3D ohne Brille: Made in Germany

Im Sommer 2011 ist es soweit. Dann sollen die ersten brillenlosen 3D-Geräte in Deutschland auf den Markt kommen. Keine 12- oder 20-Zöller, wie sie in Japan bereits verkauft werden, sondern echte Großbildschirme mit über einem Meter Diagonale. Das Ungewöhnliche dabei: Diese autostereoskopischen Fernseher stammen nicht aus Fernost. Sie werden in Deutschland gefertigt, etwa im beschaulichen Örtchen St. Georgen. Dort im Schwarzwald, wo mit Traditionsmarken wie Dual und Perpetuum-Ebner einst die Wiege deutscher Plattenspieler-Baukunst stand, hat sich 2006 die Tridelity Display Solutions GmbH angesiedelt. Das Unternehmen – inzwischen zur Aktiengesellschaft umfirmiert – ist auf dreidimensionale Displays für Werbung und digitale Beschilderung („Digital Signage”) spezialisiert. Auch brillenlose 3D-Monitore für computergestütztes Entwerfen (CAD) und medizinische Anwendungen gehören zum Sortiment.

THB-Schuettler
Mit autostereoskopischen Displays wollen deutsche Unternehmen wie THB oder Tridelity im 3D-Markt die Führung übernehmen. (Bild: THB Schüttler)

Doch nun steigt Tridelity ins TV-Geschäft ein: „Auf der IFA werden wir unseren ersten 3D-Fernseher präsentieren”, erklärt Michael Russo, Mitbegründer des Unternehmens und Leiter des Geschäftsbereiches Marketing/Sales. Geplant sei ein Modell mit 42 Zoll Diagonale (106 cm) – für 7.500 Euro. „Allerdings wissen wir noch nicht, ob wir das Gerät genau zu diesem Preis anbieten können”. Eventuell, so Russo, werde es auch eine Variante mit größerem Display geben.

Allein die Ankündigung kommt einer mittleren Sensation gleich. Während alle Welt nach Japan schaut, wo Toshiba mit brillenlosen 3D-Geräten bereits am Markt ist, wollen es Tüftler aus dem Schwarzwald mit den Großen der Branche aufnehmen. Russo ist zuversichtlich, dass die Tridelity AG im heiß umkämpften Fernseher-Markt eine Chanche hat: „Wir bauen keine Massenprodukte, sondern Geräte, die in Deutschland hergestellt werden – mit einer Technologie, die entspannendes 3D-Fernsehen ohne Brille ermöglicht”. Besagte Technologie ist dieselbe wie in anderen Tridelity-Displays: Ein Flüssigkristall-Bildschirm (LCD) wird mit einer Parallaxen-Barriere versehen. Dabei handelt es sich um einen Filter aus feinen, diagonal verlaufenden Streifen. Die Linien sorgen dafür, dass aus verschiedenen Blickwinkeln nur bestimmte Pixel des dahinter liegenden Bildschirms zu sehen sind. Eine Elektronik steuert das Display dann so an, dass die jeweils sichtbaren Pixel für rechtes und linkes Auge ein räumliches Bild ergeben.

Die Profi-Monitore von Tridelity sind in der Regel auf fünf Blickwinkel ausgelegt. Für das TV-Gerät sind acht Perspektiven geplant, um ein breiteres Blickfeld im Wohnzimmer abzudecken. Dadurch wird der 3D-Effekt nach vorne, aus dem Display heraus, zwar schwächer, aber der Zuschauer hat mehr Bewegungsfreiheit. Negative Begleiterscheinung: Mit jedem Blickwinkel sinkt die Bildschärfe, weil Pixel für die zusätzliche Perspektive abgezweigt werden müssen. Michael Russo nennt als Faustregel: „Bildschirmauflösung mal zwei durch die Zahl der Blickwinkel ergibt in etwa die sichtbare Auflösung”. Von einem Full-HD-TV mit rund 2 Millionen Pixeln bleiben nach dieser Rechnung bei acht Blickwinkeln also etwa eine halbe Million Bildpunkte übrig. Das ist kaum mehr als Standard-Definition.

Diese Angabe deckt sich mit dem optischen Eindruck, den digitalzimmer.de auf der Fachmesse „High End 2011” mit einem anderen autostereoskopischen Display gewinnen konnte. Denn neben Tridelity gibt es demnächst noch einen zweiten deutschen Anbieter brillenloser 3D-Fernseher: THB View. Die Handelsmarke von Unternehmer Siegmund Schüttler will bereits in zwei Monaten mit der Auslieferung beginnen. Branchenkenner Schüttler, der ein Handelsbüro für Medienmöbel, HiFi-Geräte und andere Elektronik-Produkte betreibt, hat sich mit der Natural View Systems GmbH in Oberfranken zusammengetan. Von dort stammt das patentierte Herzstück der THB-View-Geräte: ein Algorithmus namens „iVu”. Er soll in bislang ungeahnter Perfektion aus 2D-Material ein dreidimensionales Bild errechnen. Das können die bereits erhältlichen 3D-Fernseher mit Brille zwar auch, aber häufig kommt es dabei zu unerwünschten Nebeneffekten: Elemente im laufenden Bild springen eine Ebene vor oder zurück, wenn sich der Hintergrund ändert, Konturen wirken verschwommen.

„Das passiert mit iVu nicht”, demonstriert Chefentwickler Michael Steglich stolz seine Erfindung auf der Messe. In der Tat stehen Texteinblendungen wie festzementiert im Bild. Per Fernbedienung lässt sich der Raumeffekt variieren und dem persönlichen Geschmack anpassen. Auch mit stereoskopischen 3D-Programmen von Blu-ray-Disc soll iVu eine Bildverbesserung bewirken. Allerdings konnte sich digitalzimmer.de davon nicht selbst überzeugen, weil die Zuspielung vom Blu-ray-Player während der Vorführung nicht funktionierte. Dargestellt wird das Bild wie bei Tridelity auf einem LCD-Schirm mit Parallaxen-Barriere und acht Blickwinkeln. „Das LCD-Panel stammt von Samsung”, verrät Steglich. Die 3D-Technik mit Bildverarbeitung und das komplette TV-Gerät seien aber „Made in Germany”, ergänzt THB-Chef Schüttler.

THB View startet mit 46 Zoll Bilddiagonale (116 cm) und zwei Modellen: einem reinen 3D-Monitor und einem 3D-Fernseher mit integriertem HDTV-Tuner für Satelliten-Empfang (DVB-S2). Das TV-Gerät hat auch gleich einen PC eingebaut, der in unterschiedlichen Prozessor-Ausführungen zu haben ist. Außerdem soll es alle Modelle in einer Variante mit SDI-Eingang (Serial Digital Interface) geben – zur digitalen Ansteuerung des Bildschirms in Video-Wänden und als Profi-Monitor. Die Preise sind stattlich: Den Monitor gibt es ab etwa 16.000 Euro, die Variante mit Tuner soll je nach Ausstattung zwischen 20.000 und 20.400 Euro kosten.

digitalzimmer.de meint: 3D ohne Brille fasziniert die Zuschauer, das ist keine Frage. Ob diese Faszination ausreicht, die geringere Bildauflösung vergessen zu machen, muss jeder selbst entscheiden. Denn im Vergleich mit Brillengeräten sehen die jetzt angekündigten autostereoskopischen Displays noch ziemlich pixelig aus. Die körnige Struktur im Bild verliert sich mit zunehmendem Betrachtungsabstand – aber ein Vorteil von HDTV und Full-HD-Geräten war ja gerade, dass man dichter an den Schirm heranrücken konnte. Displays mit mehr Auflösung, sogenannte 4K-Panels, würden dem Schärfeverlust entgegenwirken, gleichzeitig den Preis von Geräten mit Parallaxen-Barriere aber weiter in die Höhe treiben. Doch wer weiß: Vielleicht motiviert der Vorstoß deutscher Anbieter die internationale Konkurrenz ja dazu, selbst ins Geschäft mit brillenlosen 3D-TVs einzusteigen. Dann dürfte die steigende Nachfrage zu erhöhter Produktion von 4K-Panels führen – und damit langfristig zu sinkenden Preisen. Schön, dass Deutschland in dieser Entwicklung ganz vorne mitspielt. Schließlich haben deutsche Erfinder wie Paul Nipkow und Manfred von Ardenne vor einem knappen Jahrhundert das Fernsehen aus der Taufe gehoben.