Smart-TV: Von Hand mit fester Stimme zappen

Ob Smart Hub, Viera Connect, Google TV, Cinema 3D Smart TV oder Entertainment Network – die Begriffe für schlaue Flat-TV-Features sind weder neu noch wahnsinnig innovativ. Mit dem Titel „Schlau-TV” titelten bereits Artikel über Fernseher mit Festplatte, damals in den Nullerjahren, kurz nach dem Millenium. Doch die Smart-TVs von heute – deren Übersetzung nichts anderes bedeutet – sind über schnöde Speicherbausteine zur geistigen Ertüchtigung längst hinaus. Letzte Woche standen sie in Reih’ und Glied auf der Neuheitenmesse CES in Las Vegas. Müßig, alle Neuheiten dieser Messe aufzuzählen. Viele sind in erster Linie für den US-Markt bestimmt, andere werden sich bis zur Markteinführung hierzulande in Typenbezeichnung und Funktionen noch gewaltig ändern. Doch ein genauerer Blick auf die Smart-TV-Trends 2012 sei jetzt erlaubt. Erste Beobachtung: Die klassische Fernbedienung hat endgültig ausgedient. Weitere folgen in den nächsten Tagen.

Die Steuerung mit Fitness-Faktor
Gut möglich, dass man nächsten Winter beim Gang durch die dunklen, abendlichen Gassen der Vorstädte nicht mehr nur bläuliches TV-Großbildgeflimmer aus vielen Wohnzimmern erblicken wird, sondern auch immer häufiger Menschen auf Sofas, die mit großer Geste vor dem Fernseher herumfuchteln. Keine Angst, das sind keine motorischen Anfälle, die Leute sind vermutlich nur gerade beim Zappen, oder sie regeln die Lautstärke runter, weil Omi anruft. Nebenan könnte aus einem gekippten Fenster etwa dieser Dialog nach draußen dringen. Tiefe Stimme: „Sportschau!”, Kinderstimme, weinerlich: „Sandmännchen”, Tiefe Stimme, lauter: „Sportschau!!!”, Frauenstimme, enfernt: „Abendessen”, weibliche Ansagestimme, dezent mechanisch: „Ich habe nicht verstanden, bitte wiederholen Sie die Eingabe oder benutzen Sie die Fernbedienung”. Mehrere Hersteller wollen Ernst machen mit der Sprach- und Gestensteuerung im Wohnzimmer. Über die sozialen Verwerfungen rund ums digitale Herdfeuer machen sich die überwiegend koreanischen Ingenieure offenbar kaum Gedanken.

Samsung baut in seine neuen Topmodelle – allen voran die Serie ES 8090, die auch in Europa unter diesem Namen kommen soll – eine Kamera ein (siehe Abbildung oben). Die soll in der Lage sein, Gesten der Zuschauer zum Programmwechsel oder für andere Befehle zu erkennen und zu deuten. Die ersten Augenzeugenberichte sind angetan, von Verletzten auf der Messe wurde nicht berichtet. Neben der Kamera thront auch ein Mikrofon. Es soll gesprochene Sucheingaben im EPG oder in Online-Diensten einfangen und auswerten. Mikro und Kamera sind neben der Befehlsgewalt auch für Videotelefonate vorgesehen, etwa via Skype.

Der TV-Steuerstab von LG
LG löst die intuitive Bewegungssteuerung etwas anders: Die neue Fernbedienung der Koreaner heißt „Magic Remote” und man möchte glatt „Zauberstab” hinterherrufen, wäre der Begriff für eine schlanke TV-Fernbedienung nicht doch schon arg abgegriffen. Dennoch, man schwingt die Magic Remote von LG wie Harry Potter sein Werkzeug, um umzuschalten, den Cursor durchs Onlinemenü zu navigieren oder die Lautstärke zu ändern. Bewegungssensoren setzen die Gesten um, die Fernbedieung überträgt die resultierenden Befehle dann zum Flat-TV. Der Stab hat aber auch einige Tasten wie etwa den “3D”-Button, der beispielsweise die 2D-3D-Wandlung der LG-Ferneher aktiviert. Dazu kommt ein Scrollrad, mit dem der Zuschauer wie an modernen PC-Mäusen schnell von oben nach unten durch Menüoptionen eilt. Für Texteingaben schließlich hebt man das Ende des Stabes wie Dieter-Thomas Heck das Mikro vor’s Gesicht und spricht lässig hinein. Keine Zaubersprüche, sondern etwa Suchbegriffe, Kanalnamen oder Sendungstitel.

Interessant dürfte sein, wie gut die Smart-TVs der beiden koreanischen Hersteller solche Sprachbefehle verstehen. Immerhin will LG die Sprachsteuerung unter anderem in einen neuen Google-TV mit Android-Betriebssystem integrieren, und auch Samsung hat bereits mit derartigen Systemen in Smartphones Erfahrungen gesammelt. Keine der bekannten Lösungen klappt aber bislang so gut und komfortabel wie der viel beschriebene Sprachcomputer „Siri” im neuen iPhone 4S. Siri wiederum soll ja im Laufe des Jahres auf einem gerüchteweise sicher angekündigten Flat-TV von Apple Einzug ins Wohnzimmer halten.

Microsoft Kinect – jetzt auch für TV und PC
Fertig ist das Thema Gesten- und Sprachsteuerung damit noch nicht. Microsoft etwa hat mit Kinect bereits seit gut einem Jahr ein Eingabesystem für Bewegungen am ganzen Körper im Angebot – bislang aber vor allem zum Spielen mit der Xbox 360. Der Kinect-Controller erfasst Bewegungen in seinem Blickfeld über mehrere Kameras und erkennt sie damit sehr präzise. Auf der CES hat Microsoft angekündigt, dass die Kindect-Technik künftig auch zur Steuerung von PCs eingesetzt werde. Eine Internetseite für Entwickler wurde bereits gestartet, ab Februar 2012 soll die Technik verfügbar sein. Nachdem die Xbox immer mehr TV-Funktionen unterstützt – bis hin zum IPTV-Empfang in den USA –, wird der Kinect-Controller in er Konsole auch zum Ersatz für eine Smart-TV-Fernbedienung. In Deutschland lässt sich mit der Konsole inzwischen beispielsweise die ZDF-Mediathek empfangen – und über Kinect im Minority-Report-Stil durchfuchteln. Weitere Smart-TV-Angebote der xBox 360 sind etwa das Streamingangebot des Pay-TV-Senders Sky, das Videoangebot von MSN, Muzu.tv und YouTube. Demnächst soll auch das VOD-Angebot von Lovefilm über die xBox 360 erreichbar werden – natürlich ebenfalls mit Gestensteuerung.

digitalzimmer.de meint: Ob sich die Gesten- und Sprachsteuerung im TV-Alltag durchsetzt, hängt von der Umsetzung der verschiedenen Technologien ab. Die Steuerung per Handbewegung könnte schnell lästig werden, wenn das Gerät etwa schon den Griff zur Bierflasche als Zapppingbefehl interpretiert. Ganz so blöde dürften die Techniken aber nicht sein, und immerhin hat Fernsehen auch etwas mit Unterhaltung zu tun. Da sollte man Innovationen eben auch locker aus dem Handgelenk ausprobieren. Im Zweifelsfall greift man eben zur Fernbedienungs-App auf dem Smartphone. Die bietet mittlerweile wirklich jeder Hersteller zu seinen vernetzten Smart-TVs an. Für Texteingaben und andere komplexere Befehle sind die Touchscreen-Fernbedienungen eine echte Wohltat – aber längst keine Neuheit mehr.