CEC IP: Warum das Smarthome noch einen Standard braucht. ©digitalzimmer

CEC IP: Dieser Standard fehlt im Smarthome

Einige Leser werden jetzt denken: „Oh nein, nicht noch ein Standard”. Im Smarthome gibt es schon so viele davon: Z-Wave, Zigbee, HomeKit, KNX und wie sie alle heißen. Allerdings schaffen sie es nicht, eine vernünftige Kommunikation zwischen den Geräten herzustellen. Und zwar über alle Herstellergrenzen hinweg. Jeder Standard für sich bildet eine Insel, die nur mit Brücken-Technologien erreichbar ist – wenn überhaupt. In der Unterhaltungselektronik wäre so etwas undenkbar. Man stelle sich vor, ein Fernseher des Herstellers A steuerte die Wiedergabe am Blu-ray-Player von Marke B nur dann, wenn eine Bridge dazwischen geschaltet ist.

Die CE-Branche hat solchen Blödsinn zum Glück unterlassen. Ihre Kunden waren kompatible Anschlüsse ja auch gewohnt. Anders als Computer-Nutzer, bei denen „Plug and Play“ als besonderes Feature gilt und es häufig eine Trennung zwischen dem eigentlichen Anschluss und den darauf verwendeten Datenprotokollen gibt. Deshalb genieße ich den abendlichen Druck auf die TV-Fernbedienung besonders. Der Infrarot-Sender schaltet mit einer Taste den Fernseher und gleichzeitig die Surround-Anlage ein. Beim Start einer Blu-ray-Disc wechselt automatisch der HDMI-Eingang. Angeschlossene Geräte regeln ohne zu Murren die Lautstärke am AV-Receiver. Und vorm Schlafengehen genügt ein Standby-Befehl, um alle gemeinsam in den Tiefschlaf zu schicken.

„Geräte der Unterhaltungselektronik haben Smarthome-Produkten etwas voraus: einfache Verständigung,“

Das alles funktioniert so selbstverständlich, dass wir kaum noch darüber nachdenken. Im Unterschied zum Smarthome muss niemand Regeln programmieren oder Software auf einer Zentrale installieren. Geräte der Unterhaltungselektronik verstehen sich von selbst. Sie verdanken dieses Talent einer Technologie namens CEC. 

HDMI-Geräte tauschen über den Bild- und Tonanschluss auch Steuerbefehle aus. ©digitalzimmer
HDMI-Geräte tauschen über den Bild- und Tonanschluss auch Steuerbefehle aus.

Consumer Electronics Control gehört zum HDMI-Standard. Jedes Gerät mit High Definition Multimedia Interface kann über den Bild- und Tonanschluss auch Steuerinformationen austauschen. Der Befehlssatz ist festgelegt. So entsteht eine Art Kabel-Fernbedienung über Herstellergrenzen hinweg. Zugegebenermaßen war das nicht immer so. Eigentlich ist CEC erst seit HDMI-Version 1.3 so richtig zu gebrauchen. Aber dieses frühe Stadium des Anschlusses kam vor mehr als zehn Jahren auf den Markt. In Kürze sind wir bei Version 2.1.

Im Smarthome fehlt so ein verbindendes Element bis heute. Zwar nutzen viele Systeme eine standardisierte Schnittstelle: das Internet-Protokoll TCP/IP. Spätestens beim Anschluss an den Router kommt es zum Einsatz. Doch welche Informationen per WLAN oder LAN-Kabel übertragen werden, bleibt dem Anbieter überlassen. An AV-Geräten führt das teilweise zu grotesken Situationen. So gehorchen Receiver, Stream-Player und Fernseher via HDMI-Buchse bereitwillig den CEC-Befehlen anderer Marken. Über den ebenfalls vorhandenen Netzwerk-Anschluss sind sie dagegen wählerisch: Eingang wechseln, Quelle wählen oder die Lautstärke regeln klappt meist nur mit der App des Herstellers. Eine Steuerung von Geräten anderer Marken findet via TCP/IP nicht statt.

„AV-Geräte übers Netzwerk fernbedienen – am besten mit einem  Smarthome-System. Das wär’s.“

Der Standard dafür – nennen wir ihn CEC IP – müsste erst noch erfunden werden. Aber wenn sich schon die Unterhaltungselektronik im IP-Netzwerk so uneins ist, wie soll da erst das Zusammenspiel mit anderen Gerätegattungen funktionieren? Anwendungsmöglichkeiten gäbe es zur Genüge. Eine Smarthome-Regel, die morgens der HiFi-Anlage Weckmusik entlockt – obwohl am Abend Hardrock gespielt wurde? Her damit. Automatisch den TV-Ton leiser drehen, wenn es an der Tür klingelt? Schöne Idee. Nur leider fehlt es an einsatzbereiten Lösungen für solche Aufgaben.

Mit entsprechendem Aufwand geht es natürlich trotzdem. Eine ganze Dienstleistungsbranche hat sich der Erfüllung solcher Wünsche verschrieben. Die sogenannten Installer planen und montieren professionelle Haussteuerungssysteme wie Control 4, Crestron oder KNX. Ein IP-Gateway hier, ein Script oder zusätzlicher Programmcode da, und schon funktioniert die Sache. Wenn es günstiger sein soll, kommt auch mal Z-Wave oder ein anderer Funkstandard zum Einsatz. Webseiten wie Das intelligente Haus helfen bei der Vermittlung von Experten.

Wer lieber selbst Hand anlegt, kann sich die elektrische Eisenbahn als Hobby sparen. Planung und Einrichtung eines Smart Home nehmen kaum weniger Zeit in Anspruch. Neueinsteiger kaufen vielleicht einen Harmony Hub. Die Steuerzentrale von Logitech kontrolliert neben Hunderttausenden von Entertainment-Geräten auch Lampen, Steckdosen und mehr. Allerdings ersetzt sie keine Gebäudeautomatisierung. Diesen Part spielt Qivicon besser. Über die Plattform der Telekom lässt sich beispielsweise ein Sonos-System in Grundzügen fernbedienen. Von echter Kontrolle kann aber trotzdem nicht die Rede sein. Viel mehr als Play, Pause und Titelsprung geht nicht. Grund: Die Programmierschnittstelle (Application Programming Interface, API) von Sonos bietet keinen Zugriff auf Playlisten oder die Lautsprecher-Gruppierung. Sie arbeitet nur mit der aktuellen Musikauswahl am System.

Die Wiedergabesteuerung im Smarthome-System bietet nur wenig Funktionen. ©digitalzimmer
Die Sonos-Steuerung im Smarthome-System der Telekom ist recht eingeschränkt.

So ist das nun mal mit Programmierschnittstellen. Jedes Produkt hat seine eigene. Wenn es überhaupt eine gibt – und wenn der Hersteller sie für andere Entwickler freigegeben hat. Das kommt nur alle Jubeljahre vor, weil die Öffnung des Systems auch Risiken birgt. Steuerprobleme, die durch fehlerhafte Programmierung entstehen, fallen allzu leicht auf das Gerät zurück, bei dem sie auftreten. Auch wenn die Ursache vielleicht ganz woanders liegt.

„Mit CEC-Funktionen im heimischen Netzwerk müsste nicht jeder Hersteller das Rad neu erfinden.“

Ein einheitlicher IP-Befehlssatz würde vieles einfacher machen. Wenn standardisierte Kommandos im Netzwerk zur Verfügung stehen, muss nicht jeder Hersteller das Rad neu erfinden. AV-Geräte könnten zum Beispiel ihre gespeicherten Sender oder Playlisten an andere Teilnehmer im Netzwerk übermitteln. „Preset Transfer“ heißt das im CEC-Jargon. Eine Smarthome-Zentrale wäre in der Lage, Wiedergabefunktionen auf dem Fernseher oder der Musikanlage zu steuern („Deck Control“). Im Notfall könnte sie die Lautsprecher auch komplett übernehmen, um Alarm auszulösen oder Warnmeldungen abzuspielen  („One Touch Play“).

Ein schöner Traum, der allerdings nur in Erfüllung geht, wenn sich möglichst viele Hersteller zusammentun. Das halte ich für nicht sehr wahrscheinlich. HDMI/CEC wurde von einem Firmenkonsortium geschaffen. Unternehmen wie Panasonic, Philips, Sony und Toshiba haben den digitalen Anschluss gemeinsam aus der Taufe gehoben. Um den Erfolg zu wiederholen, bräuchte die IP-Variante zusätzliche Unterstützung aus anderen Bereichen. Idealerweise von Firmen, die mit einem Bein im Smarthome-Markt stehen. Ich denke da an Samsung (SmartThings) oder die Deutsche Telekom (Qivicon). Dann geht es darum, möglichst viele Anbieter von der Wichtigkeit so eines Standards zu überzeugen. Denn an der Steuerung über den IP-Anschluss führt langfristig kein Weg vorbei. Sie kommt, ob sich die Hersteller nun abzuschotten versuchen oder nicht.

Wenn sie nicht selbst die Initiative ergreifen, werden es andere tun. Amazon hat mit Alexa bereits eine universelle Plattform geschaffen. Die Sprachassistentin kontrolliert immer mehr Geräte – und mit jedem Alexa-Skill steigt der Druck auf die übrigen Hersteller mitzumachen. Google Assistant und Apple Siri verfolgen dasselbe Ziel. Dass dabei alle Befehle zur Lampenschaltung und Heizungssteuerung übers Internet laufen, ist vielen Nutzern nicht bewusst. Oder sie nehmen es billigend in Kauf. Denn eine unkomplizierte Alternative fürs heimische Netzwerk gibt es bislang nicht. Sie würde einen herstellerübergreifenden Standard verlangen. So etwas wie CEC IP.

1 Gedanke zu „CEC IP: Dieser Standard fehlt im Smarthome“

  1. Du schreibst mir aus der Seele!
    Es nervt extrem, dass kaum etwas sauber und einfach zusammen funktioniert.
    Denon wollte für HEOS ja eigentlich eine KNX Schnittstelle anbieten. Leider bis heute nichts passiert. Dann könnte man immerhin dieses System ordentlich bedienen.
    Bei mir steht bald eine Renovierung an und ich finde es wirklich schwer mich für bestimmte Produkte zu entscheiden. Im Moment wirkt vieles noch irgendwie unfertig.
    Fest steht allerdings KNX als Hauptsystem. Dazu gibt es meiner Meinung nach keine Alternative. Wäre halt schön, wenn sich damit noch mehr nativ steuern lassen würde.
    Grüße Jonas

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