Ausprobiert: Carl Zeiss Cinemizer OLED

Die neue Art des Kopfkinos heißt „Cinemizer OLED“ und soll den Träger voll in seinen Bann ziehen. Carl Zeiss, der Spezialist für optische Apparaturen, versucht sich schon länger mit einer Videobrille am mobilen Kinospaß, doch das Seitenverhältnis von 4:3 und die VGA-Auflösung (640 x 480) konnten uns bislang nur eingeschränkt überzeugen (siehe unser Video „Cinemizer: Filme mitten im Gesicht“). Nun stellte Carl Zeiss auf der CeBIT 2012 die jüngste Iteration seiner Kinobrille vor: den „Cinemizer OLED“. Die neue Version erhöht nicht nur die Auflösung auf 870 x 500 Bildpunkte, bietet erstmals auch das Breitbild-Format 16:9.

Die Videobrille Cinemizer OLED stellt auch 3D-Inhalte dar. (Bild: Carl Zeiss)
Die Videobrille Cinemizer OLED stellt auch 3D-Inhalte dar. (Bild: Carl Zeiss)

Sieht so die Zukunft aus? 
Futuristisch und trendig weiß kommt sie auf den Markt, integriert In-Ear-Kopfhörer und verkabelt sich mit einem externen Akkupack, der für rund sechs Stunden Energie bereitstellen soll. Durch die Auslagerung des schweren Stromspeichers, wiegt die Brille nur 80 Gramm auf der Nase. Trotz der kleinen Abmessungen zeigt Cinemizer OLED ein Erlebnis wie auf einem 40 Zoll Fernseher in zwei Metern Entfernung. Jedes Auge wird dabei von einem eigenen OLED-Display versorgt, was nebenbei die Voraussetzung für 3D-Wiedergabe darstellt. Die Videoquelle muss entweder einen HDMI-Ausgang besitzen oder aus dem Hause Apple stammen, denn mit dem optionalen Adapter sind auch iPod oder iPhone in der Lage Filme anzuliefern – allerdings nur über die althergebrachte analoge Video-Composite-Verbindung. Gute Nachrichten gibt es weiterhin für Brillenträger, denn zwischen -5 bis +2 Dioptrien gleicht die Brille die Sehschwäche tadellos aus, ein Drehrädchen schärft jedem Auge getrennt den Blick für die Bilder.

3D-Unterwegs und ungestört 
„Total Immersion“ schreibt sich der Konzern auf die Fahnen, was übersetzt so viel bedeutet wie das „völlige Eintauchen” in ein Film- oder Spielerlebnis. In unserem Praxistest am CeBIT-Stand funktionierte das erstaunlich gut: Trotz Lärm und Hektik ließ sich der Charakter eines Video-Games konzentriert durch die 3D-Welt mit steilen Abhängen manövrieren. Ein optionaler Bewegungssensor erkennt die Kopfbewegung und lässt meinen Blick über die virtuelle Landschaft schweifen (Stichwort: „Headtracking”). Die OLED-Technik garantiert brillante Farben und knackige Kontraste. Für die Abschirmung nach außen gibt es – wieder einmal nur optional – einen schwarzen Silikonsichtschutz, der über die Augen gelegt wird. Zudem sind In-Ear-Kopfhörer an der Brille befestigt, die bauart-bedingt einen Teil des Umgebungslärms abschirmen. Sie werden jedoch über eine Mono-Klinke pro Seite eingesteckt und sind nicht mit einem herkömmlichen 3,5 mm Stecker zu verwechseln. Da die Brille „nur” ein Bild eines TVs in zwei Meter Entfernung zeigt, blickt man auf eine virtuelle Leinwand mit viel schwarzem Raum herum – völliges Eintauchen ist das nicht. Andererseits muss man den Kopf nicht in eine bestimmte Richtung neigen, sondern kann entspannt im Liegen Filme genießen oder sogar in der Abstellkammer an der Spielkonsole daddeln, ohne auf einen riesigen Bildschirm zu verzichten.

Vorteile gegenüber normalen 3D-Brillen
Der 3D-Effekt kommt durch die Perspektive zustande. Das linke Auge sieht ein anderes Bild, als das rechte. Bei einem zweidimensionalen Bild auf dem TV erreicht man diesen Effekt durch Shutter- oder Polarisationsbrillen. Beide Verfahren haben prinzipbedingte Nachteile. Mehr dazu in unserem Video „Aktiv gegen passiv: 3D-Verfahren im Vergleich”. Die Cinemizer ist frei davon: Jedes Auge blickt auf einen eigenen Minibildschirm, der das entsprechende, perspektivische Bild zeigt. Andreas Klavehn, Vertriebs- und Marketing-Manager bei Carl Zeiss, findet dazu eine gute Analogie: „Stellen sie sich vor, in ihrem Wohnzimmer stehen zwei 40 Zoll Fernseher genau nebeneinander, zwei Meter von ihnen entfernt. Jetzt ziehen sie dazwischen eine Mauer hoch – bis zu ihrer Nase. So sieht es in der Brille aus.” Dadurch flimmert nichts, man kann den Kopf in alle Richtungen bewegen und hat keine störenden Effekte durch Lichtspiegelungen. Die Mobilität erkauft man sich mit EUR 600 – immer noch billiger als zwei Fernseher. Im Juli 2012 soll der Verkauf starten.

digitalzimmer.de meint: Cinemizer OLED gleicht die Schwächen des Vorgängers aus und beeindruckt mit 3D-Inhalten. „Total Immersion” ist etwas hochgegriffen, doch das Gefühl „Mittendrin” zu sein, kann man der Videobrille nicht absprechen. Es macht Spaß, im Liegen den Fernseher an der Decke zu vermuten oder durch die Kopfbewegung den Analogstick in einem Spiel steuern zu können – der Headtracker ist jedoch noch in der Planung und nur ein Prototyp. Vor allem Vielreisenden kommt die lange Akkulaufzeit zugute: Brille auf, Film ab und schon hat man ein paar erholsame Stunden vor sich. Das Verfahren mit eigenen Bildschirmen für jedes Auge ist den bisherigen Brillen-Lösungen am TV-Gerät überlegen. Doch dafür kommt auch nur eine Person in den Genuss der dreidimensionalen Bilder – und die Auflösung erreicht noch nicht das Niveau moderner Full-HD-Fernseher.