letzten Quartal 2010 Miese. Im ersten Quartal 2011 erwirtschafteten die Koreaner bei 13,52 Billionen Won (rund 8,7 Milliarden Euro) Umsatz einen Gewinn von 0,1 Billionen Won (etwa 64 Millionen Euro). Der absolute Betrag liest sich zwar respektabel, bezogen auf den Umsatz ist er aber mit weniger als einem Prozent eher kläglich.

Nur wenige Hersteller machen noch alles selbst
Folglich rationalisieren die verbliebenen Anbieter auf Teufel komm raus. Sony etwa hat in Europa keine Fernseherfabriken mehr – diesen Job übernehmen Auftragsfertiger, ähnlich wie bei fast allen Notebookmarken. Toshiba hat zwar noch eine eigene TV-Produktion, sich aus dem Bildschirmgeschäft aber verabschiedet. Panasonic macht alles selbst – sowohl Plasma- wie LCD-Panels und den Bau der Geräte. Das tun sonst nur noch LG und Sharp. Samsung und Sony beziehen ein Gutteil ihrer Bildschirme aus einer Gemeinschaftsfabrik namens SLCD. Andere Firmen – auch Philips – kaufen je nach gewünschter Qualität und angepeiltem Endpreis bei den unterschiedlichsten Zulieferern ein – viele davon sind den TV-Endkunden völlig unbekannt.

Wie geht es in dem hart umkämpften Markt weiter? Schon Ende der 1990er erwarteten Marktexperten eine Konzentration auf fünf Anbieter: Panasonic, Philips, Samsung, Sony und Thomson. Mit Thomson lagen sie daneben – der ehemalige französische Staatskonzern hat sein TV-Geschäft lange verkauft. Wie die Entwicklung bei Philips verläuft, muss die Zukunft zeigen. Die neue Firma bringt den Produktentwicklern tatsächlich mehr Flexibilität. Aber am Ende des Tages muss auch Philips-TPV Geld verdienen. Und chinesische wie taiwanesische Anbieter scharren immer vernehmlicher mit den Hufen – Firmen wie Changhong oder HannSpree setzen ihre Füße auf den europäischen Markt.

digitalzimmer.de meint: Der technische Fortschritt spielt den neuen chinesischen TV-Herstellern in die Hände. Früher zeichneten sich TVs der sogenannten A-Marken – also der Marktführer – durch ihre Kunst aus, auch Analog-TV und die Bilder vom VHS-Recorder auf dem Flachbildschirm gut darstellen zu können. Mit fortschreitender Digitalisierung und dem Umstieg auf HD steigt die Signalqualität, ist diese Kunst immer weniger gefragt. Der Umgang mit möglichst vielen Multimediaformaten dürfte für Fernseher aus dem Reich der Mitte ebenso beherrschbar sein. Zuverlässige Partner für Online-Dienste wie Video-on-Demand (VOD) zu finden, ist da schon schwieriger – und auch 3D ohne Brille oder die mittelfristig zu erwartenden OLED-Bildschirme wird es auf absehbare Zeit nicht von chinesischen Anbietern geben. Trotzdem behalten die etablierten Hersteller ihre neue Fernost-Konkurrenz im Auge. Die Japaner und Koreaner wurden zu Beginn ihrer Karriere im Rest der Welt unterschätzt. Diesen Fehler will wohl keiner der jetzigen Platzhirsche noch einmal machen.