iPhone liefert Produktinfos für Sehbehinderte

Das Mobiltelefon als Einkaufsberater: Mit Apps wie Barcoo oder FoodCheck können sich ernährungsbewusste Konsumenten über die Zusammensetzung von Lebensmitteln informieren. Sie scannen dazu mit der Handy-Kamera den schwarzweißen Balkencode (EAN-Code) auf der Verpackung ein und bekommen übers Internet Informationen angezeigt – zum Fett-, Eiweiß- und Kaloriengehalt, über Inhaltsstoffe und Zutaten, die womöglich Allergien auslösen können.

Die iPhone-App „Codecheck” soll den Nutzer sprachgesteuert ans Ziel leiten. (Bild: Hersteller)
Die iPhone-App „Codecheck” soll den Nutzer sprachgesteuert ans Ziel leiten. (Bild: Hersteller)

Die iPhone-App Codecheck bietet diesen Service nun auch für Sehbehinderte und Blinde an. Das jüngste Programm-Update (Version 1.3) enthält eine Funktion namens „ScanGuide”, die den Nutzer beim Einlesen des Strichcodes mit Sprachkommandos unterstützt. Menschen mit Sehschwäche sollen damit den Scanner bedienen können, ohne zu wissen, wo auf der Verpackung sich der EAN-Code befindet. Ein Suchalgorithmus tastet nach dem Zufallsprinzip das Livebild der Kamera ab und hält nach dem typischen Balkenmuster Ausschau. Entdeckt die App einen Code im Blickfeld des iPhones, gibt sie mit einer Frauenstimme Anweisungen aus. Kommandos wie „Produkt nach unten”, „links” oder „rauf” helfen dabei, den Code zum Abtastfeld in der Mitte des Bildschirms zu bugsieren, wo er vom Programm gelesen werden kann.

Nach den Erfahrungen von digitalzimmer.de bedarf es jedoch einiger Übung, bis so ein Scan gelingt. Da die Computerstimme oft keinen ganzen Satz, sondern nur eine Richtung ansagt (etwa „rauf”), rätseln Neulinge, ob sie nun die Kamera oder die Verpackung bewegen sollen. Weiterer Kritikpunkt: Der ScanGuide leitet den Nutzer nicht komplett bis ans Ziel. Er hilft lediglich beim Scannen des Codes. Um die Ergebnisse der Internet-Recherche vorgelesen zu bekommen, muss zusätzlich die „VoiceOver”-Funktion am iPhone aktiviert sein. Diese kommt aber mit den Daten von Codecheck nur schlecht zurecht. So setzt sie die Fett-, Zucker- und Salzangaben der dreifarbigen Lebensmittelampel nicht in gesprochenen Text um.

Auf der Detailseite zum Produkt müssen klein geschriebene Zeilen einzeln angetippt werden. Ja schlimmer noch: In Nährwert-Tabellen interpretiert VoiceOver jede Spalte als eigenen Textblock. Es reicht also nicht, auf „Eiweiß/Proteine” zu tippen, um den korrekten Wert einer Nussnougatcreme zu erfahren. Erst ein Tipp auf „6,6 Gramm” liest diese Information auch vor. Wer in der Zeile verrutscht, bekommt stattdessen die 56,8 Gramm der Kohlehydrat-Angabe angesagt. Eine Bedienungsanleitung ist zwar vorhanden, lässt sich in VoiceOver aber auch nur zeilenweise abrufen, weil das Textfeld für die Vorlesefunktion von Apple offenbar falsch formatiert ist. Es gibt also viel Potential für Verbesserungen.

digitalzimmer.de meint: Einkaufen mit Sprachnavigation – das hört sich gut an, ist in der Praxis aber keine große Hilfe. Wie sollen Menschen mit starker Sehbehinderung die Nährwertangaben am Display antippen, wenn sie schon Sprachkommandos benötigen, um den EAN-Code auf der Verpackung zu finden? Dass die ScanGuide-Funktion obendrein kostenpflichtig ist und in der Codecheck-App nach fünf Gratis-Versuchen für 24,99 Euro aktiviert werden muss, klingt da schon fast wie ein schlechter Scherz.