High Dynamic Range (HDR) – der Turbo für UHD-TVs

Das Innovationskarussel der TV-Hersteller geht in die nächste Runde. Nach 3D, UHD und Curved wird dieses Jahr ein neues Thema die Produktvorstellungen bestimmen: High Dynamic Range, besser bekannt als HDR. Unter dieser Abkürzung begegnet der „Hohe Kontrastumfang“ Fotografen schon länger – in Smartphones genauso wie in Spiegelreflexkameras. Sogenannte HDR-Aufnahmen versuchen das leidige Problem der Über- und Unterbelichtung in den Griff zu bekommen. Denn mit traditioneller Technik muss sich der Kameramann entscheiden, welchen Bildbereich er korrekt belichtet haben möchte: Bei einer Innenaufnahme durchs Fenster nach Draußen etwa bleicht wahlweise der Himmel aus oder die dunkeln Details im Raum „saufen ab“ bis zur Unkenntlichkeit.

Helligkeitsvergleich eines HDR-Bildschirms (links) mit einem konventionellen Studiomonitor von Dolby.
Vergleich eines HDR-Bildschirms (links) mit einem konventionellen Studiomonitor von Dolby.

Moderne Kameras können bereits einen größeren Kontrastumfang aufnehmen als gedruckte Fotos oder Computerbildschirme wiedergeben. Das weiß jeder, der im RAW-Format fotografiert und die Dateien schon einmal in einem Bildbearbeitungsprogramm wie Photoshop geöffnet hat. Dort lassen sich aus scheinbar über- oder unterbelichteten Bildbereichen noch eine Menge Details „herauskitzeln“. Werden Belichtungsreihen aus unterschiedlich hellen Aufnahmen in einem Foto kombiniert, kann der Effekt im Extremfall sogar unnatürlich wirken. Das liegt dann daran, dass ein Druck oder Monitor eben nicht so große Helligkeitsunterschiede darstellt, wie sie das Auge gewöhnt ist. Die Natur wird zur Darstellung auf die technischen Möglichkeiten des Mediums heruntergerechnet.

Das trifft auch auf das Fernsehen zu. Die Normen für Farb- und Helligkeitswiedergabe stammen noch aus der Zeit der Bildröhren. Inzwischen werden aber selbst Filme im RAW-Format gedreht und Fernsehbilder könnten viel leuchtender und farbintensiver sein als es die bisherige Technik zulässt. Hier wittern viele TV-Hersteller ein Geschäft. Denn anders als die Innovationen vergangener Jahre bringt HDR auf Anhieb einen Vorteil. Der Qualitätsunterschied ist aus jeder Entfernung zu sehen, nicht nur wenn die Bildschirme sehr groß oder die Betrachtungsabstände gering sind. Er funktioniert mit jeder Auflösung, nicht nur in Ultra HD, wenngleich die Hersteller HDR wohl nur in Topmodellen mit UHD anbieten werden. Der Zuschauer braucht keine Brille wie bei 3D und es gibt auch keine Doppelkonturen, die Kopfschmerzen bereiten könnten. Während der letzten IFA konnte ich mich in einer Vorführung von Dolby selbst davon überzeugen. Die Bilder sehen natürlicher aus, Lichtreflexe auf Metalloberflächen strahlen, ein Sonnenuntergang wärmt schon beinahe die Haut und die typischen Lensflare-Effekte von Filmemacher von J.J. Abrams („Star Trek – Into Darkness“) nerven endlich so, wie es der Regisseur wohl beabsichtigt hat. Oder um im Beispiel von vorhin zu bleiben: Beim Blick aus einem Innenraum durchs Fenster sind Drinnen und Draußen alle Details zu erkennen.

Dolby Vision: mehr Kontrast, Helligkeit und Farbe

Die Dolby Laboratories aus San Francisco möchten bei der Wiedergabe solcher Programme eine wichtige Rolle spielen. Nach dem Muster von Surround-Systemen wie Dolby Digital oder Dolby TrueHD haben sie ein Verfahren entwickelt, das die komplette Übertragungskette umfasst: Dolby Vision. Es soll gewährleisten, dass die Bilder zu Hause möglichst genauso aussehen wie bei der Komposition im Studio. Dabei steigert Dolby Vision sowohl die Zahl der übertragbaren Farben als auch die Helligkeit und den Kontrastumfang. Das System geht über reines HDR also noch hinaus. Die zusätzlichen Bildinformationen werden huckepack auf dem normalen Videosignal übertragen, was den Vorteil hat, dass Fernseher ohne Dolby Vision das gewohnte Bild zeigen. Geräte, die Dolby zertifiziert hat, werten die zusätzlichen Daten aus und reproduzieren den im Studio gewollten Effekt. Dabei interpretiert jedes TV-Modell die Metadaten so, wie es für seine Bildschirmtechnik am besten ist. Auch Geräte, die nicht ganz os viele Farben oder Helligkeit darstellen können, sollen damit dem Ideal möglichst nahe kommen.

Soweit die Theorie. Denn in der Praxis verlangt das bessere Bild einigen technischen Aufwand. Um den hohen Kontrastumfang darstellen zu können, sind hellere Bildschirme nötig als heute üblich. Das Maß dafür heißt Leuchtdichte oder Candela pro Quadratmeter (cd/m2), in den USA auch Nits genannt. Dolby selbst führt gerne mit Studiomonitoren vor, die eine Leuchtdichte von 4000 Nits haben – und flüssig gekühlt werden müssen, weil ihre Energieaufnahme von mehreren Kilowatt extreme Abwärme erzeugt. Das ist im Heimkino natürlich undenkbar. Aber 700 bis 1000 Candela pro Quadratmeter dürfen es schon sein, um einen Unterschied zu sehen. Zum Vergleich: Normale Fernseher haben etwa 300 bis 500 cd/m2. Höhere Leuchtdichten lassen sich mit neuen Technologien wie verbessertem LED-Phosphor und Nanopartikeln erreichen. Letztere, die so genannten Quantum Dots, kommen bereits in Sonys Triluminos-Fernsehern zum Einsatz und werden künftig auch bei LG, Samsung und Sharp zu finden sein. Sie erlauben den Bau hellerer Displays, ohne den Stromverbrauch dramatisch steigen zu lassen.

Roland Vlaicu von Dolby präsentiert die Bildverbesserung Dolby Vision. © digitalzimmer.de
Roland Vlaicu von Dolby präsentiert die Bildverbesserung Dolby Vision. © digitalzimmer.de

Doch Helligkeit alleine reicht noch nicht für hohen Kontrastumfang. Die Bilder können damit bleich und ausgewaschen wirken. Zum blendenden Weiß muss auch ein tiefes Schwarz kommen. Für OLED-Fernseher kein Problem, da die neue Bildschirmtechnologie mit ihren selbstleuchtenden Pixeln von Haus exzellente Kontrastwerte liefert. Etwas anders sieht es bei der verbreiteten LCD-Technik aus. Hier kommt es auf die Hintergrundbeleuchtung an: Nur Modelle mit Direct- oder Full-LED-Backlight können Bildbereiche gezielt aufhellen oder abdunkeln, etwa um einen Vollmond auf pechschwarzem Sternenhimmel darzustellen (mehr dazu im Video „Fernseher mit LED-Backlight”). Sitzen die Leuchtdioden dagegen im Rand (Edge-LED), leuchten sie den Hintergrund eher flächig aus und zu viel Licht lässt schwarze Flächen grau erscheinen. Viele neue HDR-Fernseher, die auf der CES vorgestellt wurden, arbeiten deshalb mit Direct-LED-Backlight. Zu erkennen sind sie meist an ihrem dickeren Gehäuse, weil Leuchtdioden hinterm Bildschirm mehr Platz beanspruchen als eine Edge-Anordnung.

Samsung nennt die Geräte SUHD-TV

Samsung gehört zu den ersten Herstellern, die Hochkontrast-Fernseher in Deutschland einführen. Die HDR-Modelle der Serien 8 und 9 sollen ab Mitte März 2015 in den Handel kommen und sind an der Bezeichnung SUHD zu erkennen. Unter diesem Kürzel fasst Samsung gleich mehrere Maßnahmen zur Bildverbesserung zusammen. Es handelt sich dabei aber um keinen standardisierten Begriff, den die übrigen Anbieter auch verwenden. Bei der Konkurrenz wird die HDR-Funktion anders heißen – zum Beispiel Dolby Vision. Philips (TP Vision), Hisense, Toshiba und TCL haben vor, Dolbys Technologie zu lizenzieren. Fehlen nur noch entsprechende Programme, die ein HDR-codiertes Signal übertragen. Als erstes werden Streaming-Dienste wie Amazon und Netflix auf den Zug aufspringen. Laut heise.de haben LG und Sony in Las Vegas angekündigt, HDR-Videos von Netflix unterstützen zu wollen. Auf Studioseite arbeitet Dolby mit Warner Brothers zusammen, um Filme für Dolby Vision aufzubereiten. Bislang angekündigt sind The Lego Movie, die Zeitschleifen Science-Fiction Edge of Tomorrow mit Tom Cruise und der Tornado-Thriller Storm Hunters. Wann es Hochkontrast-Fernsehen via Kabel-TV oder Satellit geben wird, steht noch nicht fest. Bis genügend Kanäle da sind, können sich Käufer eines HDR-fähigen Fernsehers jedoch anderweitig trösten: Wegen der hohen Leuchtkraft eignen sich die neuen Turbo-TVs besonders gut zum Fernsehen bei Tageslicht – dann, wenn die Bilder normaler Fernseher im hellen Wohnzimmer schon längst verblassen.